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Nahrungsmittel unterwegs

Curryhuhn mit Ananas. Ein exotisches Gericht für Geflügelliebhaber - und gar nicht teuer. Die Ananas gibt es aus der Dose, das Huhn liegt zum erschwinglichen Preis im Supermarkt-Kühlregal. Beides haben Flugzeuge und LKW aus Thailand nach Deutschland geschafft, über tausende von Kilometern. Massenproduktion, billige Arbeitskräfte und preiswerter Sprit machen das Geschäft der weiten Wege für die Lebensmittelanbieter lukrativ, erklärt Helmut Holzapfel. An der Universität Kassel erforscht er die Auswirkungen globaler Nahrungsmitteltransporte auf Mensch und Umwelt:

Von Katrin Jäger | 03.12.2004
    Demzufolge steigt der Güterverkehr in seiner Belastung für das Klima enorm an, und er wird noch weiter ansteigen. Was besonders ansteigt, insbesondere auch im Nahrungsmitteltransport, ist auch der Flugverkehr. Immer mehr Nahrungsmittel werden mit Fliegern transportiert, aus Ländern der Dritten Welt hierher. Oder auch, weil es angeblich frisch und besser ist, also der berühmte Flugtee aus Indien, der dann kurz nach der Ernte hierher gejettet wird. Solche Dinge belasten das Klima natürlich enorm.

    Dies zu ändern, daran haben die Lebensmittelkonzerne und Transportunternehmen kein Interesse. Das wird so lange so bleiben, wie sie ihre weitgereisten Waren an Handel und Kunden los werden. Helmut Holzapfel empfiehlt dem umweltbewussten Verbraucher deshalb, zu regionalen Nahrungsmitteln zu greifen. Das sei allerdings leichter gesagt als getan:

    Wenn Sie ein Gefrierhühnchen aus Bremerhaven haben, wo steht, Firma XYZ Bremerhaven, haben Sie zu 70 Prozent ein Hühnchen aus Thailand. Viele Firmen weisen auch schon gar nichts mehr aus. Wenn Sie etwa diese Produkte aus den Großketten heute nehmen, die keine Marke mehr haben, sondern nur von der Kette selbst vertrieben werden, dann steht häufig nur noch als Ursprungsort XYZ Konzern Düsseldorf drauf. Und Sie wissen gar nicht, wo das Produkt herkommt. Es ist eigentlich der Transparenzmangel.

    Das hat auch die Verbraucherorganisation Slow Food erkannt. Darin haben sich bundesweit Menschen vernetzt, die gern, gut und frisch essen. Deshalb besorgen sie sich die Zutaten aus ihrer Region. Wie Anne Moderigge von Slow Food Hamburg:

    Es gibt sehr viele Märkte mit auch sehr guten Produzenten, die dort ihre eigenen Produkte verkaufen. Dann kaufen wir sehr viel Fleisch bei Ökoproduzenten, Neulandproduzenten ein, aber auch eben Käse. Und hier gibt es eine Vielzahl inzwischen von Käseproduzenten. Das hat sich in den letzten zehn Jahren sehr stark entwickelt, die hervorragenden Käse machen. Also, Hofproduzenten, Hofkäsereien, aber auch von den Genossenschaften, von den Meiereien, das sind Spezialitäten, die kennt kaum jemand, aber die sind sehr lecker und sehr gut.

    Diese Produkte kosten in der Regel mehr als im Supermarkt. Dafür sind sie meist frischer und verzichten weitgehend auf chemische Zusätze. Zudem kann der Verbraucher sich vor Ort die Produktionsbedingungen anschauen. Krankheiten breiten sich am ehesten Monokulturen und Massentierhaltung aus. Zum Beispiel die Vogelgrippe in den thailändischen Geflügelbetrieben, gibt der Mobilitätsexperte Helmut Holzapfel zu bedenken:

    Und wir wissen eben nicht, wie es dort weiter geht, in dem umkämpften Markt, wo derzeit wieder eine Schraube nach unten sich dreht, weil die Chinesen noch billiger anbieten als teilweise die Thailänder, versuchen die Thailänder noch wieder die Bedingungen für die Hühnchen weiter zu verschlechtern, was dann das Krankheitsrisiko wieder erhöht, und dann versuchen die Chinesen wieder nachzuziehen, so dass wir hier Produkte haben, die sich ständig verschlechtern.

    Einige wichtige Lebensmittel und Gewürze wie der Pfeffer müssen importiert werden, sie wachsen nicht in Deutschland. Doch auch hier rät der Wissenschaftler zum Bioprodukt oder zu Ware mit dem Label Fair Trade. Denn sie gewährleistet den Arbeitern eine gerechte Bezahlung und ist meist ungespritzt:

    Was wir nur abschaffen sollten, dass gleichzeitig hier vorhandene Nahrungsmittel ersetzt werden durch fern gereiste, die noch dazu in den Ländern, wo sie herkommen, gebraucht werden. Afrikanische Länder, die exportieren Fleisch nach Europa für Hundefutter, während es in Afrika fehlt.

    Bei ihren Slow-Food-Einkäufen hat Anne Moderigge längst vergessene Apfelsorten entdeckt, seltene Rinderrassen, und je nach Jahreszeit zig Varianten von Kohl, Salat, Tomaten und anderen Gemüsesorten. Daraus zaubert sie saisonale Menüs.