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Nanopartikel im Straßenasphalt
Forscher arbeiten an selbstheilenden Fahrbahnbelägen

Auf den Straßen wimmelt es von Baustellen, weil Fahrbahnen marode sind und die Beläge durch neue ersetzt werden müssen. Materialwissenschaftler forschen nun an Asphalt-Sorten, die sich "selbst heilen" können. Auch Forscher in der Schweiz verfolgen einen solchen Ansatz.

Von Volker Mrasek | 19.05.2016
    Ein Riss im Asphalt einer Straße ist am 24.03.2014 in Landau (Rheinland-Pfalz) vor der Einfahrt zum Geothermiekraftwerk zu sehen.
    Asphalt, der sich selbst heilt? Daran arbeiten Forscher. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    "Bitumen ist kein so geschmeidiges Material und nur schwer löslich. Aber ich hab' hier ein Lösungsmittel, mit dem geht es sehr gut."
    Ein Labor in der Nähe von Zürich, bei der Schweizer Materialprüfungsanstalt EMPA. Etienne Jeoffroy ist hier Wissenschaftlicher Mitarbeiter. In der Abteilung für Straßenbau. Deswegen auch das Bitumen. Es ist einer der Bestandteile von Asphalt auf unseren Straßen.
    Aus einem Regal greift sich der Franzose ein kreisrundes Werkstück. Wäre da nicht die schwarze Farbe, man könnte es glatt für eine dicke Scheibe Salami halten.
    "Das schmeckt sicher nicht so gut wie Salami! Es ist Asphalt. Er besteht hauptsächlich aus zerkleinerten Steinen. Die ganzen hellen Stellen hier. Sie bilden das Gerüst des Asphalts und verleihen ihm seine mechanische Widerstandsfähigkeit. Das Dunkle ist der Bitumen. Er dient als Bindemittel."
    Mit dem tiefschwarzen Asphalt-Leim hat der junge Forscher Spannendes vor. Jeoffroy arbeitet an Fahrbahnbelägen, die sich praktisch selbst heilen, wenn Risse im Material auftauchen. Das ist beim heutigen Verkehrsaufkommen irgendwann unvermeidbar.
    "Wir wollen die Risse schließen, so lange sie noch ganz klein sind. Denn später geht das nicht mehr. Unsere Idee ist, den Bitumen zu erhitzen. Bei einer bestimmten Temperatur wird er flüssig und kann dann in die Risse einsickern und sie schließen."
    Magnetische Hyperthermie
    Doch wie stellt man so etwas an? Der EMPA-Forscher versetzt Bitumen mit Nanopartikeln aus Eisenoxid. Die winzigen Teilchen besitzen einen magnetischen Dipol, und der schaltet ständig hin und her, wenn man die Partikel in ein wechselndes Magnetfeld bringt. Sie beginnen dann förmlich zu zappeln und heizen sich auf - bis auf 90 oder hundert Grad Celsius.
    Das Prinzip wird bereits in der Krebsmedizin angewendet. Es ist bekannt als magnetische Hyperthermie. Man leitet dabei Nanopartikel gezielt in Tumoren, legt ein äußeres Magnetfeld an und provoziert so ihren Hitzetod. Nach Etienne Jeoffroys Vorstellung könnte man mit solchen Induktionsheizungen auch hohe Kosten bei der Straßensanierung sparen:
    "Ich würde sagen: Einmal im Jahr setzt man ein Streckenfahrzeug ein. Es hat einen Anhänger, und darin ist eine Induktionsspule, die das Magnetfeld erzeugt. Das Fahrzeug fährt die Straße dann Kilometer für Kilometer ab. Der Bitumen heizt sich dabei auf und läuft in alle vorhandenen Fahrbahn-Risse. Wir sprechen von Heilung, weil wir die mechanischen Eigenschaften des Straßenbelags wiederherstellen."
    Im Labor funktioniert die Technologie
    Solche Fahrzeuge gibt es sogar schon. Nicht in der Schweiz, aber in den Niederlanden und in Japan.
    Dort experimentieren Forscher ebenfalls mit aufheizbarem Asphalt. Er enthält allerdings keine Nanopartikel, sondern Fasern aus Stahlwolle, wie Etienne Jeoffroy sagt. Das sei ein großer Nachteil. Denn man brauche Minuten, um die Stahlfäden ausreichend zu erhitzen. Das Streckenfahrzeug mit der Induktionsheizung bewege sich nur im Schneckentempo vorwärts, die Straßenreparatur dauere viel zu lange.
    Das Bitumen mit den Eisenoxid-Einschlüssen scheint da viel besser für die Praxis geeignet. Die Nanopartikel sind in wenigen Sekunden aufgeheizt und kitten die Fahrbahn-Decke bis in zehn Zentimeter Tiefe.
    "Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern bis zum fertigen Produkt. Im Labormaßstab funktioniert unsere Technologie. Aber wir müssen noch das Magnetfeld anpassen für die realen Bedingungen im Straßeneinsatz. Und wir brauchen stärkere Kühlsysteme als in den Fahrzeugen, die schon getestet werden, weil wir mit höheren Energiedichten arbeiten."
    Die EMPA hat kürzlich ein Patent auf ihren Bitumen mit den Nanopartikeln angemeldet. Jetzt möchte sie Industriepartner mit ins Boot holen, um ein praxisreifes System aus selbstheilendem Asphalt und Lkw-Anhänger zu entwickeln. Ein paar Jahre wird das aber wohl noch dauern.
    "Jetzt leg' ich also das Magnetfeld an. Das wird unsere Partikel zum Leben erwecken."