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Naives Kunstprojekt

Die erste Online-Biennale soll vor allem für junge, noch unbekannte Künstler ein Karrieresprungbrett sein. Die Möglichkeiten des Internets, Kunst zu präsentieren, sind jedoch begrenzt. Und auch sonst hat das von Jan Hoet verantwortete Projekt Schwächen.

Von Carsten Probst |
    Schon seit einiger Zeit bemühen sich verschiedene Anbieter, den Kunstmarkt zumindest teilweise ins Internet zu verlagern. In Deutschland bekannt ist etwa die Internet-Plattform artnet, die potenzielle Kunstkäufer über Preise, Künstlerauswahl und Galerien berät. Andere Seite bewerten aggressiv Künstlerkarrieren, durch die sie wie mit Börsencharts und Rankings den Marktwert abzubilden vorgeben. Artplus, der Veranstalter der ersten Online-Biennale, reiht sich in die ambitionierteren Anwärter ein.

    Man verspricht den Besuchern dieser Online-Biennale, sie mit den 180 vielversprechendsten Künstlern bekannt zu machen, deren Karrieren gerade am Anfang stehen. Man möchte dafür nicht bloß die traditionellen Ausstellungsmodelle auf digitaler Basis kopieren, heißt es bei Artplus, sondern eine eigene vielschichtige Plattform schaffen. Das Prinzip erinnert dabei an eine Art Kunst-Facebook. Besucher legen ein Profil mit Bild und E-Mail-Adresse an, können dann zum Beispiel Nachrichten an die beteiligten Künstler senden. Galerien und Museen können online gleich eine Anfrage für eine Ausstellung loswerden. Künstler und Werke können bewertet, in individuelle virtuelle Sammlungen integriert und mit anderen Usern darüber dann in Foren diskutiert werden. Pro Künstler sind zumeist mehrere Arbeiten zu sehen, wobei es naturgemäß leichter fällt, klassische Medien wie Malerei und Zeichnung im Internet abzubilden, als raumbezogene.

    Auch Videoarbeiten und Fotografien, könnte man meinen, kommen hier eher zu ihrem Recht als etwa Installationen oder Performances. Aber auch für Malerei, Video und Fotografie bräuchte es genau genommen hochauflösende Bilder, die es ermöglichen würden, auf Wunsch nach heranzugehen und kleinste Details zu untersuchen. Solche hohen Auflösungen aber würden aufgrund der Datenmengen riesige Serverkapazitäten und sehr schnelle Internetverbindungen erfordern, über die auch nicht jeder verfügt. Von Beginn an und bis in diese ersten Tage ihrer Eröffnung hatte die Online-Biennale mit Performanceproblemen zu kämpfen. Der ursprünglich schon für den Herbst 2012 geplante Start hatte deswegen abgeblasen werden müssen.

    Insofern wirkt es zumindest ein bisschen naiv, wenn Jan Hoet die Tatsache, sich für den Job als Künstlerischer Direktor hergegeben zu haben, damit begründet, von der Geschwindigkeit des Internets fasziniert zu sein. Plausibler wirkt da eher der zweite Grund des mittlerweile 76-Jährigen, dass über das Internet Kunst an Menschen vermittelt werden kann, die nicht die Gelegenheit haben, die halbe Welt zu bereisen, um die interessantesten Ausstellungen zu sehen.

    Hoet war schon immer ein großer Popularisierer von Kunst, durchaus mit charmanten Projekten wie die "Chambres d'Amis", Ausstellungen von Künstlern in Privatwohnungen im belgischen Gent in den achtziger Jahren - später wurde er immer gern dann geholt, wenn es galt, ordentlich auf die Werbepauke zu hauen und große Namen ins Boot zu holen. Das ging mit den jungen Künstlern dieser Online-Biennale noch nicht so gut, weil die ja eben erst am Anfang ihrer Karriere stehen, ihnen soll ja gerade erst von der Online-Biennale geholfen werden.

    Also mussten wenigstens einige bekannte Kuratorennamen herbei wie Daniel Birnbaum, Nancy Spector oder der schlechthin unvermeidliche Hans-Ulrich Obrist. Von einer sich daraus ergebenden besonderen kuratorischen Sorgfalt ist bei dieser ersten Ausgabe der Online-Biennale allerdings nichts zu sehen. Abgesehen vom immanenten Mangel, raumbezogene Werke sinnlich nur höchst einseitig auf dem Bildschirm erleben zu können, fällt belustigend auf, dass ein gefühltes Drittel der besten jungen Künstler der Welt offenkundig aus Belgien stammt, der Heimat von Artplus, von Jan Hoet und seines Kuratorenstamms des von ihm geleiteten Kunstmuseums in Gent. Und selbst bei der internationalen Auswahl darf man durchaus an den lauteren Absichten dieses ganzen Unternehmens zweifeln, und zwar nicht nur aus Sicht der beteiligten Künstler, die hier im Schnelldurchgang hochgejazzt werden sollen.

    Sollten sich, wie einst in der Ära des Online-Aktienhandels für alle, Laien durch das Geschäftsmodell Online-Biennale animiert fühlen, sich plötzlich als Sammler bei angeblich vielversprechenden Künstlern zu engagieren und dabei auf den Mehrwert durch diese Online-Biennalen-Auswahl vertrauen wollen, kann man ihnen in den meisten Fällen nur dringend abraten.