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Nanotechnik in der Medizin

Medizintechnik. - Verschiedene Studien haben belegt, das Nanoteilchen unter bestimmten Umständen gefährlich sein können. Die winzigen Partikel deshalb komplett zu verteufeln, wäre aber voreilig. Bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten zum Beispiel können sie durchaus hilfreich sein, und in der Zahnmedizin spielt Nanotechnologie schon heute eine große Rolle. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter.

04.03.2009
    Krauter: Biomedizinische Anwendungen der Nanotechnologie sind derzeit Thema einer Konferenz in Berlin. Volkart Wildermuth, Sie waren heute früh dort, sind uns jetzt zugeschaltet. Wurden da denn immer noch die Visionen von einst geschürt bei dieser Tagung, Stichwort Mini-U-Boote auf Patrouille in der Blutbahn und so?

    Wildermuth: Um Visionen und Perspektiven waren die Forscher wahrlich nicht verlegen. Nanopartikel sind so klein, dass völlig neue Eigenschaften gegenüber traditionellen Werkstoffen entwickeln, und die bieten neue Chancen, die in der Medizin genutzt werden sollen. Infektionskrankheiten, Krebs, Sucht, Fettsucht, Fettleibigkeit, es gab praktisch kein aktuelles Problem der Medizin, für das sich die Forscher keine Lösung im Nanomaßstab vorstellen konnten. Ein Wissenschaftler aus Buffalo hat eine Nanoklinik vorgestellt, eine winzige Kugel, außen sitzen Moleküle, die Krebszellen erkennen. Das ist sozusagen die Steuerung. Weiter innen gibt es Substanzen, die aufleuchten können, die ermöglichen eine Diagnostik. Eingeschlossen sind auch noch Wirkstoffe, die bei Bedarf freigesetzt werden können. Also Diagnose, Therapie, alles vor Ort möglich. Das ist eine Vision, das wird tatsächlich auch schon hergestellt in Buffalo, aber - und das ist das Entscheidende - es hat bisher noch niemand geschafft, das tatsächlich im Patienten zu überprüfen, ob es wirkt, ob es sicher ist. Das alles ist noch völlig offen, da werden noch vielen Jahre Forschung nötig sein.

    Krauter: Das klingt wirklich visionär. Deutlich konkreter war da ein Projekt an der Berliner Charité, über das wir vor neun Jahren erstmals berichtet haben in dieser Sendung. Da ging es um winzige Eisenpartikel, die Gehirntumore in den Hitzetod treiben sollten. Was ist denn da der aktuelle Stand?

    Wildermuth: Dieses Projekt ist auf dem Weg vom Labor in die Klinik tatsächlich deutlich weitergekommen. Es geht um winzige Eisenoxidpartikel, die mit einer körperverträglichen Beschichtung versehen sind. Chirurgen können sie durch ein Loch in der Schädeldecke direkt in den Hirntumor spritzen. Dann wird von außen ein schnelles, wechselndes Magnetfeld angelegt. Diese Partikel fangen an zu schwingen, entwickeln Wärme, und das soll die Krebszellen zerstören. Das war damals eine Sache, die noch im Tierversuchsstadium ist, heute ist man da deutlich weiter. Es gab eine erste Sicherheitsstudie an 14 Patienten, die verlief positiv. Eine der damals behandelten Patientinnen lebt noch, bei diesem speziellen Hirntumor ist das sehr außergewöhnlich. Aber das sagt noch nichts über die Wirksamkeit aus, so ein glücklicher Zufall kann mal passieren. Deshalb läuft derzeit eine zweite, eine Wirksamkeitsstudie. Die wird im Herbst abgeschlossen sein. Die sieht im Moment recht gut aus. Es gibt parallel noch Untersuchungen beim Prostatakarzinom und anderen Tumorarten. Die Menschen von dieser Firma, "MagForce" heißt sie, die das von der Charité übernommen hat, die sind optimistisch, dass tatsächlich im nächsten Jahr diese Therapie zugelassen wird. Dabei muss man über eine Sache sich im Klaren sein: Es handelt sich bei diesen Nanopartikeln um Medizinprodukte, nicht um Medikamente. Man muss nicht so ausgefeilte Studien präsentieren, um eine Zulassung zu bekommen. Aber wie gesagt, es wird wohl demnächst tatsächlich solche Therapien geben.

    Krauter: Gehirntumore sind ja nun zum Glück eine relativ seltene Erkrankung. Kommen denn heute auch schon Normalpatienten irgendwo in der mit Nanotechnologie in Kontakt?

    Wildermuth: Ja, beim Zahnarzt. Die Firma 3M, bekannt von Klebebändern, entwickelt schon seit einigen Jahren solche Kunststoffzahnfüllungen und bietet die mit Nanomaterialien an. Das hat den Vorteil einerseits ästhetisch: Es gibt mehr Farbtöne, man kann sogar transparente Füllungen realisieren, die besonders an der Unterseite der Schneidezähne besonders natürlich wirken sollen. Sie sind haltbarer durch diese kleinen Partikel, und, was ganz entscheiden ist, sie lassen sich noch glatter polieren durch den Zahnarzt. Dadurch haben Bakterien weniger Angriffsfläche. In der Zwischenzeit werden vier von fünf Füllungen von 3M mit diesen Nanopartikeln verkauft. Andere Firmen sind nachgezogen, das Verfahren scheint sich tatsächlich durchzusetzen. Im Handel gibt es auch schon Zahnpasta und Mundwässer, die damit werben, dass sie Nanopartikel aus Apatit enthalten. Zumindest ein australisches Mundwasser hat auch den Beleg erbracht, dass diese Partikel tatsächlich in der Lage sind, feinste Risse im Zahnschmelz zu reparieren. Also da gibt es Fortschritte. In Zukunft wollen Forscher der Universität Saarbrücken dafür sorgen, dass diese "Easy to clean"-Technik, mit der die ICE-Scheiben mit Nanotechnologie schmutzfrei gehalten werden, dass die sich auch auf den Zahn anwenden lässt. Also es sieht wirklich so aus, also ob der Zahn das Gebiet ist, auf dem die Nanomedizin ihren Durchbruch erleben wird, wenn sie denn einen Durchbruch erlebt.