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Nahe und ferne Ziele

Der Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin hat seine Pläne für 2011 präsentiert. Das nationale Forschungszentrum ist in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Verkehr, Energie und Sicherheit tätig.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Monika Seynsche: Herr Lorenzen, das DLR ist ein Gemischtwarenladen von ganz vielen Projekten. Gibt es da überhaupt ein großes Ziel, was man präsentieren konnte?

    Dirk Lorenzen: Nein, es gibt nicht das eine große DLR-Ziel für dieses Jahr, aber eben die Bereiche, die Sie nannten, die haben dann praktisch alle ihre eigenen Prioritäten und da hat man heute ein bisschen was vorgestellt. Der berühmteste Bereich oder der, der die meiste Öffentlichkeit erfährt beim DLR, ist die Raumfahrt. Da ist die konkrete Vorgabe für das DLR, aus der Raumfahrtstrategie, die die Bundesregierung Ende November verabschiedet hat, wirklich ein Raumfahrtprogramm zu machen. Da muss man gucken, was ist wissenschaftlich sinnvoll, was kann die heimische Industrie, was kann man vielleicht als nationaler Alleingang aufstellen, wofür braucht man internationale Partner.. Da ist man jetzt gerade dabei. Ein Stichwort, was da natürlich immer wieder auftaucht, ist die Mondmission, eine mögliche Mission zum Mond, und da ist jetzt gerade die Industrie mit Technologiestudien dabei, dass man eben guckt, wie man auf dem Mond landen könnte, und im Laufe des Jahres wird man sicher etwas genauer sehen, wie so eine robotische Mondmission aussehen könnte.

    Seynsche: Was ist den am Mond ungefähr 40 Jahre nach Apollo überhaupt noch interessant?

    Lorenzen: Man betont beim DLR das wissenschaftliche Interesse. Man weiß immer noch nicht: Wie ist der Mond entstanden? Wie genau ist er aufgebaut? Was genau verrät er eigentlich über die Geschichte der Erde? Damals Apollo, das waren nur Stippvisiten, das war Kalter Krieg, da ging es nicht wirklich um Wissenschaft, die jetzt im Vordergrund steht. Aber so ein ganz bisschen Politik gibt es beim DLR aber auch: Man möchte mit so einer Mission zeigen, welche Technologien man beherrscht und sich damit praktisch international als wertvoller Partner anpreisen. Natürlich ist dem DLR klar, dass es im Moment für eine Mondmission keinen Finanzierungsspielraum gibt. Man will sich einfach vorbereiten, dass man dann, wenn es wieder soweit ist, sagen kann: Man kann das. Und man ist ja auch international ganz gut aufgestellt. Es gibt ein Kooperationsabkommen mit der NASA, die selber ja auch Mondmissionen untersucht. Vielleicht fliegt man da ja hin und holt sogar Bodenproben zurück zur Erde.

    Seynsche: Okay, mit dem Mond dauert es noch ein bisschen. Was es ja definitiv gibt, ist die Internationale Raumstation. Wie geht es denn mit der weiter nach dem Ende der Shuttle-Flüge?

    Lorenzen: Da ist man dann beim Transport von Menschen da hoch ja allein auf die russischen Sojus-Kapseln angewiesen. Die sind zwar sehr bewährt, aber dass man dann wirklich von einem russischen Monopol abhängt, scheint dem DLR nicht so ganz behaglich zu sein. Jedenfalls hat der DLR-Chef Jan Wörner heute früh ausdrücklich die Hoffnung geäußert, dass es auch künftig "vertretbare Preise" gebe, so wörtlich. 2013 könnte dann der nächste ESA-Astronaut zur ISS fliegen. Für Deutschland ist der Zugang zur Raumstation deswegen so wichtig, weil man mit einem 40-prozentigen Anteil von Europa praktisch der große Forschungsmotor auf der Raumstation ist. Kein anderes Land nutzt die ISS so sehr als Forschungslabor, wie es in Deutschland geschieht.

    Seynsche: Was forschen denn die Deutschen auf der ISS?

    Lorenzen: Bei den ersten Experimenten geht es zum Beispiel darum, wie Pflanzen in Schwerelosigkeit wachsen. Das heißt, man will einfach erkennen, woher weiß eigentlich das Samenkorn in der Erde, dass der Spross nach oben muss und die Wurzel muss nach unten wachsen. Dann geht es darum, dass man mit verschiedenen Flüssigkeiten die Vorgänge im Erdinnern simuliert. Das kann man auch nur dort in der Schwerelosigkeit machen. Man untersucht, wie sich Organismen auf die Strahlenbelastung im All einstellen, überwacht aber auch die Astronauten selber, guckt, wie Muskelwachstum und Natriumhaushalt sich im Weltall regeln. Also da gibt es sehr viel. Es geht aber immer um wirklich Grundlagenforschung, die man dann unten auf der Erde anwenden möchte, nach Möglichkeit auch in industriellen Prozessen. Es geht eben nicht um das Herstellen von Produkten im All.

