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Nanni Morettis ungewöhnlicher Papstfilm

In Nannis Morettis Film "Habemus Papam" wird ein Kardinal zum Papst gewählt. Er weigert sich jedoch vor die Öffentlichkeit zu treten – eine nette Geschichte, jedoch ohne ernsthafte Auseinandersetzung mit der katholischen Welt in Rom.

Von Gottfried Bohl |
    "Habemus Papam. Helft mir bitte, ich schaffe das nicht! Ich schaffe das nicht!"

    Der Papst ist tot, die Kardinäle wählen im Konklave seinen Nachfolger. Weißer Rauch steigt auf über der Sixtinischen Kapelle, die Massen drängen auf den Petersplatz, neugierig auf den neuen Papst. Doch der bekommt plötzlich Angst und traut sich nicht auf den Balkon des Petersdoms:

    "Heiliger Vater, Ihr müsst Euch keine Sorgen machen. Wenn Gott Euch dieses Amt auferlegt, lässt er Euch auch die Hilfe zuteilwerden, um es auszuführen. - Nein."

    So beginnt "Habemus Papam – ein Papst büxt aus", der neue Kinofilm von Nanni Moretti. Regisseur Moretti selbst spielt einen Psychoanalytiker, der in den Vatikan gerufen wird, um den verängstigten Papst unter die Lupe zu nehmen. Der Papst aber "büxt aus", wie es salopp, und doch passend im deutschen Filmtitel heißt. Unerkannt streift er durch Rom und vertraut sich in seiner Verzweiflung selbst einer Psychotherapeutin an.
    ""Ich kann überhaupt nichts mehr tun, ich bin ständig erschöpft. - Haben Sie das schon mal mit jemandem besprochen? - Nein, aber inzwischen wissen es schon alle. Ich schaffe es nicht, aber die anderen setzen großes Vertrauen in mich. Und ich würde gerne so viel tun, es müsste so viel verändert werden - Also dann arbeiten Sie? – Ja, nun ja. Nein. - Was machen Sie beruflich? - Ich bin Schauspieler."

    Michel Piccoli spielt auf beeindruckende Weise diesen Papst - als Mensch mit all seinen Ängsten und Irritationen. Wobei es Filmemacher Moretti nicht um Glaubensfragen und Glaubenszweifel geht:
    "Als Regisseur finde ich diese Rollenumkehr spannend. Der Papst, der dem Vatikan entflieht und unerkannt quer durch Rom wandert. Voller Fragen. Zu seiner eigenen Person, zur katholischen Kirche, zu den Gläubigen, die auf dem Petersplatz auf ihn warten. Dieser Papst, der ein Mann des Glaubens, der Gewissheit, des Dogmas sein sollte, wandert verloren und voller Zweifel durch Rom."

    "Heiligkeit, Ihr hattet recht, Ihr brauchtet eine Auszeit. Aber fügt euch Gott dem Herrn, kehrt zurück! Eine Milliarde Menschen warten auf Euch, Heiligkeit! - Warum kann ich nicht einfach verschwinden?"
    Als 2009 bekannt wurde, dass ausgerechnet der als ungläubig, kritischer Spötter bekannte Nanni Moretti einen Papstfilm dreht, gab es massive Bedenken in italienischen Kirchenkreisen – bis hin zu Boykottaufrufen. Als "Habemus Papam" fertig gedreht war, wurde er aber nicht nur vom Publikum begeistert aufgenommen, sondern sogar im Vatikan selbst. Vielleicht auch, weil Moretti nicht nur tiefer gehende religiöse Fragen bewusst ausklammert, sondern auch die aktuelle Missbrauchsdebatte und andere Skandale nicht instrumentalisiert:

    "Erstens mal wollte ich keinen allzu realistischen Film machen. Zweitens wollte ich auch gerade nicht den Film machen, den alle von mir erwartet haben. Und drittens sollte mein Drehbuch nicht nur eine Aneinanderreihung von kirchenkritischen Zeitungsartikeln sein. Es hat mich nicht interessiert, den Zuschauern mit einem schlechten Film genau das zu erzählen, was sie sowieso schon kennen."

    So ist "Habemus Papam" ein Film geworden, vor dem die Kirche jedenfalls nicht zittern muss, findet der Journalist und Kinoexperte Josef Lederle vom katholischen film-dienst. Eine milde Komödie ohne antiklerikale Klischees – mit schönen Bildern und bewegenden Momenten:

    "Habemus Papam ist ein schöner Film, der ist menschlich, der kommt einem nahe. Man kann lachen, man erlebt, wie der Papst durch Rom läuft und mit sich ringt, ob er wirklich dieses Amt antreten kann. Das berührt und geht nahe.""
    So weit – so nett. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr, kritisiert Lederle. Er ist sicher: Der Film hätte viel mehr bieten können.

    "Ich war enttäuscht, dass dieser Film sich nicht ernsthaft mit dem Konklave beschäftigt. Es geht quasi nur um den Moment, dass der Papst erschrickt vor der Last des Amtes und Reißaus nimmt. Wie so ein Konklave vonstattengeht, worum es da geht, also dass da um den künftigen Kurs der Kirche gerungen wird, all das thematisiert der Film nicht, oder kriegt er nicht in den Blick."
    Die Menschen und Strukturen hinter der Papstwahl, Machtfragen und Glaubensfragen, Richtungskämpfe - all das hat Filmemacher Moretti nicht interessiert:

    "Davon spricht der Film nicht. Er ist in gewisser Weise ahistorisch. Er bezieht keine Position, macht nur eine nette Geschichte über die Papstfigur. Das könnte man über jede andere Figur, etwa über den Vorsitzenden eines Ortsvereins, da könnte man eine ganz ähnliche Geschichte erzählen. Und man würde einfach einem Menschen zusehen, wie er mit seine Ängsten und Befürchtungen und ungelebten Sehnsüchten umgeht. Und das ist aber bei einem Film über die Figur der katholischen Kirche zu wenig!"