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Namensnennung von Tätern
„Die Regel heißt: Zurückhaltung“

Wenn der Deutschlandfunk über den mutmaßlichen Mörder des hessischen Politikers Walter Lübcke berichtet, kürzt er den Namen des Tatverdächtigen mit Stephan E. ab. Andere Medien nennen dagegen seinen Nachnamen. Das sei wegen des öffentlichen Interesses an dem Fall auch zulässig, meint der „Tagesspiegel“-Journalist Jost Müller-Neuhof.

Jost Müller-Neuhof im Gespräch mit Mirjam Kid |
Verhandlungsakten stehen am Freitag (16.12.2011) auf dem Richtertisch im Landgericht in Meiningen (Nachname des Angeklagten wurde unkenntlich gemacht). Hier beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder der siebenjährigen Mary-Jane. Der 37-jährige Tino L. hatte bereits nach seiner Festnahme im Juli gestanden, die Grundschülerin aus dem südthüringischen Zella-Mehlis sexuell missbraucht und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben. Laut Anklage legte er die Siebenjährige dann mit dem Gesicht nach unten in einen Bach, wo sie ertrank. Die Staatsanwaltschaft wirft Tino L. heimtückischen Mord und schweren sexuellen Missbrauch vor. Foto: Martin Schutt dpa/lth (Zu dpa "Mordprozess Mary-Jane: Angeklagter bestätigt Geständnis" vom 16.12.2011) | Verwendung weltweit
Die Nachnamen von mutmaßlichen Tätern werden nur in Ausnahmefällen genannt - und wie auf diesem Foto auch oft verpixelt (dpa-Zentralbild)
Sobald Medien über mutmaßliche Straftäterinnen und Straftäter berichten, kürzen sie die Nachnamen der Tatverdächtigen häufig ab. Gelegentlich aber nennen sie den vollen Namen. Unter anderem der "Tagesspiegel" macht dies aktuell bei Stephan E., dem mutmaßlichen Mörder des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Eine solche Nennung sei immer "eine Frage der Abwägung", sagte Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent des "Tagesspiegel" und Mitglied der Vollversammlung des Deutschen Presserats.
Persönlichkeitsrechte vs. öffentliches Interesse
"Man muss hier fragen: Besteht hier an einem Fall wirklich ein solches Interesse, dass ein Tatverdächtiger als Person identifizierbar werden darf?", sagte Müller-Neuhof im Deutschlandfunk. Beim Fall Stephan E. sei das öffentliche Interesse höher anzusiedeln und eine volle Namensnennung demnach zulässig.
Dies gelte auch für die Mitglieder des rechtsextremen NSU, allen voran Beate Zschäpe. "Wer selber nachgewiesen, jetzt im Fall der NSU-Morde, schlimmste Schuld auf sich geladen hat, der muss es dann auch in gewisser Weise ertragen, (…) an den Pranger gestellt zu werden, und zwar auch namentlich", sagte Müller-Neuhof.
Zurückhaltung auch mit Blick auf die Angehörigen
Helfershelfer mit geringerer Schuld sollten dagegen nicht mit vollem Namen genannt werden. "Die Regel heißt: Zurückhaltung", so Müller-Neuhof. Das gelte gerade auch für weniger spektakuläre Straftaten wie Ladendiebstähle.
Zudem spiele eine Rolle, wie lang die Straftat bereits zurückliegt. "Man muss ja immer sehen, dass man mit so einer Namensnennung, dann im Kontext mit Wohnort zum Beispiel, ja nicht nur immer einen konkret Betroffenen trifft, sondern es gibt ja auch Angehörige". Auch diese würden sonst bei einer Namensnennung durch neuerliche Berichterstattung "über lange Zeit belastet", so Müller-Neuhof.