Sobald Medien über mutmaßliche Straftäterinnen und Straftäter berichten, kürzen sie die Nachnamen der Tatverdächtigen häufig ab. Gelegentlich aber nennen sie den vollen Namen. Unter anderem der "Tagesspiegel" macht dies aktuell bei Stephan E., dem mutmaßlichen Mörder des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Eine solche Nennung sei immer "eine Frage der Abwägung", sagte Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent des "Tagesspiegel" und Mitglied der Vollversammlung des Deutschen Presserats.
Persönlichkeitsrechte vs. öffentliches Interesse
"Man muss hier fragen: Besteht hier an einem Fall wirklich ein solches Interesse, dass ein Tatverdächtiger als Person identifizierbar werden darf?", sagte Müller-Neuhof im Deutschlandfunk. Beim Fall Stephan E. sei das öffentliche Interesse höher anzusiedeln und eine volle Namensnennung demnach zulässig.
Dies gelte auch für die Mitglieder des rechtsextremen NSU, allen voran Beate Zschäpe. "Wer selber nachgewiesen, jetzt im Fall der NSU-Morde, schlimmste Schuld auf sich geladen hat, der muss es dann auch in gewisser Weise ertragen, (…) an den Pranger gestellt zu werden, und zwar auch namentlich", sagte Müller-Neuhof.
Zurückhaltung auch mit Blick auf die Angehörigen
Helfershelfer mit geringerer Schuld sollten dagegen nicht mit vollem Namen genannt werden. "Die Regel heißt: Zurückhaltung", so Müller-Neuhof. Das gelte gerade auch für weniger spektakuläre Straftaten wie Ladendiebstähle.
Zudem spiele eine Rolle, wie lang die Straftat bereits zurückliegt. "Man muss ja immer sehen, dass man mit so einer Namensnennung, dann im Kontext mit Wohnort zum Beispiel, ja nicht nur immer einen konkret Betroffenen trifft, sondern es gibt ja auch Angehörige". Auch diese würden sonst bei einer Namensnennung durch neuerliche Berichterstattung "über lange Zeit belastet", so Müller-Neuhof.