Freitag, 19. April 2024

Archiv


Nanoteilchen in der Lunge

Biologie.- Vergangene Woche sorgte die Nanotechnologie für Schlagzeilen: Das Umweltbundesamt hatte ein Hintergrundpapier zu Risiken und Chancen veröffentlicht, die die Winzlinge mit sich bringen. Jetzt fügte eine amerikanische Forschergruppe dem Puzzle ein weiteres Stück hinzu.

Von Arndt Reuning | 26.10.2009
    Kohlenstoff-Nanoröhrchen und Asbest haben eines gemeinsam: ihre faserförmige Gestalt. Vom Asbest weiß man, dass der eingeatmete Staub in der Lunge eine bestimmte Art von Krebs auslösen kann, ein sogenanntes Mesotheliom. Der Verdacht liegt also nahe, dass Kohlenstoff-Nanoröhrchen ganz ähnliche gefährliche Eigenschaften haben. Das wollten James Bonner und seine Mitarbeiter von der North Carolina State University in Raleigh überprüfen.

    "Unsere Untersuchung ist die erste, die gezeigt hat, dass eingeatmete Nanoröhrchen tatsächlich sehr empfindliche Bereiche der Lunge erreichen können."

    Versuchsobjekte waren Mäuse. Sie atmeten die Kohlenstoffröhrchen ein, und die Wissenschaftler verfolgten dann, wo genau sich das Material in der Lunge ablagerte.

    "Die Nanoröhrchen dringen bis zum Brustfell vor, einer dünnen Haut, welche die Lungenflügel umschließt. Das ist eine sehr empfindliche Region, denn genau dort sammeln sich auch Asbestfasern an und verursachen Krebs. Die Kohlenstoffröhrchen gelangen also genau zu demselben Ort, zu dem auch Asbestfasern hinwandern."

    Das erhärtet den Verdacht, dass diese faserartigen Nanoteilchen ebenfalls ein Mesotheliom auslösen könnten. Zu vorschnellen Schlüssen möchte sich der Biologe aber nicht verleiten lassen.

    "Ich möchte eher vorsichtig sein, wenn es um einen Vergleich von Nanoröhrchen mit Asbest geht. Die Form der beiden ist ähnlich, aber Nanoröhrchen sind doch deutlich dünner. Ich denke, dass es vielleicht noch ein wenig verfrüht ist, den Partikeln eine krebserregende Wirkung zuzuschreiben. Wir können das nicht mit Bestimmtheit sagen."

    Bösartige Tumore, die am Brustfell wachsen, entwickeln sich ausgesprochen langsam – viel zu langsam für ein kurzes Mäuseleben. James Bonner hat aber andere Reaktionen des Lungengewebes auf die Fremdkörper beobachtet: Zuerst werden die Fresszellen des Immunsystems auf die Partikel aufmerksam und sammeln sich am Brustfell an. Zwei Wochen nach dem Einatmen des feinen Staubes bilden sich dort Narben.

    "Bei keiner dieser ungewöhnlichen Reaktionen, die von den Nanoröhrchen ausgelöst worden sind, handelt es sich um Krebs. Aber sie geben uns doch zu denken, denn immerhin ist das Gewebe dort gereizt. Die Veränderungen sind zwar nach einiger Zeit wieder verschwunden, aber wir haben die Nanoteilchen ja auch nur einmal verabreicht. Die kritische Frage ist also: Was würde passieren, wenn jemand über einen längeren Zeitraum diesen Partikeln ausgesetzt wäre?"

    Die Toxikologen haben die Mäuse relativ hohen Dosen der Nanopartikel ausgesetzt. Bei geringen Mengen konnten sie keine Veränderungen am Lungengewebe feststellen. Vorsicht ist laut James Bonner deshalb dann angebracht, wenn Menschen beruflich mit den winzigen Teilchen umgehen – zum Beispiel im Labor.

    "Wir sind da lieber vorsichtig. Im Moment ist es einfach ein unbekanntes Risiko. Und offenbar gibt es ja auch einen gewissen Grund zur Sorge. Wer auch immer mit Nanoröhrchen arbeitet, sollte Maßnahmen treffen, sie nicht einzuatmen. Noch einmal: Ich will die Partikel nicht mit Asbest vergleichen. Aber wir in unserem Labor gehen so mit dem Nanomaterial um, als wäre es Asbest. Denn bei all den offenen Fragen passen wir da lieber besser auf."

    Otto-Normal-Verbraucher sieht er kaum in Gefahr, mit solch hohen Mengen des Materials in Berührung zu kommen, dass es zu Beeinträchtigungen der Gesundheit kommen könnte.