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Nahost-Konflikt
Friedensaktivistin Farhat-Naser: "Ich glaube nicht an Hass"

Der aktuelle Krieg habe die Gedanken an ein friedvolles Nebeneinander von Palästinensern und Israelis zerstört, sagte die Schriftstellerin und Aktivistin Sumaya Farhat-Naser im Dlf. Es brauche neutralisierende Kräfte wie die UN, um beide Seiten zu befrieden. Auch kultureller Austausch könnte dazu beitragen.

Sumaya Farhat-Naser im Gespräch mit Anja Reinhardt | 23.05.2021
Sumaya Farhat-Naser, palästinensische Friedensaktivistin, Menschenrechtlerin und Schriftstellerin. Portrait, in die Kamera blickend
Sumaya Farhat-Naser, palästinensische Friedensaktivistin, Menschenrechtlerin und Schriftstellerin (dpa/picture alliance/Horst Galuschka)
Die elf Tage andauernden Kämpfe zwischen Israelis und Palästinensern waren die schwersten Auseinandersetzungen seit Jahren. Für die palästinensische Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin Sumaya Farhat-Naser habe sich in der Bevölkerung die Einsicht etabliert, nur durch Gewalt könne Gewalt unterbunden werden.
Eskalation im Nahen Osten Am 21. Mai trat eine Waffenruhe zwischen Israel und militanten Palästinensern ein. In den vorangegangenen Tagen war es zu den schwersten Zusammenstößen seit Jahren gekommen. Auslöser waren aktuelle Ereignisse, aber auch Jahrzehnte zurückliegende spielen eine zentrale Rolle.
Dabei wollten beide Seiten eine sichere, friedliche Existenz. Die könne es jedoch nicht nur für eine Partei geben. Sollte es jetzt keine Friedensverhandlungen geben und die palästinensische Bevölkerung zu ihrem Recht kommen, werde es in paar Jahren zu einem noch brutaleren Krieg kommen, ist Sumaya Farhat-Naser überzeugt. "Wir müssen die Augen öffnen und den Menschen beibringen, dass jeder Verlust von Menschenseelen, jede psychische Belastung ein Verbrechen ist."

Es gibt keinen Gewinner

Es genüge nicht, die Waffen still in den Händen zu halten. Die Gewalt könne nur durch neutrale Kräfte in Schach gehalten werden. "Wir brauchen neutralisierende Kräfte, vielleicht von der UN, die dafür sorgen, dass niemand auf der anderen Seite Unruhe stiftet." Der Hass aufeinander sei für sie jedoch keinesfalls identitätsstiftend. "Wir werden nicht geboren und hassen uns." Israelis und Palästinenser hätten existentielle Probleme und müssten aus Fehlern der Vergangenheit lernen. Im Moment dächten beide Seiten, sie hätten gewonnen. Für Farhat-Naser ein schlimmer Fehler: "Beim Krieg verlieren alle - die einen mehr, die anderen weniger. Wenn man jetzt beginnt anzugeben, was man gewonnen hat, ist das furchtbar."

Menschlichkeit fördern

In den 90er-Jahren habe es mehr als 280 israelisch-palästinensische Projekte gegeben; seit Benjamin Netanjahu an der Macht sei, seien Kooperationen in den Bereichen Wissenschaft, Kunst, Jugend und Parteiarbeit kaum mehr möglich, bedauert Sumaya Farhat-Naser, die Trennung sei zu stark geworden. Dabei könnten gerade Kunst und Kultur viel zum Friedensprozess beitragen. Es sei eine Möglichkeit, die Menschlichkeit untereinander zu fördern.
Sumaya Farhat-Naser, die in Deutschland studiert und geforscht hat, sowie mit zahlreichen Preisen unter anderem dem Augsburger Friedenspreis, und der Hermann-Kesten-Medaille des P.E.N.-Zentrums Deutschland ausgezeichnet wurde, verwahrt sich gegen die These, Antisemitismus in Europa sei aus muslimisch geprägten Regionen nach Europa importiert worden.
Natürlich gebe es viele Menschen in islamischen Ländern, die nicht über Antisemitismus aufgeklärt werden würden, aber Deutschland müsse lernen, zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus zu unterscheiden. Es gehe um Menschlichkeit. Deutschland dürfe das Unrecht an der palästinensischen Bevölkerung durch die israelische Politik nicht hinnehmen.