J. S. Bach, Weihnachtsoratorium BWV 248, Teil 6, Chorus "Herr, wenn ...", Amsterdamer Barockorchester, Ton Koopman (Dirigent), Erato 0630-14635-2, CD 2, Track 19
Zum "Fest der Erscheinung Christi" am ersten Sonntag im neuen Jahr komponierte Johann Sebastian Bach den sechsten und letzten Teil jenes Kantaten-Zyklus, der zum "Weihnachtsoratorium" zusammengefasst wurde und hierzulande bis heute ein Kernstück der "seriösen" Weihnachtsmusik bildet. Epiphanias fällt 2013 mit dem Dreikönigstag am 6. Januar zusammen.
Beide Feste beziehen sich auf den Anfang des Matthäus-Evangeliums, das unter starker Bezugnahme auf verschiedene Prophezeiungen des Alten Testaments das Erscheinen des Religionsgründers auf der Erde darstellt und – gleichsam als Zeichen der frühen diplomatischen Anerkennung – vom Besuch der "Weisen aus dem Morgenland" berichtet.
Auch diese Visite hat auf vielfältige Weise Nachhall in der Musikgeschichte gefunden. Zum Beispiel mit einem über dem cantus firmus des Chorals "Wie schön leuchtet der Morgenstern" komponierten schlichten Kunstlieds "Drei Kön'ge wandern aus Morgenland". Es stammt von dem im Gefolge Richard Wagners tätigen, 1874 in Mainz verstorbenen Dichterkomponisten Peter Cornelius und gehörte zu den Glanznummern des Tenors Fritz Wunderlich.
Peter Cornelius, "Drei Könige wandern aus Morgenland", Tenor: Fritz
Wunderlich, Ariola/BMG 74321 16737 2, Track 11
Epiphanias wurde im 4. Jahrhundert von der oströmischen Kirche eingeführt, um ältere Festbräuche zu verdrängen, und uneingeschränkte Aufmerksamkeit auf den ersten Auftritt des Religionsgründers zu lenken.
Die weströmische christliche Kirche installierte, mit analoger Zielrichtung gegen die vielerorts beliebten Wintersonnwendfeste, Weihnachten.
Dennoch wurde der erste Sonntag im neuen Jahr beziehungsweise der 6. Januar als weiterer Festtag eingeführt bzw. beibehalten: Man feierte da nun nicht mehr das leibliche Erscheinen des "Weltenherrschers", sondern die ersten Events seiner öffentlichen Wirksamkeit - den Besuch der drei Experten aus dem Morgenland, die Taufe im Jordan und die überraschende Bewirtung bei der Hochzeit zu Kana.
Epiphanias gehörte mithin zur theologischen Manövriermasse im Wandel der Zeiten – und im hohen 19. Jahrhundert wurde die Lehre aus der Aufwartung der drei Prominenten aus dem sagenumwobenen Morgenland volkstümlich präzisiert.
Die Vorstellungen von christlicher Epiphanie – dass und wie die Mensch gewordene Gottheit immer wieder "erfahrbar" wird, erfuhr im Laufe der Jahrhunderte Weiterungen und Transformationen.
J.S. Bach, Weihnachtsoratorium Teil 1, Arie Nr. 4 ("Bereite dich Zion")
Amsterdamer Barockorchester, Ton Koopman (Dirigent), Elisabeth von Magnus (Alto)
"... den Liebsten bald bei Dir zu sehn": Der Hauptaspekt dieser Arie aus Bachs "Weihnachtsoratorium" ist, dass die Erfüllung "bald" eintrete. Die frühe Christenheit war davon überzeugt, dass der zum Himmel aufgefahrene Christus noch zu Lebzeit der ersten Jünger in Macht und Herrlichkeit wiederkehre, sah diese Naherwartung dann herb enttäuscht. Die Gemeinde musste lernen, dass drei- und sogar vierstellige Jahreszahlen in der auf seine Geburt bezogenen Zeitrechnung zu schreiben waren. Freilich blitzen die Naherwartungen immer wieder in katholisch-mystischen oder protestantisch-pietistischen Texten auf, auch als die professionellen Betreiber von Theologie und Kirche hinsichtlich dieser Hoffnungen längst sedierend moderierten.
