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Nachruf
Die große kleine Shirley Temple

In den ersten acht Jahren ihrer Karriere drehte sie bereits 30 Filme und wurde ein gefragtes Werbegesicht. Einen Oscar erhielt die amerikanische Schauspielerin Shirley Temple im zarten Alter von sechs. Nun ist der frühere Kinderstar mit 85 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Von Beatrix Novy | 11.02.2014
    Unter den Titelzeilen, die heute den Tod von Shirley Temple meldeten, lautete eine: "Die große Shirley Temple ist tot". Eine unfreiwillig ironische Wortwahl, denn es war ja nur die kleine Shirley Temple, die einst so unerhört erfolgreich war, von Film zu Film tanzte und das Kinopublikum in aller Welt bezauberte.
    An Shirley Temple vollzog sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein seither oft gesehenes Schicksal, das des Kinderstars, dessen Lebenshöhepunkt gerade dann zu Ende ist, wenn andere junge Menschen eine Laufbahn erst ins Auge fassen. Das passiert. Aber nur Shirley Temples Name wurde zum Begriff, er verschwand bis heute nicht, obwohl die Karriere der 1928 Geborenen mit ihrer Pubertät endete.
    Aber in diesen Jahren war jede Gelegenheit genutzt worden, um sie im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Sie drehte allein in den ersten acht Jahren ihrer Karriere an die 30 Filme. Sie war der Sonnenschein, den die Amerikaner brauchten, um die Zeit der großen Depression im Kino durchzustehen, die offizielle Bestätigung gab Franklin D. Roosevelt ab: "Solange wir Shirley Temple haben, geht es uns gut".
    Werbegesicht und Kinder-Oscar-Preisträgerin
    Ihrem Gesicht konnte man nicht entgehen in den 30er-Jahren, es zierte unübersehbar Millionen von Produkten, vom Shampoo bis zum Comic-Heft, Werbung, die Shirley Temples Familie zusätzliche hohe Einnahmen brachte. Die Familie, das war klassischer Weise die Mutter, die ihr talentiertes Töchterchen lückenlos verwaltete und vermarktete und natürlich neben ihr stand bei der Verleihung eines eigens erfundenen Kinder-Oscars. Und als Shirley den entgegengenommen hatte, wandte sie sich zur Mutter und fragte: "Mama, kann ich jetzt nach Hause?" Das war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen selbst Shirley Temple einstudiert wirkte. Denn ansonsten wirkte dieses Kind so absichtslos niedlich, so unartifiziell, dass Jamie Lee Curtis bei der Verleihung des Screen Actors Award für Shirley Temple ins Schwärmen geriet.
    Da war sie 79, war, wie schade, schwer geliftet und hatte, nach der letzten Filmschlappe in den 40er-Jahren, eine solide Karriere in der Politik der republikanischen Partei hinter sich. Ihre Geschichte hatte keine tragische Wendung genommen, wie bei manch anderem Kinderstar, und wenn sie mit ihrem Leben nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie sich kaum den Witz ausgedacht, den sie gern vor großem Publikum vortrug. "Ich möchte Ihnen einen Rat geben: Früh anfangen!"