Der am 10. August 1924 in Versailles geborene Lyotard hatte ihn wenige Jahre zuvor durch ein Schlagwort bereichert, das seither bis heute immer noch ein Reizwort darstellt: die Postmoderne als philosophisches Bewußtsein einer Zeit des Niedergangs der politischen Ideologien, der allgemeinverbindlichen ethischen Werte, der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis - mit einem Wort: das Ende des Forschrittsbewußtsein. Kein Wunder, wenn gerade in Deutschland die von Jürgen Habermas beherrschte akademische Linke in der postmodernen Philosophie plötzlich ihren Hauptfeind erblickte.
Warum aber wurde diese philosophische Strömung dann in Frankreich gerade von den Sozialisten gefördert? Das Leben Jean-Francois Lyotards könnte auf diese Frage eine Antwort geben. Nach dem Studium war er zwischen 1950 und 1952 zunächst Lehrer an einem Gymnasium in der damaligen französischen Kolonie Algerien und machte erste politische Erfahrungen mit dem Widerstand in Algerien. Während seiner Assistenzzeit an der Sorbonne 1959-1966 schloß er sich der radikal marxistischen Gruppe um die Zeitschrift "Socialisme ou Barbarie" an, die sowohl antistalinistisch als auch antikapitalistisch orientiert war. Doch Lyotards politisches Engagement war grundsätzlich antidogmatisch ausgerichtet, so daß er sich 1966 auch von der gemäßigteren linken Gruppe um die Zeitschrift "Pouvoir ouvrier" verabschiedete, mit der er sich wenige Jahre zuvor von "Socialisme ou barbarie" abgespalten hatte. Trotzdem verstand Lyotard seine Philosophie wie seine Tätigkeit als Hochschullehrer - zuletzt lehrte er bis 1987 an der Universität von Paris-Vincennes - immer als politisches Engagement, und das natürlich in den aufregenden Jahren vor und nach 1968.
Es verwundert daher auch nicht, daß Lyotard ein bestimmtes Buch aus seinem umfänglichen Oeuvre als sein Hauptwerk begreift, nämlich "Der Widerstreit", das 1983 in Paris erschien. Es entwirft im Anschluß an Kant und Wittgenstein seine politische Philosophie und stellt damit zugleich die ausdifferenzierteste Position einer politischen Theorie der Postmoderne dar. Wenn die - wie Lyotard sie nannte - "großen Erzählungen" der Moderne vom vernünftigen Subjekt, vom wissenschaftlichen, technischen und sozialen Fortschritt ihre Überzeugungskraft verloren haben, dann kann auch die Politik ihre leitende, vermittelnde wie sozial ordnende Funktion nicht mehr ausfüllen. Politik ist auch keine Metasprache, sondern bestenfalls selbst Partei in einer Vielfalt sozialer Konfliktlagen. Sie ist Ort des Widerstreits, den es in einer pluralen Welt der vielen Sprachen, der unüberwindbaren Differenzen, der unterschiedlichsten Lebensformen auszuhalten und nicht zu Lasten von anderen zu konsentieren gilt.
Man hat Lyotard daher des Irrationalismus bezichtigt, auch einer gewissen amoralischen Haltung. Doch einerseits wendet er sich in seinem Buch "Der Widerstreit" explizit gegen die kapitalistische Vorherrschaft des Marktes: Auch die Hegemonie der Ökonomie entspricht nicht der Pluralität der Sprach- und Lebensformen und ist im Grunde unmoralisch. Andererseits beseelte ihn immer schon ein beinahe kantischer Rigorismus, was die politische Moral angeht, der von hoher Konsequenz und einer prinzipiellen Ablehnung politischer Gewalt geprägt ist. Für ihn war die postmoderne Philosophie, besser die Philosophie des Widerstreits und der Differenz, die einzige mögliche Fortsetzung sozialen und politischen Denkens nach dem Niedergang des Marxismus, eben in einer komplexen, unübersichtlichen Welt. Dementsprechend lauten die letzten Worte seines programmatischen Buches "Das postmoderne Wissen": "Es zeichnet sich eine Politik ab, in der der Wunsch nach Gerechtigkeit und der nach Unbekanntem gleichermaßen respektiert sein werden."
