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Nachwuchs "klare Perspektiven bieten"

Der Präsident der Hemholtz-Gemeinschaft, Jürgen Mlynek, hält angesichts einer Tagung seines Hauses über Karrierechancen für junge Wissenschaftler eine Juniorprofessur nur in Verbindung mit einem sogenannten Tenure Track für sinnvoll. Die Forscher müssten frühzeitig über eine Weiterführung ihrer Stelle informiert werden. Das gelte insbesondere für diejenigen, die man nicht auf Dauer anstellen wolle.

Jürgen Mlynek im Gespräch mit Jörg Biesler | 19.05.2009
    Jörg Biesler: Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland könnte durchaus verbessert werden, darin sind sich eigentlich alle einig. Und im Pakt für Forschung und Innovation haben sich die Wissenschafts- und Forschungsorganisationen auch verpflichtet, hier voranzukommen. Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die größte deutsche Forschungsgemeinschaft, veranstaltet heute eine Tagung, bei der darüber diskutiert wird, wie das geschehen könnte, wie man die Karrieren von jungen Wissenschaftlern voranbringen könnte. Ich habe kurz vor der Sendung mit dem Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft, Jürgen Mlynek, gesprochen, und ihn gefragt, wo denn der größte Nachholbedarf besteht.

    Jürgen Mlynek: Es gibt mehrere Punkte, die da wichtig sind. Ich denke, zum einen müssen wir wirklich dem wissenschaftlichen Nachwuchs klare Perspektiven bieten. Das gilt insbesondere für die 30- bis 40-Jährigen, die oft eine Achterbahn durchlaufen, sich teilweise von einer Zeitstelle zur anderen hangeln, um dann doch irgendwo im Nirgendwo zu landen. Ich denke, wir sind verpflichtet, denjenigen, die wir gewinnen wollen, dann auch für eine wissenschaftliche Laufbahn gerade in diesem wichtigen Altersabschnitt Perspektiven zu eröffnen, die dann auch belastbar sind. Das gilt insbesondere für Frauen in der Wissenschaft.

    Biesler: Dass es da so eine schwierige Situation gibt für junge Wissenschaftler, das ist ja bekannt, deswegen auch die Verpflichtung im Pakt für Forschung und Innovation. Aber nehmen wir mal ein konkretes Beispiel, die Juniorprofessoren zum Beispiel. Eigentlich seit Einführung der Juniorprofessur wird immer wieder darauf hingewiesen, wir brauchen eigentlich einen sogenannten Tenure Track, also wir brauchen die Möglichkeit, direkt aus der Juniorprofessur auch in eine ordentliche Professur dann zu wechseln und nicht die Bewerbungsverfahren, wo unter Umständen dann wieder Jahre dazwischen liegen, bis man auf eine feste Stelle kommt. Erreicht worden ist da bislang ja nichts.

    Mlynek: Nichts kann man nicht sagen. Wir haben zurzeit in Deutschland 800 Juniorprofessuren, die besetzt sind, übrigens mit einem prozentual höheren Anteil an Frauen, wie das bei den anderen Professuren der Fall ist. Von daher hat dieses Instrument gerade unter dem Aspekt Gleichstellung, denke ich, einiges erreicht. Und die meisten dieser Juniorprofessuren haben auch eine sogenannte Option auf Tenure Track. Das heißt, die Stellen laufen ja sechs Jahre, nach drei, vier Jahren gibt es eine Zwischenevaluation, wo die Bewerberinnen und die Bewerber dann auch auf eine Verstetigung ihrer Stelle hin Hinweise bekommen, ob sie nun dafür auch qualifiziert sind oder nicht, sodass für diejenigen, die man nicht auf Dauer anstellen will, die Möglichkeit besteht, sich dann doch in einem Zeitraum von ein oder zwei Jahren Alternativen zu überlegen.

