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Nähen fürs Diplom

An der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft ist der Diplom-Abschluss ein Auslaufmodell - wie an fast allen deutschen Hochschulen. Vor allem Studenten des Modedesigns klagen über zu wenig Zeit und verschulte Stundenpläne. Und selbst Dozenten stimmen mit ein.

Von Claudia van Laak |
    Die Nähmaschine rattert, das Bügeleisen zischt. Letzte Vorbereitungen für die Diplomprüfung. Alin Sauer bügelt für ihre Freundin ein lilafarbenes Cape aus Seide - Teil der Diplomkollektion, die am Abend vorgestellt wird.

    "Ich werde jetzt ein bisschen bügeln, andere nähen noch Knöpfe an, machen Säume, proben mit den Models, so verteilt sich das jetzt hier."

    Die 26-Jährige gehört zu den letzten Studentinnen des Fachbereichs Design, die die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW mit einem Diplom verlassen. Zum Glück, sagt Alin Sauer.

    "Ich bin froh, dass ich noch ein Diplom mache, auf jeden Fall. Ich weiß, dass die Studenten und Dozenten mit dem Bachelor ganz schön zu kämpfen haben."

    Zuwenig Zeit, darüber klagen Studierende und Lehrende, fragt man nach dem Bachelor. Wir haben ihn nur widerwillig eingeführt, gibt Petra Skupin zu, Professorin für Modedesign an der HTW.

    "Wenn ich jetzt eben für 20 Studierende die Hälfte der Zeit habe, heißt das auch, dass ich die Studenten nicht so oft betreuen kann, und das sie nicht so viel Zeit haben, um Dinge auszuprobieren, zu entwickeln, und das ist schon ein Problem."

    Deshalb hat die Hochschule die erste Bachelor-Studienordnung bereits reformiert, zu kleinteilig konzipierte Fächer wurden zusammengefasst. Petra Skupin kann sich trotzdem mit dem Bachelor nicht recht anfreunden.

    "In den künstlerischen Studiengängen und im Design ist es schon schwierig. Wir merken doch, dass der Stundenplan verschult ist, sehr voll ist, viele Studierende müssen nebenbei noch arbeiten. Klar, dass das schon eine große Belastung ist."

    Nicht alle Studierenden empfinden den Bachelor wirklich als große Belastung. Jara Ibrahim hat noch Zeit und Energie gefunden, parallel zu ihrem Studium gemeinsam mit ihrem Freund ein Modelabel zu gründen. "TeamBruléBerlin" produziert Streetware. Jara Ibrahim lässt in einer Werkstatt für psychisch Kranke nähen, ihre Kapuzenpullover und Shirts verkauft sie in acht Läden, hauptsächlich in Berlin.

    "Ich kann nicht davon leben, es wird alles wieder investiert. Ich hab auch nie einen Kredit aufgenommen oder irgendwo Geld aufgenommen. Es hat ganz klein angefangen, das Geld wird wieder reingesteckt, und so läuft es immer noch."

    Der Zeitdruck im Studium bereitet auf das Arbeitsleben vor - diese Meinung vertritt Alin Sauer. Um Kreativität zu entwickeln, brauche ich keine stundenlange Muße, es reicht eine gute Ausstellung oder ein Buch, sagt die 26-Jährige.

    "Das muss man eigentlich lernen, das muss funktionieren, das ist ein Handwerk, Kreativität. Und ein Entwurf, und solche Sachen, das wird einem im Studium beigebracht, da schnell zu funktionieren. Das muss zügig gehen und natürlich trotzdem qualitativ hochwertig sein."

    Die Berufsaussichten für Modedesigner sind nicht schlecht, auch wenn viele mit unbezahlten Praktika ins Arbeitsleben einsteigen. Immer mehr Studierende machen sich selbstständig, Berlin ist dafür ein gutes Pflaster. Unsere Hochschule unterstützt Absolventen in einem eigenen Existenzgründungszentrum, sagt Petra Skupin.

    "Wir haben eine Studentin, die hat sich selbstständig gemacht und entwickelt Computerprogramme im Modebereich, der ganze Bereich des Stylings, auch mit Zeitschriften verbunden oder mit Modeschauen, nimmt zu, das ist für viele auch, gerade wenn sie in Berlin bleiben wollen, eine Möglichkeit, tätig zu sein."

    Für die Modedesign-Studenten sind Fashion-Week, bread & butter, Premium und die anderen Berliner Messen eine wichtige Kontaktbörse, auch wenn sie sich darüber ärgern, dass die Veranstalter nicht sehr nachwuchsfreundlich sind. Die bread & butter vergibt überhaupt keine freien Eintrittskarten für Studierende, die Premium hat den Hochschulen unmissverständlich klar gemacht: Wir wollen hier Geschäfte machen, wir sind keine Praktikumsbörse.