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Nano-Tannenbäume als Solarzelle

Nanotechnologie. - Professor Knut Deppert bringt Bäume zum Wachsen - allerdings nicht an einer Baumschule, sondern an der schwedischen Universität Lund. Dort wachsen die Bäume nicht in den Himmel, doch auf dem Labortisch entstehen winzige Tannen-Wälder. Die Tannenbäume aus Nanodrähten sind nur im Elektronenmikroskop zu sehen.

Von Klaus Herbst | 01.12.2004
    Im finsteren Tann glitzern von den Spitzen der Zweige bunte Nano-Kugeln - im Elektronenmikroskop. Rot, grün und blau sehen Äste und Kugeln aus wie die Tannenbäume der Makrowelt. Im Labor breitet sich Adventsstimmung aus. Die Forscher reagieren amüsiert:

    Wir haben auch schon selber darüber auch ein bißchen gewitzelt. In Schweden gibt es eben sehr viele Wälder, und die Leute sind auch sehr naturnah, und man ist auch viel draußen im Wald und geht da spazieren. [...] Die Arbeit wurde sehr viel gemacht von einer kanadischen Doktorandin, [...] die auch aus einem Land kommt mit sehr vielen Wäldern. [...] Man muss eben nur die richtigen Leute mischen, die eben viel mit Wald zu tun haben, dann werden Sie auch einen Wald erzeugen.

    Aber am Institut für Festkörperphysik der schwedischen Universität Lund kommen vor dem Nano-Wald die Nano-Bäume - und die Nano-Stämme. Zunächst lässt Knut Deppert verdampfte Halbleitermaterialien auf Goldpartikel herabschneien.

    Wir züchten also einen Stamm, einen ganz leeren Stamm, sieht aus wie ein toter Wald. Und an diesen Stamm kommen dann aus der Aerosolphase [...] neue Partikel, fallen nicht wie Bomben herunter oder wie Steine, sondern sie sind mehr so zu vergleichen wie ein Fallschirmspringer, der [...] langsam heruntersegelt. Und so kommen diese Partikel nahe genug an den Stamm heran, und nahe genug heißt ungefähr einen Abstand, der dem Durchmesser des Partikels entspricht, sagen wir mal zwanzig Nanometer. Und das Partikel wird an den Stamm herangezogen und bleibt dort auch hängen."

    Partikel aus Silizium, Indiumarsenid oder Galliumphosphid - allesamt Halbleitermaterialien - bilden in mehreren Schritten zunächst Stämme, dann Zweige und schließlich Äste. Jeder einzelne Wachstumsschritt, eine so genannte Iteration, erzeugen einzelne, typische Baumglieder. Das komplexe Geschehen nun im Labor im Griff zu haben, ist ein technologischer Durchbruch des schwedischen Teams – der zu neuen Anwendungen führt, meint Knut Deppert, zum Beispiel Nano-Taschenlampen mit geringst möglichem Stromverbrauch.

    Die erste ist die, die Zweige oder Äste zu nehmen, um damit Licht zu erzeugen, dass ich also eine Struktur einbaue in diese Äste. Und das ist möglich, wir können im Prinzip, [...] man kann es so sagen, eigentlich einen Apfelbaumstamm nehmen und an diesen Apfelbaum dann Kieferzweige heransetzen. Was in der Natur nicht geht, wir können das machen. Wir können sogar in einen Kieferzweig dann noch ein Stückchen Birnenzweig hineinsetzen. [...] Wir würden also eine Struktur einbauen, die dann Licht erzeugen könnte bei elektrischer Anregung, eine Leuchtdiode. Wir hätten dann sehr, [...] sehr viele Leuchtdioden auf sehr kleinem Raum angeordnet.

    ... die beispielsweise wie ein Tannenbaum leuchten – eine Anwendung für bunte Kitsch-Postkarten. Kein Gimmick, sondern interessant für die alternative Energiewirtschaft, wäre die Anwendung 'Solarzelle'.
    Die zweite Variante, die sich dann auch automatisch [...] davon ergibt ist eben, dass ich diese ganze Funktionalität herumdrehe, dass ich also ein lichtempfindliches Material einsetze, das dann Sonnenlicht zum Beispiel absorbiert und daraus Elektronen herstellt. Und diese Elektronen würden dann über diesen Stamm in das Substrat fließen, und ich hätte dann sofort eine Solarzelle. In dem Augenblick, wo ich [...] verschiedene Farben auf verschiedenen Höhen des Baumes erzeugen kann, kann ich natürlich auch darüber nachdenken, verschiedene Wellenlängen des Sonnenlichtes [...] absorbieren zu lassen, um damit noch einmal die Effizienz erhöhen zu können.

    Mit Hilfe von Nanobäumchen möglichst noch mehr aus dem Sonnenlicht herauszuholen, das macht natürlich Appetit auf noch ausgefallenere Technikanwendungen: beispielsweise schreien die komplexen Baumstrukturen geradezu danach, die Natur nachzubilden, den komplizierten Lebensprozess Photosynthese zum Beispiel - oder Strukturen, die dem menschlichen Gehirn gleichen. Das grenzt freilich ein wenig an Magie. Aber was ist schon nicht magisch in der Nanowelt?

    Es ist natürlich magisch an der Stelle irgendwo, aber es ist nur dadurch möglich, daß wir wirklich solche kleinen Strukturen machen können. Wären wir nicht in der Lage, die Strukturen so klein zu machen, dann wären wir auch nicht in der Lage, die Elektronen abfließen zu lassen, ohne dass sie rekombinieren können. Gleichzeitig muss man dazu sagen: Wir sind in der Größenordnung der Natur an der Stelle. Die Natur hat das ja da ja vor Millionen Jahren schon entwickelt.