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Nanomaschine aus DNA
Wie aus Erbmolekülen ein Motor entsteht

Eine Nanomaschine, wie sie Münchener Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Science Advances" vorgestellt haben, besteht weder aus Stahl noch aus Eisen. Sie setzt sich aus dem Biomolekül DNA zusammen. Der Zusammenbau erfolgt von selbst, gesteuert durch die Umgebungstemperatur.

Von Michael Lange | 19.02.2016
    Prof. Dr. Hendrik Dietz, Professor für Experimentelle Biophysik an der Technischen Universität München (TUM)
    Prof. Dr. Hendrik Dietz, Professor für Experimentelle Biophysik an der Technischen Universität München (TUM) (TUM-Fotostelle/Astrid Eckert)
    Dass hier Maschinen entstehen, sieht man dem Raum nicht an. Die Konstruktionshalle des Physikers und Nanotechnologen Hendrik Dietz an der Technischen Universität München gleicht eher einem Biologie-Labor.
    Das Baumaterial des Nanotechnologen ist das Molekül des Lebens: Die Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA. Zwei Stränge winden sich umeinander als sogenannte Doppelhelix und bilden gemeinsam einen dünnen, festen Faden.
    "DNA ist eben sehr stabil, chemisch sehr gut verstanden", sagt Hendrik Dietz. "Und die Grundbausteine für die tägliche Arbeit, die kann man einfach kaufen."
    Bekannt ist die DNA als Erbmolekül. In der Nanotechnologie dient sie aber nicht wie in der Biologie als Speichermedium für Information, sondern als fadenförmiges, vielseitiges, Baumaterial.
    Zusammengebaut werden DNA-Fäden in kleinen Kästen, nicht größer als Schuhkartons, die überall im Labor herumstehen. Hendrik Dietz nennt sie seine Arbeitspferde:
    "Eins dieser Arbeitspferde sind kleine Öfen, PCR-Maschinen, mit denen man gewünschte Temperaturprofile fahren kann. Da kommen unsere Proben hinein, die werden auf eine bestimmte Temperatur aufgeheizt, und fertig ist es."
    Die DNA-Fäden der Nanotechnologen sind viel kürzer als die in der Natur. Verglichen mit den natürlichen Verwandten ist ihr Aufbau eher simpel. Das Material zum Bauen erhält Hendrik Dietz in winzigen Gefäßen mit der Post.
    "Kurze DNA-Moleküle mit einer Länge von 40 bis 50 Basen. Das ist Standard. Das kann man bei hundert verschiedenen Herstellern einfach bestellen. Man schickt denen eine E-Mail mit der gewünschten Sequenz, und einen Tag später hat man den Lösungstropfen mit dem gewünschten Molekül im Briefkasten."
    Zusammenbau wird durch Temperatur gesteuert
    Zunächst bauten die Forscher einfache Nano-Stangen oder Platten, wie die Bausteine von Lego oder Fischertechnik. Das Meisterstück aber sollte ein Motor sein – ein Nanokonstrukt, das sich selbstständig bewegt. Das Zusammenbauen geschieht allein durch die Wahl der Temperatur in den Heizgeräten. Bei niedrigen Temperaturen verbinden sich die Fäden, bei höheren Temperaturen lösen sie sich voneinander.
    Wenn die richtigen DNA-Fäden zusammengerührt werden, organisieren sie sich von selbst. Sie verknüpfen sich miteinander, und nach vielen Versuchen bilden sie genau die Struktur, die sich die Nanotechnologen am Computer ausgedacht haben. Werkzeuge brauchen die Wissenschaftler dabei nicht. Alles ist Selbstorganisation.
    "Stellen Sie sich vor: Sie nehmen ein Auto und zerlegen es in seine 1000 Komponenten, packen es in einen großen Wasserbottich, rühren und plötzlich setzt sich das Auto wieder zusammen. So ähnlich ist das, und das funktioniert - komischerweise."
    Nach unzähligen Versuchen ist die Nanomaschine fertig - eine Million Mal kleiner als jede Makro-Maschine und nur unter Spezialmikroskopen zu sehen. Die Funktionsweise zeigt eine Computergrafik. Eine lange Achse ragt im rechten Winkel aus einem kompakten Kasten heraus und bewegt sich ruckartig im Kreis. Ihre Energie bezieht die Maschine aus der Wärme der Umgebung. Allein die Bewegung der Wassermoleküle treibt sie an. Ein- und ausschalten lässt sich die Nanomaschine nicht, auch nicht steuern. Dazu bräuchte sie eine Energiequelle von außen. Die Münchener Forscher arbeiten jetzt daran, die Maschine so zu verändern, dass sie sich mit der Hitze eines Lasers von außen kontrollieren lässt. Dann könnte sie eingesetzt werden, um einzelne Moleküle an ihr Ziel zu transportieren, zum Beispiel Wirkstoffe im menschlichen Körper, hofft Hendrik Dietz, der Leiter der Münchener Arbeitsgruppe:
    "Niemand kann auf dieser Längenskala mit dieser Präzision bauen, wie wir es jetzt können. Und zwar allein durch Selbstorganisation von DNA."