Derlei Partiten stellen für den Hörer ja immer eine Verführung zum ungeordneten Genuss dar. Also fangen wir doch, sagen wir, einfach mal mit der Sinfonia zur Partita Nr. 2 c-moll, BWV 826 an.
* Musikbeispiel: J.S.Bach - 1. Sinfonia (Ausschnitt) aus der Partita Nr. 2 c-moll, BWV 826
Alle Achtung! denkt man. Da geht einer frisch zu Werke. Das hat einen gewissen Drive, ein gewisses rhythmisches Feuer, eine gewisse Gelenkigkeit des Tons, vielleicht nicht unbedingt das gewisse Etwas, das andere Pianisten aus der gerade nachdrängenden Generation wie etwa Konstantin Lifschitz bei Bach entwickeln -, aber man ist ohne weiteres geneigt, dem jungen Ramin Bahrami auf seinem Weg durch die vielgestaltige Welt der Bach’schen Klavierpartiten zu folgen. Zumindest möchte man nun doch vielleicht wissen, mit wem man es da zu tun hat.
Ramin Bahrami wurde vor knapp dreißig Jahren in Teheran geboren. Er studierte vorwiegend in Italien, und die beiden Veröffentlichungen, die vor kurzem auf dem Markt erschienen, wurden auch von DECCA Italia ediert. Die Partiten spielte Bahrami im April vergangenen Jahres in Toblach ein. Die Aufnahme der Goldberg-Variationen entstand bereits 2002 an berühmter Stelle, in der Salle de Musique in La Chaux-de-Fonds. Aus so manchem Detail wird deutlich, dass Ramin Bahrami gegenwärtig sehr gefördert wird.
Das kann man ohne weiteres verstehen, wenn man nach der Sinfonia zur 2. Partita die folgende Allemande hört. Auch die perlt intelligent, wenn auch manchmal ein bisschen artig dahin. Bei der Sarabande wird's dann allerdings ein wenig ledern. Aber man kann ja zur zweiten CD wechseln, zum großen Entrée, zur Französischen Ouvertüre in h-moll BWV 831. Man hört ein bisschen zu, erledigt kurz etwas in der Küche, kommt zurück und stellt nach acht Minuten fest: Der spielt ja immer noch! Das hat freilich nichts mit dem Tempo zu tun. Andere benötigen für diese Ouvertüre weitaus mehr Zeit. Aber bei Ramin Bahrami passiert so verzweifelt wenig. Man kann diese Ouvertüre sich in düsterer Pracht entfalten lassen - wunderbar! Man kann den Verflechtungen der Linien mit raffinierten Nuancen des Anschlags nachgehen - auch gut! Man kann auch einfach nur der puren Lust am Klavierspiel nachgeben und zeigen, welche Tricks man drauf hat - nicht die schlechteste Lösung, wenn einer nicht nur ein begabter Klavierspieler, sondern auch noch ein begabter Taschenspieler ist. Nur so ordentlich und vorhersehbar buchstabieren sollte man das Stück eigentlich nicht. Erst beim Passepied I wacht der Künstler für Momente auf, um uns in der Sarabande wieder in tiefen Schlaf zu versenken.
Also her mit den Goldberg-Variationen! Da geht's ja bekanntlich um das Einschlafen. Und es gelingt in der Tat bereits in der Aria. Nun merkt man dieser Aufnahme an, dass sie drei Jahre älter ist als die der Partiten. In so mancher raschen Passage - und einige nimmt Ramin Bahrami sehr flott - scheinen seine Finger denn doch ein wenig die Orientierung zu verlieren. Da knäulen sich die Stimmen über Gebühr, und es macht sich schon störend bemerkbar, dass diesem Pianisten zumindest im Jahr 2002 weder genügend Farben noch ausreichend Artikulationsformen zu Gebote standen. Müssen es denn immer gleich die Goldberg-Variationen sein, für die einer wirklich hinreichend abgekocht sein sollte? Hätte Ramin Bahrami mit seiner rührenden Widmung an Rosalyn Tureck nicht warten können, bis er eines schönen Tages so weit sein würde, auch die 16.Variation mit Spannung zu erfüllen?
* Musikbeispiel: J.S.Bach - Variation 16: Ouverture à 1 Clav aus den Goldberg Variationen, BWV 988
.
So viel zu dem jungen, aus Teheran gebürtigen und durchaus begabten Pianisten Ramin Bahrami. Die Doppel-CD mit den Bach'schen Partiten hat er übrigens der Stadt Crailsheim gewidmet. Beide CDs sind, wie gesagt, bei DECCA erschienen.