"Ich lade gern mir Gäste ein", Egon Everz (Violine und Viola), LC 6768 (1050-2), Track 4
Im Zuge des sprunghaft gestiegenen neuen Interesses an Spiritualität hat sich – ganz aktuell – auch die deutsche Musikforschung der Epiphanie in der Musik angenommen. Ein namhaftes Fachblatt ließ zuletzt ohne Wenn und Aber eine Geigerin porträtieren, die kundtat, in den 1940er-Jahren in Kansas, während sie im Gottesdienst das "Ave Maria" von Charles Gounod spielte, eine elektrisierende Gotteserfahrung gehabt zu haben. Aus dieser leitete die Künstlerin nicht nur eine Theorie der Epiphanie während des Musizierens ab, sondern – sie wechselte ins Heilfach – eine mit LSD und Musik operierende Psychotherapiemethode.
Das Jenseitige ist wieder ganz von dieser Welt. Es kleidet sich in Transformationen der christlichen Ausgangsbotschaft, bedient sich dabei auch neuer musikalischer Schreibweisen. Der venezolanische Komponist Gonzalo Grau, "bekennender Polystilist" und ein Künder von "Weltmusik", übertrug die Heilsverkündung in Chiffren des fließenden Wassers und brachte beim Musikfest Stuttgart 2011 das Oratorium "Aqua" heraus – wenn das Wasser fließt und der schwäbische Geldhahn aufgeht, dann ist das mit der Naherwartung auch keine so vertrackte Sache mehr. Die "Stimme des Ursprungs" aller Dinge spricht unmittelbar zu Herzen.
Gonzalo Grau, "Aqua", Carus 83 343, Track 1, "La Voz del Origen", Gächinger Kantorei Stuttgart, María Guinand (Leitung)
Zum "Fest der Erscheinung Christi" am ersten Sonntag im neuen Jahr komponierte Johann Sebastian Bach den sechsten und letzten Teil jenes Kantaten-Zyklus, der zum "Weihnachtsoratorium" zusammengefasst wurde und hierzulande bis heute ein Kernstück der "seriösen" Weihnachtsmusik bildet. Epiphanias fällt 2013 mit dem Dreikönigstag am 6. Januar zusammen.
Beide Feste beziehen sich auf den Anfang des Matthäus-Evangeliums, das unter starker Bezugnahme auf verschiedene Prophezeiungen des Alten Testaments das Erscheinen des Religionsgründers auf der Erde darstellt und – gleichsam als Zeichen der frühen diplomatischen Anerkennung – vom Besuch der "Weisen aus dem Morgenland" berichtet.
Auch diese Visite hat auf vielfältige Weise Nachhall in der Musikgeschichte gefunden. Zum Beispiel mit einem über dem cantus firmus des Chorals "Wie schön leuchtet der Morgenstern" komponierten schlichten Kunstlieds "Drei Kön'ge wandern aus Morgenland". Es stammt von dem im Gefolge Richard Wagners tätigen, 1874 in Mainz verstorbenen Dichterkomponisten Peter Cornelius und gehörte zu den Glanznummern des Tenors Fritz Wunderlich.
Peter Cornelius, "Drei Könige wandern aus Morgenland", Tenor: Fritz
Wunderlich, Ariola/BMG 74321 16737 2, Track 11
Epiphanias wurde im 4. Jahrhundert von der oströmischen Kirche eingeführt, um ältere Festbräuche zu verdrängen, und uneingeschränkte Aufmerksamkeit auf den ersten Auftritt des Religionsgründers zu lenken.
