Mittwoch, 08. Mai 2024

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Nahost-Experte begrüßt Marine-Einsatz vor libanesischer Küste

Christian-Peter Hanelt, Nahost-Experte der Bertelsmann-Stiftung, sieht in den Seepatrouillen durch die internationale Gemeinschaft vor dem Libanon einen wichtigen Baustein im Vorhaben, die Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden. In erster Linie kämen die Waffen jedoch auf dem Landweg über die syrisch-libanesische Grenze, außerdem über den Beiruter Flughafen.

Moderation: Bettina Klein | 07.09.2006
    Bettina Klein: Gestern noch sah es so aus, als würde Israel bei der bisherigen Haltung bleiben: erst die UNO-Truppe und dann Ende der Seeblockade gegen den Libanon und nicht umgekehrt, wie vom Libanon gefordert. Dann am späten Nachmittag doch die Entscheidung nachzugeben, damit den Weg freizumachen für die Anfrage des Libanon bei der UNO nach Soldaten. - Ich bin jetzt verbunden mit Christian Hanelt, Nahost-Experte der Bertelsmann-Stiftung. Herr Hanelt, wir haben von unserer Korrespondentin in der vergangenen Stunde schon ein bisschen was gehört zur Motivation Israels. Es muss die Anfrage, die Bitte der USA gegeben haben. Was denken Sie ist da hinter den Kulissen in Israel abgelaufen gestern?

    Christian-Peter Hanelt: Der zentrale Wunsch der internationalen Gemeinschaft ist, dass die UN-Schutztruppe von beiden Seiten, das heißt von Libanon und Israel als neutral angesehen wird und ihre Aufgabe auch im Süd-Libanon erfüllen kann. Deshalb ist es halt wichtig, dass beide Seiten Schrittchen für Schrittchen so ihre Position austarieren, dass eben halt auch gesichtswahrend die libanesische Regierung in der Lage war, ihre Anfrage jetzt an die UNO zu schicken. Somit konnte der libanesische Ministerpräsident Sinijora eben auch in seinem Kabinett die große Mehrheit dafür bekommen zu sagen: Guckt, die israelische Marine zieht sich heute zurück, beendet die Seeblockade und die internationale Gemeinschaft übernimmt, jetzt können wir auch die Anfrage an die UNO stellen.

    Klein: Und diese Anfrage hat es ja offenbar schon gegeben. Rechnen Sie damit, dass jetzt alles nach Plan störungsfrei so läuft, wie man das jetzt erwartet hat in den vergangenen Wochen?

    Hanelt: Das kann man jetzt schwer vorhersagen. Ich möchte da jetzt auch nicht den Morgen vor dem Abend loben. Es ist auf jeden Fall so, dass jetzt die Vereinten Nationen in New York den Text aus Beirut genau prüfen, gucken ist das mit der UN-Resolution 1701 und den dazugehörigen, bisher ausgehandelten Einsatzmaßnahmen vereinbar. Dann wird von New York aus eine Anfrage nach Berlin geschickt und dann gehen die Vorbereitungen zum Aufbau der UN-Schutztruppe weiter. Ich glaube, das wichtigste ist wirklich jetzt nicht, an welchem Tag das geschieht, sondern dass es eben wirklich das robuste Mandat gibt und dass die UN-Schutztruppe ihre Aufgaben erfüllen kann. Denn wir müssen uns darauf einstellen: Es geht um kurzfristige Maßnahmen im Umgang mit der Hisbollah und es geht um langfristige Maßnahmen, die Stärkung des libanesischen Staates, um Hisbollah auch in den gesamten Staatskomplex wirklich zu integrieren.

    Klein: Wie wichtig ist das Element dieser Seepatrouillen bei den Bemühungen, die Situation zu stabilisieren, denn die Zweifel daran werden ja immer wieder artikuliert?

    Hanelt: Die Waffenlieferungen an die Hisbollah sind ja in der Vergangenheit eigentlich über drei Wege gekommen: in erster Linie über die syrisch-libanesische Grenze, dann über den Beiruter Flughafen und über die See. Deswegen ist die Seeblockade oder die Seekontrolle durch die internationale Gemeinschaft schon ein wichtiger Baustein. Der andere Baustein, der jetzt in die Diskussion kommt, dass sozusagen internationale Zöllner am Beiruter Flughafen mitarbeiten, ist sozusagen eine Antwort auf den zweiten Weg.

    Der dritte, aber wohl sehr wichtigere Baustein ist: wie kann die libanesisch-syrische Grenze kontrolliert werden. Da ist es nun wirklich wichtig - und das ist eher ein mittelfristiger Prozess auch -, dass die libanesische Armee so gestärkt wird, dass sie die Hisbollah-Kämpfer neutralisieren und vielleicht auch wirklich integrieren kann und dass es ein Gesamtpaket an Syrien gibt, einfach kooperativ in der Frage im Umgang mit Hisbollah und der Waffenlieferungen in Zukunft zu agieren. Hier hat sich ja die Bundesregierung wirklich sehr stark gemacht und ist hier auch auf dem richtigen Weg. Dass Bundesaußenminister Steinmeier heute oder sich jetzt auf den Weg in den Libanon macht zeigt ja eigentlich, dass es wieder positive Signale gibt.

    Klein: Stellt sich noch immer die Frage nach der konkreten politischen Führung für diese Mission. Wer sollte die übernehmen?

    Hanelt: Ja. Mir liegt schon am Herzen oder wir beobachten ja, wenn wir noch mal den Sommerkrieg Israel gegen die Hisbollah auf der einen Seite und Israel gegen Hamas, der noch andauernde Kleinkrieg auf der anderen Seite, wie die unterschiedlichen Konfliktlagen im Nahen Osten miteinander verwoben sind, dass es so ist, dass die unterschiedlichen Konfliktmanagement-Initiativen, die jetzt laufen, so auch hier im Süd-Libanon, nicht einzeln als Aktion gesehen werden, sondern ein gemeinsames politisches Dach haben, eine gemeinsame politische Verantwortung haben und dass es eine einflussreiche politische Führung durch und eine eindeutige, auch politische Verantwortung durch das Quartett der Vermittler im Nahen Osten gibt. Dieses Quartett ist ein sehr kluger Mechanismus, indem die Vereinten Nationen, die Amerikaner, die Russen und die Europäer gemeinsam als Vermittler im Nahen Osten auftreten und eben dann nicht nur im Israel-Palästina-Konflikt, sondern auch im Süd-Libanon zu wirken haben. Sie brauchen nur aus ihren Hauptstädten eine wirkliche politische Rückendeckung. Deswegen ist es wirklich wichtig, dass sich das Quartett mit seinen führenden politischen Köpfen von Condoleezza Rice über Solana, über den russischen Außenminister und Kofi Annan so schnell als möglich trifft.