Warum aber wurde diese philosophische Strömung dann in Frankreich gerade von den Sozialisten gefördert? Das Leben Jean-Francois Lyotards könnte auf diese Frage eine Antwort geben. Nach dem Studium war er zwischen 1950 und 1952 zunächst Lehrer an einem Gymnasium in der damaligen französischen Kolonie Algerien und machte erste politische Erfahrungen mit dem Widerstand in Algerien. Während seiner Assistenzzeit an der Sorbonne 1959-1966 schloß er sich der radikal marxistischen Gruppe um die Zeitschrift "Socialisme ou Barbarie" an, die sowohl antistalinistisch als auch antikapitalistisch orientiert war. Doch Lyotards politisches Engagement war grundsätzlich antidogmatisch ausgerichtet, so daß er sich 1966 auch von der gemäßigteren linken Gruppe um die Zeitschrift "Pouvoir ouvrier" verabschiedete, mit der er sich wenige Jahre zuvor von "Socialisme ou barbarie" abgespalten hatte. Trotzdem verstand Lyotard seine Philosophie wie seine Tätigkeit als Hochschullehrer - zuletzt lehrte er bis 1987 an der Universität von Paris-Vincennes - immer als politisches Engagement, und das natürlich in den aufregenden Jahren vor und nach 1968.
Es verwundert daher auch nicht, daß Lyotard ein bestimmtes Buch aus seinem umfänglichen Oeuvre als sein Hauptwerk begreift, nämlich "Der Widerstreit", das 1983 in Paris erschien. Es entwirft im Anschluß an Kant und Wittgenstein seine politische Philosophie und stellt damit zugleich die ausdifferenzierteste Position einer politischen Theorie der Postmoderne dar. Wenn die - wie Lyotard sie nannte - "großen Erzählungen" der Moderne vom vernünftigen Subjekt, vom wissenschaftlichen, technischen und sozialen Fortschritt ihre Überzeugungskraft verloren haben, dann kann auch die Politik ihre leitende, vermittelnde wie sozial ordnende Funktion nicht mehr ausfüllen. Politik ist auch keine Metasprache, sondern bestenfalls selbst Partei in einer Vielfalt sozialer Konfliktlagen. Sie ist Ort des Widerstreits, den es in einer pluralen Welt der vielen Sprachen, der unüberwindbaren Differenzen, der unterschiedlichsten Lebensformen auszuhalten und nicht zu Lasten von anderen zu konsentieren gilt.
Man hat Lyotard daher des Irrationalismus bezichtigt, auch einer gewissen amoralischen Haltung. Doch einerseits wendet er sich in seinem Buch "Der Widerstreit" explizit gegen die kapitalistische Vorherrschaft des Marktes: Auch die Hegemonie der Ökonomie entspricht nicht der Pluralität der Sprach- und Lebensformen und ist im Grunde unmoralisch. Andererseits beseelte ihn immer schon ein beinahe kantischer Rigorismus, was die politische Moral angeht, der von hoher Konsequenz und einer prinzipiellen Ablehnung politischer Gewalt geprägt ist. Für ihn war die postmoderne Philosophie, besser die Philosophie des Widerstreits und der Differenz, die einzige mögliche Fortsetzung sozialen und politischen Denkens nach dem Niedergang des Marxismus, eben in einer komplexen, unübersichtlichen Welt. Dementsprechend lauten die letzten Worte seines programmatischen Buches "Das postmoderne Wissen": "Es zeichnet sich eine Politik ab, in der der Wunsch nach Gerechtigkeit und der nach Unbekanntem gleichermaßen respektiert sein werden."