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Nachwachsende Rohstoffe:

Nachwachsende Rohstoffe, wie Naturfasern, werden von der Industrie durchaus als Werkstoffe gesucht. Trotzdem wächst die Anbaufläche in Deutschland nur geringfügig. Der Grund dafür, dass das Angebot die Nachfrage nicht deckt, liegt an den oft noch fehlenden Verarbeitungstechnologien. Kostengünstige und effiziente Techniken und Verfahren, um den Faserrohstoff zu vielseitig verwendbaren Werkstoffen zu formen, sind Mangelware. Dieses Problem ist für einen neuen Baustoff, den Bonner Forscher entwickelt haben, nahezu gelöst: es geht um Miscanthus, Chinagras, das für manche ein Unkraut ist, für andere ein Ziergras und eine Pflanze, die eigentlich als nachwachsender Rohstoff schon länger im Mittelpunkt des Interesses der Forscher steht.

von: Ursula Mense |
    Nachwachsende Rohstoffe, wie Naturfasern, werden von der Industrie durchaus als Werkstoffe gesucht. Trotzdem wächst die Anbaufläche in Deutschland nur geringfügig. Der Grund dafür, dass das Angebot die Nachfrage nicht deckt, liegt an den oft noch fehlenden Verarbeitungstechnologien. Kostengünstige und effiziente Techniken und Verfahren, um den Faserrohstoff zu vielseitig verwendbaren Werkstoffen zu formen, sind Mangelware. Dieses Problem ist für einen neuen Baustoff, den Bonner Forscher entwickelt haben, nahezu gelöst: es geht um Miscanthus, Chinagras, das für manche ein Unkraut ist, für andere ein Ziergras und eine Pflanze, die eigentlich als nachwachsender Rohstoff schon länger im Mittelpunkt des Interesses der Forscher steht.

    Die Geschichte über das umweltfreundliche Chinagras beginnt mit einer Enttäuschung. Vielversprechend hatte man Miscanthus schon vor zehn Jahren als Alternative für die Energiegewinnung entdeckt. Dann mußten alle Hoffnungen begraben werden. Das Gras wollte in unseren Breiten offenbar nicht vernünftig wachsen. Erst Dr. Ralf Pude von der Universität Bonn wagte den Großversuch und bewies, dass man biologische Prozesse missachtet hatte:

    Der Veba-Konzern hat Anfang der 90er Jahre intensiv geforscht, hat die Wasserstoffgewinnung entwickelt. Aber die Pflanze hatte das Problem, dass sie oft ausgewintert ist, also nach dem ersten Jahr im Winter nicht mehr ausgetrieben ist. Anfang der 90er war das Problem, dass es keinen Miscanthus gab. Die Pflanzen wurden über Gewebekulturen mikroskopisch vermehrt. Dann hat man massenweise Miscanthus produziert, und die Pflanzen waren sehr schwach. Das Problem war, sie sind nicht ausgewintert, sondern ausgefallen, weil sie den Herbst nicht erkannt haben, sind abgereift und grün in den Winter gegangen. So konnten sie ihre Nährstoffe nicht mehr verlagern und sind deshalb, weil sie keine Kraft mehr hatten, im Frühjahr nicht ausgetrieben.

    Inzwischen hat Ralf Pude das Anbauproblem gelöst. In klirrender Kälte pflanzte er vor drei Jahren in Polen sogenannte Rhizomstücke, sprich Wurzeln. Alle trieben aus. Das Problem war gelöst.

    Damit ist Miscanthus für die Wasserstoffgewinnung oder als Energielieferant in der Biogasanlage wieder interessant geworden – allerdings erst dann, wenn der Energiepreis steigt. Im Augenblick ist die Pflanze als Energielieferant noch nicht rentabel. In vielen Bereichen dagegen könnten die Stängel des hohen Grases schon jetzt zu einer umweltfreundlichen und preiswerten Alternative werden, sagt der Wissenschaftler:

    Es gibt eine Reihe von Nischenprodukten: biologisch abbaubare Blumentöpfe etwa, - man pflanzt die Pflanze mit Topf, und der Topf löst sich auf. Man kann Ölbinder aus gehäckseltem Miscanthus herstellen, der für die Feuerwehr interessant ist. Man kann Fensterrahmen herstellen, indem man Miscanthus mit Kunststoff vermischt zur Stabilität von Formteilen, man kann Papier daraus gewinnen, was aber in Deutschland wegen der hohen Umweltauflagen nicht wirtschaftlich ist, und der größte Bereich ist der Baustoffbereich, weil große Mengen benötigt werden und dadurch ein großer Absatzmarkt für die Landwirtschaft da ist. Da gibt es viele Entwicklungen, dass man Fertighäuser produziert, Mauersteine, Putz, Estricht, eine Mischung mit Lehm ist möglich im Sanierungsbereich von Altbauten.

    Besonders interessant ist der hohe Dämmwert eines Baustoffs aus Miscanthus. Auch hier wurden erste Schwierigkeiten gelöst. Dr. Pude:

    Das Problem ist, dass man bisher chemische Binder verwandt hat, um nachwachsende Rohstoffe mit dem Zement zu binden und das ist derart teuer, dass sich das nicht rechnet, dieser chemische Binder. Und an mich ist ein Bauingenieur herangetreten, der einen Mineralisator entdeckt hat, ein preiswertes und ökologisches Mittel, was die Pflanze mit Mineralstoffen versieht, deswegen heißt das Mineralisator, und dann kann der Zement anpacken und der Baustoff wird fest.

    In Deutschland werden inzwischen 170 Hektar Miscanthus angebaut, in der Schweiz bereits doppelt so viel, weil dort die Stilllegungsprämie höher ist. Obwohl sich immer mehr Firmen für das asiatische Gras interessieren, sind die Landwirte zurückhaltend, weil die Stilllegungssätze variieren und die Bauern mit einer einjährigen Pflanze wie Raps etwa flexibler sind. Mit einer Miscanthus-Kultur würden sie sich für Jahrzehnte festlegen.

    An den Standort stellt Miscanthus praktisch keine Ansprüche. Er lässt sich überall dort anpflanzen, wo auch Mais wächst. Allerdings muss man ihn in den ersten zwei Jahren unkrautfrei halten – mechanisch, weil es keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel für Miscanthus gibt. Pro Hektar bindet die Pflanze 30 Tonnen Kohlendioxyd, etwa den Ausstoß eines Mittelklassewagens auf 150 000 Kilometern. Auch ein entscheidendes Argument für den Anbau dieser vielseitigen Pflanze.

    Und natürlich bietet ein Miscanthus-Feld auch vielen Tieren Schutz. Da die Bestände im Winter nicht abgeerntet werden, ziehen sich Fasane und Rehe dorthin zurück, ebenso die bedrohte Zwergspitzmaus, die im hohen Schilf ihr Nest baut. Nützlingen wie Florfliegen und Marienkäfern bietet es eine Möglichkeit zu überwintern.