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Nadeln für den Notfall

Wenn ein Arzt zu einem Notfall gerufen wird, dann sollte er einen ganzen Arztkoffer voll mit Medikamenten dabei haben - so zumindest die landläufige Meinung. Es gibt aber auch Notärzte, die kritische Situationen auf ganz andere Weise in den Griff bekommen haben: mit Hilfe von Akupunkturnadeln.

Von Marieke Degen | 11.10.2011
    "So wir haben einen Zentimeter neben der Mittellinie den Basispunkt A, (runterfaden) wieder einZentimeter daneben den Basispunkt ."

    Thomas Schockert beugt sich über den Tisch zur Teilnehmerin. Vorsichtig fährt er mit den Fingern an ihrem Haaransatz entlang.

    "In der Geheimratsecke den Basispunkt C, Basispunkt D wird mit dem Daumen von vorne nach hinten ausgestrichen."

    Der Notfallmediziner gibt seinen Kollegen eine Einführung in die Yamamoto Neue Schädelakupunktur, kurz YNSA. Er zeigt ihnen die fünf sogenannten Basispunkte im Gesicht. Die Punkte stehen für verschiedene Körperregionen. Mit einem gezielten Nadelstich lassen sich hier ganz unterschiedliche Krankheiten behandeln. Jeder Akupunkturpunkt wirkt praktisch wie ein eigenständiges Medikament, sagt Thomas Schockert.

    "Und über der Augenbraue schräg verlaufend Basispunkt E. Ist das unangenehm für Sie? Ja, ist unangenehm. Aber deutlich spürbar. Ist zu merken."

    Thomas Schockert hat eine eigene Praxis in Nideggen in der Eifel. Zweimal im Monat ist er als Notarzt unterwegs. Seine Akupunkturnadeln hat er immer dabei.

    "Meines Erachtens ist die YNSA für den Rettungsdienst deshalb so gut geeignet, weil es sofort Effekte beziehungsweise Sekundenphänomene gibt. Man setzt die Nadel und ganz kurze Zeit später ist ein Schmerz zum Beispiel weg."

    Durch die YNSA gehe keine Zeit verloren, sagt Thomas Schockert. Denn im Gegensatz zur Traditionellen Chinesischen Akupunktur braucht man nur wenige Nadeln. Und die setzt er ganz am Anfang der Behandlung, wenn die Sanitäter noch damit beschäftigt sind, die Kanüle zu legen. In den letzten zehn Jahren hat Thomas Schockert etliche Notfallsituationen auf diese Weise entschärft, vom epileptischen Anfall bis zur Atemnot. Er erinnert sich noch gut an die Patientin mit einem schweren Asthmaanfall.

    "Die Patientin saß nachts in ihrem Fahrzeug auf der Landstraße und ich habe also die YNSA hier zum Einsatz gebracht und die Patientin durch beruhigenden Zuspruch noch unterstützt, die Patientin ist nur mithilfe der Akupunktur dann beschwerdefrei geworden, der Einsatz von Medikamenten war nicht erforderlich und die Patientin ist dann auch nicht mit ins Krankenhaus gefahren."

    Mit der YNSA könne man sogar Schlaganfälle behandeln, berichtet der Arzt.

    "Nach einer Studie, die wir an der Uni Bonn durchgeführt haben, gelingt es in 59 Prozent der Fälle, Lähmungen nach Schlaganfällen mithilfe der YNSA zurückzubilden."

    Wie genau die Akupunktur wirkt, ist aber noch nicht klar.

    "Die Hypothese ist, dass die Akupunktur die Ausbildung eines sogenannten Hirnödems reduziert oder verhindert."

    Es gibt noch andere Studien, die zeigen, dass die Akupunktur bei Schmerzen hilft – oder Bewusstlose aufwecken kann. Diese Studien beziehen sich allerdings nicht auf die Rettungsmedizin. Studien aus der Rettungsmedizin gibt es noch nicht. Auch deshalb sind viele Ärzte skeptisch.

    "Das vordringlichste Ziel ist die Durchführung gut geplanter und sauberer wissenschaftlicher Studien, die den Einsatz der Akupunktur in der Rettungsmedizin untersucht."

    Für Thomas Schockert ist die YNSA eine gute Ergänzung zur Schulmedizin. Allerdings spricht auf die Nadeln an. Und auch nicht jeder Notfall ist für eine YNSA geeignet.

    Wenn ein Arzt zu einem Notfall gerufen wird, dann sollte er einen ganzen Arztkoffer voll mit Medikamenten dabei haben – so zumindest die landläufige Meinung. Es gibt aber auch Notärzte, die so manche kritische Situation auf ganz andere Weise in den Griff bekommen haben: mit Hilfe von Akupunkturnadeln. Eine Akupunktur sei schnell gemacht, und sie erweitere den Handlungsspielraum in Notfallsituationen, sagen sie. Doch der Ansatz ist relativ neu. Wenn ein Arzt zu einem Notfall gerufen wird, dann sollte er einen ganzen Arztkoffer voll mit Medikamenten dabei haben – so zumindest die landläufige Meinung. Es gibt aber auch Notärzte, die so manche kritische Situation auf ganz andere Weise in den Griff bekommen haben: mit Hilfe von Akupunkturnadeln. Eine Akupunktur sei schnell gemacht, und sie erweitere den Handlungsspielraum in Notfallsituationen, sagen sie. Doch der Ansatz ist relativ neu.

    "Beim akuten Schlaganfall, bei Schmerzen, bei Übelkeit, Erbrechen, bei Panikattacken, wenn jemand sehr aufgeregt ist, eignet sich die Akupunktur hervorragend. Bei sehr schweren Erkrankungen, wenn ein Mensch sehr schwer verletzt ist oder bei einer akuten Blutung, da hat die Akupunktur selbstverständlich nichts im Rettungsdienst zu suchen."