    Biesler: Aber in der Breite der Fächer sozusagen ist ja Tenure Track ja noch nicht der Regelfall sozusagen. Würden Sie sich das wünschen, dass es da ein geordnetes Verfahren gibt, wäre das eine Hilfe für die jungen Wissenschaftler?

    Mlynek: Absolut. Ich glaube, die Juniorprofessur macht nur Sinn, so habe ich die jedenfalls immer verstanden, in Verbindung mit diesem Tenure-Track-Element. Denn warum sollte man sonst wirklich auch in diese jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler investieren?

    Biesler: Einer Ihrer Workshops heute heißt Wissenschaftsmanagement. Da geht es nicht darum, dass sich die Wissenschaftler sozusagen selber managen, sondern darum, dass sie es lernen, Wissenschaft zu verwalten und zu managen, womöglich zu neuen Ufern zu führen, um es mal ein bisschen utopisch zu formulieren. Ist das eine Zusatzqualifikation, die heute dazu führen kann, dass man einfach leichter und besser Karriere macht?

    Mlynek: Wir hatten gestern Abend einen Festvortrag, der das Thema "Exzellenz im Wissenschaftsmanagement" zum Thema hatte und bei dem die These vertreten wurde, wir brauchen Exzellenz in der Forschung, wir brauchen Exzellenz in der Lehre, aber wir brauchen auch Exzellenz sozusagen im Wissenschaftsmanagement. Da muss man nicht gleich an Präsidentenpositionen denken, sondern das fängt schon an, wenn man eine kleine Arbeitsgruppe hat mit, sagen wir mal, drei bis fünf Mitarbeitern. Da kommen Verpflichtungen auf den Arbeitsgruppenleiter zu, was die Mitarbeiter anbetrifft, da müssen Drittmittel akquiriert werden, da müssen Projekte verwaltet werden. Da müssen Mitarbeiter gefordert, aber auch gefördert werden. All das macht man jetzt so im Do-it-yourself-Verfahren, Training on the Job. Ich glaube, da müssen wir strukturierter ran. Und wir von der Helmholtz-Gemeinschaft haben für den Zweck eine Helmholtz-Führungsakademie ins Leben gerufen, wo wir jüngere Kolleginnen und Kollegen aus der Helmholtz-Gemeinschaft versuchen, jetzt wirklich in das Handwerkszeug dieses Wissenschaftsmanagement einzuweisen.

    Biesler: Sie machen mir eigentlich einen Eindruck, als seien sie ganz zufrieden mit der Lage im Augenblick und würden jetzt keinen hektischen Bedarf sehen, da irgendwas zu ändern. Der Eröffnungsvortrag heute Morgen, in dem wurde die deutsche Förderung international verglichen. Mit einem beruhigenden Ergebnis?

    Mlynek: Ich glaube, wir müssen nachholen bei dem Thema Diversität. Wir haben noch zu wenig ausländische Kolleginnen und Kollegen - gar nicht mal so sehr unter den Jüngeren, bei den Doktoranden sieht das ganz gut aus, das variiert von Fach zu Fach -, aber die Anzahl der ausländischen Doktorandinnen und Doktoranden ist durchaus in der Größenordnung 30 bis 50 Prozent in manchen Einrichtungen. Danach wird aber diese Pipeline löchrig. Im Bereich Postdoktoranden sind es dann weniger, bei den Nachwuchsgruppen auch weniger. Insgesamt haben wir nur 15 Prozent dann im Postdoktoranden-Bereich Ausländer im Wissenschaftssystem. Das ist zu wenig. Das schwankt von Organisation zu Organisation. Hier müssen wir mehr tun, das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt ist: Wir müssen einfach mehr Frauen auch in die wissenschaftliche Laufbahn bringen und da Rahmenbedingungen dann auch schaffen, die Beruf und dann Privatleben, also insbesondere Familie, besser in Einklang bringen, als das bisher der Fall war.

    Biesler: Jürgen Mlynek, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft über Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Vielen Dank!