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Nationale Aufgabe

Der "Bund Naturschutz" hat seine Mitarbeit an der Münchner Olympiabewerbung für Winterspiele 2018 aufgekündigt. Man wolle sich nicht als Alibi für die sogenannten grünen Spiele missbrauchen lassen. Dieter Janecek, Landesvorsitzender der Grünen in Bayern, sagte, das Bewerberkonzept sei ökologisch gescheitert. Nichts davon findet sich in einem Antrag, der jetzt vom Sportausschuss abgesegnet und dann vom Bundestag verabschiedet werden wird.

Von Jens Weinreich | 28.06.2009
    Die Bundestagsdrucksache 16/13481 ist ein gemeinsamer Antrag von SPD, CDU/CSU und FDP zur Unterstützung der Olympiabewerbung Münchens. Darin wird entgegen der aktuellen Entwicklungen des Protestes des "Bundes Naturschutz" und der Grünen das Umweltkonzept der Bewerbung als vorbildlich tituliert. Im ersten von acht Unterpunkten heißt es: Die Olympiabewerbung sei eine nationale Aufgabe. Im zweiten Punkt kommt es zum Kern: "Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Olympiabewerbung weiterhin zu fördern und zu unterstützen."

    Diese Passage wird von politischen Insidern als Freibrief für die Unterstützung der Bewerbung mit Steuermitteln kritisiert. Denn das Problem der Bewerbung ist ein traditionell deutsches Problem aller Bewerbungen der vergangenen Jahrzehnte, ob Berchtesgaden (für die Winterspiele 1992), Berlin (Sommer 2000) oder Leipzig (Sommer 2012):

    Verlässliche und transparente Hochrechnung für die Finanzierung der Bewerbungen und der Austragung Olympischer Spiele lagen nie vor.

    Auch München hat noch kein Finanzierungskonzept vorgelegt. Weder die Bewerbungsgesellschaft, noch die Stabsstelle München 2018 in der bayerischen Landeshauptstadt oder die entsprechenden Gremien der Landesregierung und des Bundesinnenministeriums. Mehr als das Versprechen, dass die Bewerbungsphase bis zur IOC-Entscheidung im Juli 2011 in Durban mit 30 Millionen aus der Privatwirtschaft finanziert werden soll, gibt es nicht. Überprüfbar ist dieses Versprechen nicht, weil keiner der Gesellschafter der Bewerber GmbH Zahlen offen legt. Mehrheitsgesellschafter ist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Dessen Generaldirektor Michael Vesper hatte kürzlich nach einer Anhörung im Bundestag erklärt:

    "Es ist schwieriger geworden, in Zeiten dieser riesigen Finanz- und Wirtschaftskrise Mittel einzuwerben und Förderer zu gewinnen. Gerade deswegen kann man zufrieden sein mit dem bisher erreichten Stand der Zusagen, die noch nicht immer Verträge sind. Aber worauf sie anspielen, das ist ja die Verwendung von Steuergeldern. Bislang sind noch keine Steuergelder in diese Bewerbung geflossen. Es ist deswegen nach wie vor der Wille und die Absicht aller Gesellschafter, dass diese Bewerbung, wie das München ja versprochen hat, aus privaten Mitteln finanziert wird."

    Vor zehn Tagen hatten die Bewerber mit der BMW Group einen ersten von erhofften zehn nationalen Förderern präsentiert, der angeblich drei bis fünf Millionen Euro zahlen will. Tatsächlich wird die Bewerbung bereits direkt und indirekt von der öffentlichen Hand subventioniert.

    Ein Klassiker dabei ist die Finanzierung durch die Flughafen München GmbH (FMG), eine Gesellschaft, die zu 51 Prozent dem Freistaat Bayern, zu 26 Prozent der Bundesrepublik Deutschland und zu 23 Prozent der Landeshauptstadt München gehört. Die FMG erbringt derzeit halbjährlich 500.000 Euro an Sachleistungen und direkten Zuwendungen für die Bewerber GmbH.

    Von derlei finanziellen und sportpolitischen Details ist der parlamentarische Antrag von SPD, CDU/CSU und FDP nicht geprägt. Die Abgeordneten, die eigentlich Kontrollfunktionen wahrnehmen sollte, verschreiben sich der Terminologie der Olympia-Branche. Sie behaupten, Olympische Spiele würden "wirtschaftliche Aufbruchsstimmung" sowie "Belebung des Tourismus und des Arbeitsmarktes" erzeugen. "Die wirtschaftlichen Wirkungen" würden "durch einen erheblichen finanziellen Beitrag des Internationalen Olympischen Komitees aus seinen Vermarktungseinnahmen unterstützt".

    Es wird der Eindruck erweckt, als ließe sich mit dem Anteil aus den Fernsehverträgen des IOC Olympische Spiele weitgehend finanzieren. Dabei überweist das IOC Winter-Gastgebern nur rund eine halbe Milliarde Dollar. Am Beispiel Vancouver 2010 bedeutet das: Der IOC-Anteil am Organisationsetat beträgt nach Abzug der TV-Produktionskosten knapp 25 Prozent. Der Infrastrukturetat für Olympische Spiele, der so genannte Non-Ocog-Etat, beträgt aber meist ein Vielfaches des Organisationsetats - weshalb der IOC-Anteil, insgesamt betrachtet, in der Regel auf weniger als ein Zehntel sinkt.

    Im Antrag der Parlamentarier heißt es:

    "Der Deutsche Bundestag geht davon aus, dass das IOC sich seiner Verantwortung stellen und daher einen erheblichen Finanzbeitrag zur Durchführung der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 leisten wird." Dies lasse eine staatliche Förderung verantwortbar erscheinen.

    Verantwortung ist ein gutes Stichwort. Denn belastbare Zahlen für diese Thesen liegen nicht vor. Dabei wäre eine Bundestagsdebatte doch der passende Zeitpunkt, auf ehrlicher Grundlage und mit Fakten eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu diskutieren.