Es war am zweiten der drei Tage, als der Politik-Wissenschaftler Claus Leggewie das einzig mögliche Resümee der gesamten Veranstaltung zog:
"Die deutsche Nationalkultur hat offenbar keine explosive, sprengende Wirkung mehr ... Diese Operation Nationalkultur, so wie sie Herr Lehmann, so wie sie der Außenminister, so wie sie vermutlich alle Sprecher heute erklären, ist eine die Einverständnis erzeugt."
Immerhin, der von links in die liberale Mitte einwandernde Leggewie verspürte noch, dass eine solche Feier der Nationalkultur im Zentrum Berlins nicht restlos selbstverständlich ist.
"Das ist für Leute wie uns immer außerordentlich schwierig, an einer ideologiepolitischen Operation mitzuwirken, ohne dagegen zu sein. Wir haben aber relativ wenig gefunden."
Und wie auch anders? Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gab die "Neuvermessung der Welt" zum Ziel des Symposions aus - und bei Neuvermessungen verlieren alte Wegekarten des Ideologischen natürlich ihren Wert.
Erfrischend zeigte das Mely Kiyak, die junge Publizistin mit Migrationshintergrund, die offenbar in Deutschland verliebt ist. Kiyak empfahl allen, regelrecht "opulent" zu sein in der Rede von der eigenen Nation, und bedauerte, dass das "musikalische" Wort Nationalkultur im Symposions-Titel ohne das wunderbare Epitheton 'deutsch' auskommen musste.
Für die globale Theorie solcher Prozesse, in denen Nationen neue Selbstbilder gewinnen, war die amerikanische Kulturtheoretikerin Saskia Sassen zuständig:
"Der große Elefant im Raum der Globalisierung ist der Nationalstaat. Wir haben Identität nationalisiert, wir haben das Territorium nationalisiert, wie haben Sicherheit nationalisiert, Gesetze nationalisiert, etc. etc. Das heißt, um die gegenwärtigen Bedingungen zu verstehen, muss ich das Nationale verstehen. Denn vieles von dem, was sich gerade ändert, geschieht innerhalb des Nationalen."
Indessen blieb die weltreisende Soziologie-Ikone hinter der Gloriole ihres Namens zurück. Streng genommen schrumpfte Sassens Beitrag auf eine Weder-Noch-These zusammen.
" Ich möchte betonen, dass diese Weder-global-noch-national-Bedingungen, die Teil des Wandels sind, eine Art dritten Raum bilden. Weder national, noch global."
Dankenswerterweise lieferte sich Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel ein Rededuell mit Bundestags-Vize Wolfgang Thierse. Für Weigel sind 'Nationalkultur' und 'Kulturnation' verdächtige Begriffe des 19. Jahrhundert. Nur über die notorische Analyse der Befangenheit sei deutsche Unbefangenheit zu gewinnen. Thierse gefiel die Weigelsche Krittelei überhaupt nicht.
"Diese menschliche Sicherheit ist mehr, offensichtlich mehr als Rechtssicherheit, die wir hochschätzen, und ist offensichtlich auch noch mehr als soziale Sicherheit. Sondern Zuordnungen, emotionale, ideele, moralische, religiöse, im weiten Sinne des Wortes kulturelle Beheimatungen ... Das spielt offensichtlich auch die Zuordnung, das Eingebettetsein in dem eine Rolle, was wir Nationalkultur nennen... Ich halte dieses Bedürfnis nach menschlicher Sicherheit nicht für reaktionär."
Das Duell Thierse-Weigel über deutsche Gelassenheit schaukelte sich hoch - auch wilde Argumente waren nun opportun.
"Ich hasse es, wenn ich eingeladen werde, weil ich eine Frau bin. Es ist zum Kotzen, um es mal ganz deutlich zu machen. Es hat überhaupt nichts mit Gelassenheit zu tun. Gelassenheit wäre dann ... , wenn wir jemanden einladen, weil er etwas Bestimmtes zu vertreten hat. Weil er ne bestimmte Idee hat ... Und nicht, weil er einen Migrantenhintergrund hat. - 'Aber Sie dürfen nicht umdrehen, meine Argument, das wäre unfair.'"
