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Nasenspray gegen Angst

Medizin. - Medikamente gegen Angstzustände und andere Arten der Phobien haben zumeist ein hohes Suchtpotenzial. Neuropeptid S könnte eine Alternative sein. Der körpereigene Stoff wirkt angstlösend und bislang hat man keine Verbindung zu den klassischen Suchtsystemen im Gehirn gefunden.

Von Martina Preiner |
    Panik. Der Puls steigt bis zu einem Punkt, an dem man ihn per Hand kaum ertasten kann. Die Hände füllen sich mit einem unangenehmen Kribbeln und der Brustkorb fühlt sich an, als hätte jemand einen Amboss darauf gelegt. Das Luftholen fällt schwer. Ohnmachtsgefühle, im schlimmsten Fall Todesangst.

    Oft hilft nur eine Tablette. Lorazepam, Valium oder etwas mit ähnlich hohem Suchtpotenzial. Auf der Suche nach Alternativen entdeckte man 2005, dass ein körpereigener Stoff Mäuse weniger ängstlich macht. Das Neuropeptid S, kurz NPS, musste damals aber direkt in das Gehirn einer Maus injiziert werden – bei einem menschlichen Angstpatienten undenkbar. Und oral verabreicht würde die Eiweißsubstanz in kürzester Zeit verdaut. Ein paar Jahre später überlegte sich die Medizinerin Ulrike Schmidt einen anderen Weg. Den durch die Nasenschleimhaut.

    "Die Idee kam daher, dass ich in Italien, als ich dort kurz gearbeitet habe, mal beobachtet habe, dass Ocytocin – ein Hormon – durch die Nase verabreicht wird, um hinterher die Wehentätigkeit zu beeinflussen nach der Geburt."

    Basierend darauf testeten Schmidt und ihre Mitarbeiter am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie an Mäusen eine angenehmere Art, Neuropeptid S zu verabreichen. Über die Nase statt durch den Schädelknochen.

    "Das ist für die Maus relativ bequem, sage ich mal. Man nimmt die Maus hoch, man hat die Flüssigkeit in einer Pipette und man tropft der Maus das in die Nase und muss ihr dabei kurz Mund zuhalten, damit sie nicht schluckt. Das ist sozusagen einmal hochnehmen und in die Nase tropfen – das sind drei Tropfen. Und das ist für die Maus nicht sonderlich belastend."

    Die beste Wirkung erzielt man mit einer Dosis von 31 Mikrogramm NPS pro Mäusenase. Nach vier Stunden konnten die Wissenschaftler beobachten, wie die Mäuse mit NPS-Nasenspülung ruhiger wurden als die unbehandelten Nager. Auch darauf folgende Ängstlichkeit-Tests bewiesen: Die Methode funktioniert. In einem weiteren Schritt wurde den Mäusen NPS verabreicht, das an einen rot fluoreszierenden Farbstoff gekoppelt ist. Auf diese Weise kann man das Neuropeptid zum Leuchten bringen.

    "Und das ermöglicht im Mikroskop, wenn man das Hirn entnimmt und daraus Hirnschnitte anfertigt, diesen Weg vom NPS im Gehirn zu verfolgen. Also wir konnten dann beobachten, wo befindet sich das NPS nach einer gewissen Zeit."

    Nach 30 Minuten finden sich die ersten NPS-Moleküle im Hippocampus ein, dem Sitz des Gedächtnisses. Auch im Emotionszentrum, der Amygdala, leuchtet es im Hirnschnitt nach einer kurzen Weile rot auf. Doch bis eine ausreichend große Menge der angstlösenden Substanz im Gehirn angekommen ist, dauert es für Notfälle noch zu viel zu lange. Rein zeitlich gesehen also keine Konkurrenz für Benzodiazepine, die nach zehn bis vierzig Minuten wirken. Doch Ulrike Schmidt hat schon Ideen, wie man die Aufnahme von NPS beschleunigen kann.

    "Ich kann mir vorstellen, wenn man das Neuropeptid S entsprechend chemisch modifiziert, dass auch innerhalb von, sagen wir, zehn Minuten – aber das ist jetzt geraten, das kann ich nicht wissenschaftlich belegen – so ein angstlösender Effekt eintreten könnte."

    Durch die Nase eingenommenes Neuropeptid S scheint eine vielversprechende Alternative für Benzodiazepine zu sein. Bisher hat man keine Verbindung zu den klassischen Suchtsystemen im Gehirn gefunden. Das weckt in den Forschern die Hoffnung, dass es weniger abhängig macht. Zudem hat NPS im Gegensatz zu Valium und Co. auf die Mäuse keinen ermüdenden, sondern eher einen aufmunternden Effekt.

    "Ich würde mir wünschen, dass man das Medikament für alle krankhaften Angstformen etablieren kann und dazu gehört: Angst bei der Depression, Panikattacken, die generalisierte Angststörung und überhaupt ist Angst ein Symptom, was zum Beispiel auch bei der Psychose vorkommt, was bei nahezu jeder psychiatrischen Erkrankung vorkommen kann und was sehr sehr quälend für die Patienten ist."

    Als Leiterin der Trauma-Ambulanz ihres Instituts hofft Ulrike Schmidt ihren Patienten durch die Forschung in naher Zukunft einfach mit einem Nasenspray gegen die Angst helfen zu können. Drei Jahre, meint sie, brauche es realistisch gesehen noch bis zu den ersten klinischen Studien am Menschen.