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Nanosilber in der Umwelt

Es gibt Socken, die winzige Silberpartikel im Nanometer-Maßstab enthalten, um Bakterien abzutöten. Das Nanosilber wird allerdings mit der Zeit ausgewaschen, gelangt ins Abwasser oder gar in die Umwelt. Wie groß dieses ökotoxikologische Risiko tatsächlich ist, haben Forscher im Rahmen des Projekts NanoNature zu bestimmen versucht.

Von Volker Mrasek | 15.01.2013
    Im Moment geht von ausgewaschenen Silbernanopartikeln aus Textilien offenbar keine Gefahr für die Umwelt aus. Doch auf längere Sicht könnte das durchaus der Fall sein. So das Fazit der jüngsten Studien im Rahmen des nationalen Forschungsprojektes NanoNature.

    Demnach werden die Silberpartikel größtenteils in der Kläranlage zurückgehalten. Sie gelangen also nur in Spuren ins Gewässer. Doch auch im Klärschlamm bleibt Nanosilber aktiv. Und damit düngen viele Landwirte ihre Felder. Juliane Filser, Professorin für Ökologie an der Universität Bremen:

    "Wenn ich den Klärschlamm dann dort behalte, wo er ist, oder auf die Mülldeponie bringe, dann ist das wunderbar! Aber das ist ja nicht der Fall! Also, in der Schweiz beispielsweise ist es nicht erlaubt, Klärschlamm auf landwirtschaftliche Flächen auszubringen. Bei uns schon. Und interessant ist, dass Silber gar nicht in der Klärschlammverordnung enthalten ist, das heißt man sucht gar nicht 'mal danach."

    Im Moment würde man auch noch nicht sonderlich viel finden. Da gibt die Bremer Biologin Entwarnung:

    "In den aktuellen Konzentrationen – wenn ich das jetzt auf den Acker aufbringe, dann ist die Konzentration so gering, dass wir keinen Effekt messen würden. Aber wenn das über viele, viele Jahre und Jahrzehnte immer wieder aufgebracht wird, und das Silber sich nicht verlagert, dann reichert sich das an. Und dann könnten wir irgendwann die Konzentrationen erreichen, bei denen wir negative Effekte für Bodenorganismen beobachten."

    Juliane Filser und ihre Kollegen in dem Projekt haben großen Aufwand betrieben, um mehr über Nanosilber aus Textilien zu erfahren. Darüber, was mit den Partikeln in der Waschmaschine geschieht, im Abwasser und im Boden ...

    "Wir haben Materialien getestet. Wir haben also auch die Hersteller der Materialien mit im Boot. Wir haben Faserhersteller mit im Boot. Textilhersteller. Ein Textilforschungsinstitut. Dort werden Modellwaschungen gemacht, mit normierten Waschmaschinen. Und am Fraunhofer-Institut steht eben eine Modell-Kläranlage, wo eine Kläranlage simuliert werden kann."

    Besagtes Fraunhofer-Institut ist das für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Schmallenberg im Sauerland. Dort koordiniert die Biologin Kerstin Hund-Rinke die Forschung über Nanomaterialien. Im Labor testete sie über einen Zeitraum von 140 Tagen, was passiert, wenn man eine Kläranlage kontinuierlich mit Abwasser füttert, das Nanosilber enthält. Und wenn man den Klärschlamm anschließend in einen belebten Boden einarbeitet:

    ""Das sind schon sehr lange Untersuchungen. Normalerweise laufen Versuche im Labor so vier Wochen. Mit den 140 Tagen, das ist so ungefähr das Längste, wie man Mikroorganismen auch im Boden im Labor halten kann."

    Entsprechend aussagekräftig sind die Ergebnisse. Sie zeigen, dass über 90 Prozent des Silbers im Klärschlamm landen. Und dass die Nanopartikel auch im Boden giftig bleiben – sie bewahren ihre keimtötende Wirkung. Dadurch können sie auch Regenwürmer schädigen, bei höheren Stoffkonzentrationen.

    In dem Projekt wurde sogar eine spezielle Faser auf Cellulose-Basis produziert, die überhaupt keine Silber-Partikel beim Waschen abgibt. Das Gleiche gelte für Textilfasern, bei denen das Nanosilber praktisch eingeschmolzen werde, so Juliane Filser. Viel verbreiteter sind aber einfache Beschichtungen.

    "Wenn ich meinetwegen 'ne Baumwollfaser beschichten möchte oder auch eine Polyesterfaser, dann bringe ich das oberflächlich auf. Mit Bindersystemen, also quasi so wie einen Klebstoff. Und man kann sich vorstellen: Bei mechanischer Beanspruchung bricht das vielleicht, und dann wird das ausgewaschen."

    Textilien müssen heute vor allem eines sein: billig in der Herstellung. Die Bremer Ökologin geht deshalb davon aus, dass das Problem mit dem Nanosilber bestehen bleibt. Und dass es noch kritisch werden könnte. Nämlich dann,

    "wenn so ein Hygienewahn immer mehr um sich greift. Ich hoffe doch, dass da mal gegengesteuert wird. Früher hat man gesagt. Es ist ganz gut, wenn Kinder auch mal Erde essen, damit sie ihr Immunsystem stärken. Also, Überhygienisierung ist nicht gut."