Nun zur anderen angekündigten Neuerscheinung, und die ist rundherum erfreulich. Herbert Schuch, Meisterschüler und inzwischen Assistent von Karl-Heinz Kämmerling, rechtfertigt da unter anderem seinen Triumph beim Casagrande-Wettbewerb 2004. Bei Oehms Classics brilliert er mit einem Werk, das nun wirklich dem Temperament eines jungen Pianisten angemessen ist, nämlich mit den Kreisleriana op. 16 von Robert Schumann, und setzt mit Ravels "Miroirs" womöglich noch eins drauf. Schuch bietet nicht nur hinreißende Farbigkeit, sondern er überträgt jenes clair-obscure, durch das sich sein hoch reflektorisches Ravel-Spiel auszeichnet, auf die hoffmanneske Welt der Kreisleriana. Begreift man Schumann so von Ravel her, gewinnt man für diese Musik nun in der Tat eine zusätzliche Dimension - kein Geringerer als Robert Casadesus hat dies vor Jahrzehnten schon durchexerziert. Und so wie bei Casadesus wirkt das um einige wenige Grade kühlere Feuer nur umso intensiver.
* Musikbeispiel: R. Schumann - 7. Sehr rasch und 8. Schnell und spielend aus: Kreisleriana, op.16
Herbert Schuch mit den beiden letzten Stücken aus den Kreisleriana op. 16 von Robert Schumann. Wie sehr seine neue, hoch virtuos eingespielte Oehms-CD als eine große Nachtmusik aufzufassen ist, erfährt man dann vollends an den Miroirs von Maurice Ravel. Diese Musik trägt schwarze Trauer und bleibt doch zugleich ganz leicht. Schuch scheint zu jenen raren Pianisten zu zählen, die sich selbst auf-merksam und durchaus distanziert zuzuhören imstande sind und die gerade aus dieser Distanz eine Unmittelbarkeit der Klänge gewinnen, der man sich als Zuhörer schwerlich entziehen kann. "Noctuelles" aus den "Miroirs" von Maurice Ravel.
* Musikbeispiel: M. Ravel - 1. Noctuelles(Ausschnitt) und 8. Schnell und spielend aus: Miroirs
J.S.Bach - Goldberg Variations, BWV 988
Ramin Bahrami, Klavier
Label: DECCA
Labelcode: LC 00171
Bestell-Nr.: CD 476282-0
J.S.Bach - The Complete Partitas
Ramin Bahrami, Klavier
Label: DECCA
Labelcode: LC 00171
Bestell-Nr.: CD 4763095
Herbert Schuch - Ravel/Schumann
Herbert Schuch, Klavier
Label: OEHMS CLASSICS
Labelcode: LC 12424
Bestell-Nr.: OC 541
* Musikbeispiel: J.S.Bach - 1. Sinfonia (Ausschnitt) aus der Partita Nr. 2 c-moll, BWV 826
Alle Achtung! denkt man. Da geht einer frisch zu Werke. Das hat einen gewissen Drive, ein gewisses rhythmisches Feuer, eine gewisse Gelenkigkeit des Tons, vielleicht nicht unbedingt das gewisse Etwas, das andere Pianisten aus der gerade nachdrängenden Generation wie etwa Konstantin Lifschitz bei Bach entwickeln -, aber man ist ohne weiteres geneigt, dem jungen Ramin Bahrami auf seinem Weg durch die vielgestaltige Welt der Bach’schen Klavierpartiten zu folgen. Zumindest möchte man nun doch vielleicht wissen, mit wem man es da zu tun hat.
Ramin Bahrami wurde vor knapp dreißig Jahren in Teheran geboren. Er studierte vorwiegend in Italien, und die beiden Veröffentlichungen, die vor kurzem auf dem Markt erschienen, wurden auch von DECCA Italia ediert. Die Partiten spielte Bahrami im April vergangenen Jahres in Toblach ein. Die Aufnahme der Goldberg-Variationen entstand bereits 2002 an berühmter Stelle, in der Salle de Musique in La Chaux-de-Fonds. Aus so manchem Detail wird deutlich, dass Ramin Bahrami gegenwärtig sehr gefördert wird.
Das kann man ohne weiteres verstehen, wenn man nach der Sinfonia zur 2. Partita die folgende Allemande hört. Auch die perlt intelligent, wenn auch manchmal ein bisschen artig dahin. Bei der Sarabande wird's dann allerdings ein wenig ledern. Aber man kann ja zur zweiten CD wechseln, zum großen Entrée, zur Französischen Ouvertüre in h-moll BWV 831. Man hört ein bisschen zu, erledigt kurz etwas in der Küche, kommt zurück und stellt nach acht Minuten fest: Der spielt ja immer noch! Das hat freilich nichts mit dem Tempo zu tun. Andere benötigen für diese Ouvertüre weitaus mehr Zeit. Aber bei Ramin Bahrami passiert so verzweifelt wenig. Man kann diese Ouvertüre sich in düsterer Pracht entfalten lassen - wunderbar! Man kann den Verflechtungen der Linien mit raffinierten Nuancen des Anschlags nachgehen - auch gut! Man kann auch einfach nur der puren Lust am Klavierspiel nachgeben und zeigen, welche Tricks man drauf hat - nicht die schlechteste Lösung, wenn einer nicht nur ein begabter Klavierspieler, sondern auch noch ein begabter Taschenspieler ist. Nur so ordentlich und vorhersehbar buchstabieren sollte man das Stück eigentlich nicht. Erst beim Passepied I wacht der Künstler für Momente auf, um uns in der Sarabande wieder in tiefen Schlaf zu versenken.