Die weströmische christliche Kirche installierte, mit analoger Zielrichtung gegen die vielerorts beliebten Wintersonnwendfeste, Weihnachten.
Dennoch wurde der erste Sonntag im neuen Jahr beziehungsweise der 6. Januar als weiterer Festtag eingeführt bzw. beibehalten: Man feierte da nun nicht mehr das leibliche Erscheinen des "Weltenherrschers", sondern die ersten Events seiner öffentlichen Wirksamkeit - den Besuch der drei Experten aus dem Morgenland, die Taufe im Jordan und die überraschende Bewirtung bei der Hochzeit zu Kana.
Epiphanias gehörte mithin zur theologischen Manövriermasse im Wandel der Zeiten – und im hohen 19. Jahrhundert wurde die Lehre aus der Aufwartung der drei Prominenten aus dem sagenumwobenen Morgenland volkstümlich präzisiert.
Die Vorstellungen von christlicher Epiphanie – dass und wie die Mensch gewordene Gottheit immer wieder "erfahrbar" wird, erfuhr im Laufe der Jahrhunderte Weiterungen und Transformationen.
J.S. Bach, Weihnachtsoratorium Teil 1, Arie Nr. 4 ("Bereite dich Zion")
Amsterdamer Barockorchester, Ton Koopman (Dirigent), Elisabeth von Magnus (Alto)
"... den Liebsten bald bei Dir zu sehn": Der Hauptaspekt dieser Arie aus Bachs "Weihnachtsoratorium" ist, dass die Erfüllung "bald" eintrete. Die frühe Christenheit war davon überzeugt, dass der zum Himmel aufgefahrene Christus noch zu Lebzeit der ersten Jünger in Macht und Herrlichkeit wiederkehre, sah diese Naherwartung dann herb enttäuscht. Die Gemeinde musste lernen, dass drei- und sogar vierstellige Jahreszahlen in der auf seine Geburt bezogenen Zeitrechnung zu schreiben waren. Freilich blitzen die Naherwartungen immer wieder in katholisch-mystischen oder protestantisch-pietistischen Texten auf, auch als die professionellen Betreiber von Theologie und Kirche hinsichtlich dieser Hoffnungen längst sedierend moderierten.
"Ich lade gern mir Gäste ein", Egon Everz (Violine und Viola), LC 6768 (1050-2), Track 4
Im Zuge des sprunghaft gestiegenen neuen Interesses an Spiritualität hat sich – ganz aktuell – auch die deutsche Musikforschung der Epiphanie in der Musik angenommen. Ein namhaftes Fachblatt ließ zuletzt ohne Wenn und Aber eine Geigerin porträtieren, die kundtat, in den 1940er-Jahren in Kansas, während sie im Gottesdienst das "Ave Maria" von Charles Gounod spielte, eine elektrisierende Gotteserfahrung gehabt zu haben. Aus dieser leitete die Künstlerin nicht nur eine Theorie der Epiphanie während des Musizierens ab, sondern – sie wechselte ins Heilfach – eine mit LSD und Musik operierende Psychotherapiemethode.
Das Jenseitige ist wieder ganz von dieser Welt. Es kleidet sich in Transformationen der christlichen Ausgangsbotschaft, bedient sich dabei auch neuer musikalischer Schreibweisen. Der venezolanische Komponist Gonzalo Grau, "bekennender Polystilist" und ein Künder von "Weltmusik", übertrug die Heilsverkündung in Chiffren des fließenden Wassers und brachte beim Musikfest Stuttgart 2011 das Oratorium "Aqua" heraus – wenn das Wasser fließt und der schwäbische Geldhahn aufgeht, dann ist das mit der Naherwartung auch keine so vertrackte Sache mehr. Die "Stimme des Ursprungs" aller Dinge spricht unmittelbar zu Herzen.
Gonzalo Grau, "Aqua", Carus 83 343, Track 1, "La Voz del Origen", Gächinger Kantorei Stuttgart, María Guinand (Leitung)