    Seynsche: Das DLR kümmert sich ja nicht nur um die Raumfahrt. Wie sieht es denn zum Beispiel mit der Luftfahrt aus?

    Lorenzen: Da hat man im vergangenen Jahr in Braunschweig einen großen aeroakustischen Windkanal gebaut, wie das heißt. Ein großes Gerät, mit dem man untersuchen kann, welche Teile an einem Flugzeug, an einem Auto oder einem Eisenbahnfahrzeug Lärm verursachen, und dann kann man hingehen und versuchen, diese Lärmquellen dort zu beseitigen. Beim DLR ist man sehr stolz auf den Next Generation Train, also ein Zug der nächsten Generation. Er soll 400 Kilometer pro Stunde schnell sein, möglichst leise und energieeffizient fahren, er soll nur halb soviel Energie verbrauchen wie ein heutiger ICE. Da ist schon mal klar: Vor allem die Aerodynamik, der Luftwiderstand, muss dann ganz perfekt sein.

    Seynsche: Ist denn diese Energieforschung wirklich ein bedeutendes Aufgabenfeld?

    Lorenzen: Fürs DLR ja, man ist da auch auf diese Tradition sehr stolz. Das merkt man wirklich, man betont auch, dass man in der Solarenergie, in der Nutzung der Sonnenenergie, sehr früh dabei war. Der DLR-Chef hat betont, dass man sich da auch von manchmal etwas politischem Gegenwind nicht hat beeinflussen lassen, sondern mit sehr langem Atem und sehr nachhaltig geforscht hat. Auch jetzt geht es da immer noch weiter, denn jetzt will man Wind- und Sonnenenergie effizienter und zuverlässiger machen. Stichwort: Was passiert bei Flaute oder bei Nacht. Das heißt, die Energie, die man durch Wind oder Sonne gewinnt, dass man die rund um die Uhr und bei jedem Wetter nutzen kann. Da geht es jetzt um die Entwicklung neuer Speicher, und die kann man dann auch bei eigenen DLR-Instituten oder im Sonnenkraftwerk in Spanien selber gleich testen, bevor sie dann wirklich in den großen Einsatz kommen können.

    Seynsche: Das DLR hat ja gerade im letzten Jahr auch die Sicherheitsforschung verstärkt. Läuft die jetzt unter rein militärischen Aspekten?

    Lorenzen: Es gibt ganz klar militärische Aspekte. Das Verteidigungsministerium auch unmittelbar etwas 30 Millionen Euro pro Jahr an das DLR. Da geht es dann um Entwicklung von Flugzeugen, Hubschraubern, unbemannten Flugkörpern, laserbasierter Kommunikation, was auch immer. Aber man sieht die Sicherheit als Querschnittsthema. Sicherheit im Verkehr, auf der Schiene, in der Luft, wie auch immer. Und dann vor allem sehr schön: Es gibt eine sehr konkrete Anwendung bei dem wenig bekannten Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation. Das ist Teil eines weltweiten Verbundes, der im Katastrophenfall sehr schnell Satellitendaten zur Verfügung stellt.

    Seynsche: Ist das nur Theorie oder ist dieses Zentrum wirklich schon zum Einsatz gekommen?

    Lorenzen: Es ist sehr viel im Einsatz, und Jan Wörner, der DLR-Chef, hat heute gesagt, dass es ihn selbst überrascht habe, wie oft Satellitendaten nachgefragt werden. Er habe eigentlich gedacht, dass DLR würde da vielleicht zweimal im Jahr etwas hören von diesem Verbund. Jetzt ist man fast wöchentlich dabei, so einem internationalen Hilfeaufruf nachzukommen. Dann liefert das DLR alle verfügbaren Daten, Satellitenaufnahmen, Radarbilder, Wetterdaten, wie auch immer, damit die Rettungskräfte vor Ort wissen, was ist wo passiert, welche Straße ist noch passierbar. Zuletzt war dies um Beispiel beim Erdrutsch in Rio de Janeiro der Fall. Da können Satellitendaten dann zumindest helfen, die Folgen von Katastrophen etwas zu lindern.