Also her mit den Goldberg-Variationen! Da geht's ja bekanntlich um das Einschlafen. Und es gelingt in der Tat bereits in der Aria. Nun merkt man dieser Aufnahme an, dass sie drei Jahre älter ist als die der Partiten. In so mancher raschen Passage - und einige nimmt Ramin Bahrami sehr flott - scheinen seine Finger denn doch ein wenig die Orientierung zu verlieren. Da knäulen sich die Stimmen über Gebühr, und es macht sich schon störend bemerkbar, dass diesem Pianisten zumindest im Jahr 2002 weder genügend Farben noch ausreichend Artikulationsformen zu Gebote standen. Müssen es denn immer gleich die Goldberg-Variationen sein, für die einer wirklich hinreichend abgekocht sein sollte? Hätte Ramin Bahrami mit seiner rührenden Widmung an Rosalyn Tureck nicht warten können, bis er eines schönen Tages so weit sein würde, auch die 16.Variation mit Spannung zu erfüllen?
* Musikbeispiel: J.S.Bach - Variation 16: Ouverture à 1 Clav aus den Goldberg Variationen, BWV 988
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So viel zu dem jungen, aus Teheran gebürtigen und durchaus begabten Pianisten Ramin Bahrami. Die Doppel-CD mit den Bach'schen Partiten hat er übrigens der Stadt Crailsheim gewidmet. Beide CDs sind, wie gesagt, bei DECCA erschienen.
Nun zur anderen angekündigten Neuerscheinung, und die ist rundherum erfreulich. Herbert Schuch, Meisterschüler und inzwischen Assistent von Karl-Heinz Kämmerling, rechtfertigt da unter anderem seinen Triumph beim Casagrande-Wettbewerb 2004. Bei Oehms Classics brilliert er mit einem Werk, das nun wirklich dem Temperament eines jungen Pianisten angemessen ist, nämlich mit den Kreisleriana op. 16 von Robert Schumann, und setzt mit Ravels "Miroirs" womöglich noch eins drauf. Schuch bietet nicht nur hinreißende Farbigkeit, sondern er überträgt jenes clair-obscure, durch das sich sein hoch reflektorisches Ravel-Spiel auszeichnet, auf die hoffmanneske Welt der Kreisleriana. Begreift man Schumann so von Ravel her, gewinnt man für diese Musik nun in der Tat eine zusätzliche Dimension - kein Geringerer als Robert Casadesus hat dies vor Jahrzehnten schon durchexerziert. Und so wie bei Casadesus wirkt das um einige wenige Grade kühlere Feuer nur umso intensiver.
* Musikbeispiel: R. Schumann - 7. Sehr rasch und 8. Schnell und spielend aus: Kreisleriana, op.16
Herbert Schuch mit den beiden letzten Stücken aus den Kreisleriana op. 16 von Robert Schumann. Wie sehr seine neue, hoch virtuos eingespielte Oehms-CD als eine große Nachtmusik aufzufassen ist, erfährt man dann vollends an den Miroirs von Maurice Ravel. Diese Musik trägt schwarze Trauer und bleibt doch zugleich ganz leicht. Schuch scheint zu jenen raren Pianisten zu zählen, die sich selbst auf-merksam und durchaus distanziert zuzuhören imstande sind und die gerade aus dieser Distanz eine Unmittelbarkeit der Klänge gewinnen, der man sich als Zuhörer schwerlich entziehen kann. "Noctuelles" aus den "Miroirs" von Maurice Ravel.
* Musikbeispiel: M. Ravel - 1. Noctuelles(Ausschnitt) und 8. Schnell und spielend aus: Miroirs
J.S.Bach - Goldberg Variations, BWV 988
Ramin Bahrami, Klavier
Label: DECCA
Labelcode: LC 00171
Bestell-Nr.: CD 476282-0
J.S.Bach - The Complete Partitas
Ramin Bahrami, Klavier
Label: DECCA
Labelcode: LC 00171
Bestell-Nr.: CD 4763095
Herbert Schuch - Ravel/Schumann
Herbert Schuch, Klavier
Label: OEHMS CLASSICS
Labelcode: LC 12424
Bestell-Nr.: OC 541