Der Schriftsteller Amin Maalouf indessen hatte kein Problem damit, wegen seines Migrationshintergrunds - er emigrierte aus dem Libanon nach Frankreich - in Berlin aufzutreten. Maalouf gab allerdings die Bedingung für jede Migranten-Rolle vor:
"Er muss das Gefühl haben, dass seine Ursprungskultur innerhalb der Aufnahmegesellschaft geachtet wird und dass er selbst dazu beitragen kann, sie bekannt zu machen ... Sonst entwickelt er ein Schuldgefühl und eine Identitätsfrustration, die ihn zu defensiven Haltung, zu Misstrauen, zu Zögern und manchmal auch zu einer Übertreibung der Identität führen."
Und das umstrittene Berliner Stadtschloss, dessen Fassade errichtet werden soll, wo gerade der Palast der DDR-Republik abgerissen wird? Für Kunsthistoriker Horst Bredekamp ist das Projekt darum legitim, weil hinter der Fassade das Humboldt-Forum untergebracht wird.
"Es ist schlicht und einfach, man muss das immer wieder sagen, eine Menschheitsidee, eine Weltidee ... in das Gebäude, das die Nation wie kein zweites neben dem Reichstag bestimmen wird, das Berliner Schloss, mit den außereuropäischen Sammlungen zu bestücken. So etwas hat es niemals, noch nie, noch nie gegeben ... Das ist die nationale Botschaft im besten Sinn, die von deutschen Museen überhaupt nur gestellt werden darf."
"Wiedervorlage: Nationalkultur" war ein inhaltlich dichter, atmosphärisch aussagekräftiger Thesen-Cocktail. Dass sich der Rauch über der deutschen Trümmergeschichte so gründlich verzogen hat, dafür machte der Soziologe Heinz Bude den Erfolg der früher sogenannten Vergangenheitsbewältigung verantwortlich:
"Schuldgefühl macht frei. Wenn man nämlich sagt: Ja, wir sind's gewesen, dann muss man nicht immer sagen: die anderen haben aber auch, die haben aber auch usw. Dann gewinnt man Freiheit."
"Die deutsche Nationalkultur hat offenbar keine explosive, sprengende Wirkung mehr ... Diese Operation Nationalkultur, so wie sie Herr Lehmann, so wie sie der Außenminister, so wie sie vermutlich alle Sprecher heute erklären, ist eine die Einverständnis erzeugt."
Immerhin, der von links in die liberale Mitte einwandernde Leggewie verspürte noch, dass eine solche Feier der Nationalkultur im Zentrum Berlins nicht restlos selbstverständlich ist.
"Das ist für Leute wie uns immer außerordentlich schwierig, an einer ideologiepolitischen Operation mitzuwirken, ohne dagegen zu sein. Wir haben aber relativ wenig gefunden."
Und wie auch anders? Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gab die "Neuvermessung der Welt" zum Ziel des Symposions aus - und bei Neuvermessungen verlieren alte Wegekarten des Ideologischen natürlich ihren Wert.
Erfrischend zeigte das Mely Kiyak, die junge Publizistin mit Migrationshintergrund, die offenbar in Deutschland verliebt ist. Kiyak empfahl allen, regelrecht "opulent" zu sein in der Rede von der eigenen Nation, und bedauerte, dass das "musikalische" Wort Nationalkultur im Symposions-Titel ohne das wunderbare Epitheton 'deutsch' auskommen musste.
Für die globale Theorie solcher Prozesse, in denen Nationen neue Selbstbilder gewinnen, war die amerikanische Kulturtheoretikerin Saskia Sassen zuständig:
"Der große Elefant im Raum der Globalisierung ist der Nationalstaat. Wir haben Identität nationalisiert, wir haben das Territorium nationalisiert, wie haben Sicherheit nationalisiert, Gesetze nationalisiert, etc. etc. Das heißt, um die gegenwärtigen Bedingungen zu verstehen, muss ich das Nationale verstehen. Denn vieles von dem, was sich gerade ändert, geschieht innerhalb des Nationalen."
Indessen blieb die weltreisende Soziologie-Ikone hinter der Gloriole ihres Namens zurück. Streng genommen schrumpfte Sassens Beitrag auf eine Weder-Noch-These zusammen.
" Ich möchte betonen, dass diese Weder-global-noch-national-Bedingungen, die Teil des Wandels sind, eine Art dritten Raum bilden. Weder national, noch global."
Dankenswerterweise lieferte sich Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel ein Rededuell mit Bundestags-Vize Wolfgang Thierse. Für Weigel sind 'Nationalkultur' und 'Kulturnation' verdächtige Begriffe des 19. Jahrhundert. Nur über die notorische Analyse der Befangenheit sei deutsche Unbefangenheit zu gewinnen. Thierse gefiel die Weigelsche Krittelei überhaupt nicht.
"Diese menschliche Sicherheit ist mehr, offensichtlich mehr als Rechtssicherheit, die wir hochschätzen, und ist offensichtlich auch noch mehr als soziale Sicherheit. Sondern Zuordnungen, emotionale, ideele, moralische, religiöse, im weiten Sinne des Wortes kulturelle Beheimatungen ... Das spielt offensichtlich auch die Zuordnung, das Eingebettetsein in dem eine Rolle, was wir Nationalkultur nennen... Ich halte dieses Bedürfnis nach menschlicher Sicherheit nicht für reaktionär."
Das Duell Thierse-Weigel über deutsche Gelassenheit schaukelte sich hoch - auch wilde Argumente waren nun opportun.
"Ich hasse es, wenn ich eingeladen werde, weil ich eine Frau bin. Es ist zum Kotzen, um es mal ganz deutlich zu machen. Es hat überhaupt nichts mit Gelassenheit zu tun. Gelassenheit wäre dann ... , wenn wir jemanden einladen, weil er etwas Bestimmtes zu vertreten hat. Weil er ne bestimmte Idee hat ... Und nicht, weil er einen Migrantenhintergrund hat. - 'Aber Sie dürfen nicht umdrehen, meine Argument, das wäre unfair.'"
Der Schriftsteller Amin Maalouf indessen hatte kein Problem damit, wegen seines Migrationshintergrunds - er emigrierte aus dem Libanon nach Frankreich - in Berlin aufzutreten. Maalouf gab allerdings die Bedingung für jede Migranten-Rolle vor:
"Er muss das Gefühl haben, dass seine Ursprungskultur innerhalb der Aufnahmegesellschaft geachtet wird und dass er selbst dazu beitragen kann, sie bekannt zu machen ... Sonst entwickelt er ein Schuldgefühl und eine Identitätsfrustration, die ihn zu defensiven Haltung, zu Misstrauen, zu Zögern und manchmal auch zu einer Übertreibung der Identität führen."
Und das umstrittene Berliner Stadtschloss, dessen Fassade errichtet werden soll, wo gerade der Palast der DDR-Republik abgerissen wird? Für Kunsthistoriker Horst Bredekamp ist das Projekt darum legitim, weil hinter der Fassade das Humboldt-Forum untergebracht wird.
"Es ist schlicht und einfach, man muss das immer wieder sagen, eine Menschheitsidee, eine Weltidee ... in das Gebäude, das die Nation wie kein zweites neben dem Reichstag bestimmen wird, das Berliner Schloss, mit den außereuropäischen Sammlungen zu bestücken. So etwas hat es niemals, noch nie, noch nie gegeben ... Das ist die nationale Botschaft im besten Sinn, die von deutschen Museen überhaupt nur gestellt werden darf."
"Wiedervorlage: Nationalkultur" war ein inhaltlich dichter, atmosphärisch aussagekräftiger Thesen-Cocktail. Dass sich der Rauch über der deutschen Trümmergeschichte so gründlich verzogen hat, dafür machte der Soziologe Heinz Bude den Erfolg der früher sogenannten Vergangenheitsbewältigung verantwortlich:
"Schuldgefühl macht frei. Wenn man nämlich sagt: Ja, wir sind's gewesen, dann muss man nicht immer sagen: die anderen haben aber auch, die haben aber auch usw. Dann gewinnt man Freiheit."