Kunst, die aus Ressentiment entsteht, erfährt in ihrer Rezeptionsgeschichte womöglich überraschende Anfechtungen. Das gilt zum Beispiel hinsichtlich der aus ehrlichstem tschechischem Nationalbewusstsein ins Leben gesetzten "Verkauften Braut" von Smetana. Ebenso für die deutschnational und kunstpolemisch ausgerichteten "Meistersinger" von Wagner. Die böhmische Braut fiel folgerichtig irgendwann einmal einer Feministin wie Barbara Beyer in die Hände und wurde mit der Bratpfanne zugerichtet.
Und die Altnürnberger Meistersänger mussten sich der Schredder- und Kompostierungs-Technik von Frank Castorf unterziehen. Auch wer dergleichen Zugriff für überzogen erachtet, weiß, dass sich die Regisseure heute den von den Stücken kolportierten Ideologien stellen müssen. Im Ernst kann es nach allen Verwerfungen der politischen und der Theatergeschichte mit Opern, die Gott und Vaterland in schöner inbrünstiger Eintracht besingen, nicht mehr naiv apologetisch zugehen - auch wenn für deren Urheber reklamiert wird, diese hätten nur als "Chronisten" funktioniert und Nationalismus hätte ihnen ferngelegen.
Zumindest ein Schuss Ironie darf und muss wohl eingefordert werden, wenn heute ein dreifach kontaminiertes Werk wie der "Fürst Igor" aus der Truhe geholt wird. Ideologischen Geruch haben schon die literarischen Wurzeln im 12. Jahrhundert, auf denen Wladimir Stassows Szenarium und Borodins Text basieren - und der gewiss vorm gesellschaftlichen Hintergrund im Zarenreich um 1870 gesehen werden muss.
Die aggressive Slawistik des Tonsatzes wurde zwar lange als Folklore goutiert, kann aber in der Ära Putin auch wieder ganz anders verstanden werden. Ja, sie muss noch einmal neu gelesen werden zu einem Zeitpunkt, an dem sich ein "neues Russland" wieder mit alten Zielsetzungen zusammenrottet: Gott und Vaterland.
Wir können uns hier nicht lange bei den Unterlegenheitsgefühlen eines Teils der russischen Intelligenz im 19. Jahrhundert aufhalten, die mit dem Rückgriff auf mehr oder minder obsolete Mythen zur Konstitution des "christlichen Russland" kompensiert wurden. Auch die Erörterung der Fassungs-Probleme einer Partitur, deren Urheber bei seinem Tod eine Baustelle hinterließ, überfordert die Möglichkeiten eines kurzen Berichts (in Essen wird ein Fassungs-Kauderwelsch angeboten).
Was sich hier resümieren lässt und für potentielle Theatergänger von Interesse sein mag, ist die Sichtweise des Regisseurs auf die vertrackte Historizität des Fürsten Igor und die Qualitäten des reaktivierten Tonsatzes.
Noam Zur nutzt die uneingeschränkte Lufthoheit über dem Orchester, um die barbarisch-kräftigen Farben wie das Sentimentale der Musik so hervorzuheben beziehungsweise zu dimmen, dass es seine Wirkung aufs Abonnements-Publikum nicht verfehlt. Dabei singt der Chor keineswegs so, wie man es von einem Opernhaus erwarten dürfte, das fortdauernd als das leistungsfähigste in Nordrhein-Westfalen gerühmt wird.
Danielle Halbwachs steht die Rolle der Fürstin Jaroslawna achtbar durch. Almas Svilpa tönt satt und sonor in der Titelpartie. Er wird als Warlord in der Zeit der Tschetschenien-Kriege gezeigt. Gewappnet mit Schnellfeuergewehren brechen seine Männer zum Kampf fürs einige Russland gegen "heidnische Horden" aus dem Osten auf - eingerahmt von mittelalterlichen Palisaden, die aussehen wie in den Nationaloperninszenierungen der noch-sozialistischen 1980er Jahre in Osteuropa.
Um das laszive Leben im Hinterland zu verdeutlichen, lässt Regisseur Andrejs Žagars Bikini-Mädchen in die Sauna steigen und Strapse unterm Pelzjäckchen zeigen. Überhaupt herrscht Winter in Russland: Es schneit und schneit und schneit. Das ist alles so dekorativ wie unkritisch - und auch nicht witzig oder ironisch. Wenn in der zweiten Halbzeit das Vorrücken der Barbaren mit Kamelen gezeigt wird, dann bringt auch das noch keinen Opernfühlung. Und Erkenntnisgewinn schon gar nicht.
Das Aalto-Theater in Essen wurde im Herbst 2008 zum "Opernhaus des Jahres" ausgerufen. Doch diese Goldmedaille in einem absurden Ranking erscheint längst nur mehr als Eiterpickel eines dientleistungseifrigen Journalismus, der Gehör und Verstand an der Garderobe abgegeben hat. Bezüglich der Produktion von "Fürst Igor" hat ein Kollege die Diskrepanz mit niederrheinischer Gelassenheit auf den Punkt gebracht, indem er ins Zigarillo stöhnte: "Das war unterste Schublade".
Infos:
theater-essen.de
Und die Altnürnberger Meistersänger mussten sich der Schredder- und Kompostierungs-Technik von Frank Castorf unterziehen. Auch wer dergleichen Zugriff für überzogen erachtet, weiß, dass sich die Regisseure heute den von den Stücken kolportierten Ideologien stellen müssen. Im Ernst kann es nach allen Verwerfungen der politischen und der Theatergeschichte mit Opern, die Gott und Vaterland in schöner inbrünstiger Eintracht besingen, nicht mehr naiv apologetisch zugehen - auch wenn für deren Urheber reklamiert wird, diese hätten nur als "Chronisten" funktioniert und Nationalismus hätte ihnen ferngelegen.
Zumindest ein Schuss Ironie darf und muss wohl eingefordert werden, wenn heute ein dreifach kontaminiertes Werk wie der "Fürst Igor" aus der Truhe geholt wird. Ideologischen Geruch haben schon die literarischen Wurzeln im 12. Jahrhundert, auf denen Wladimir Stassows Szenarium und Borodins Text basieren - und der gewiss vorm gesellschaftlichen Hintergrund im Zarenreich um 1870 gesehen werden muss.
Die aggressive Slawistik des Tonsatzes wurde zwar lange als Folklore goutiert, kann aber in der Ära Putin auch wieder ganz anders verstanden werden. Ja, sie muss noch einmal neu gelesen werden zu einem Zeitpunkt, an dem sich ein "neues Russland" wieder mit alten Zielsetzungen zusammenrottet: Gott und Vaterland.
Wir können uns hier nicht lange bei den Unterlegenheitsgefühlen eines Teils der russischen Intelligenz im 19. Jahrhundert aufhalten, die mit dem Rückgriff auf mehr oder minder obsolete Mythen zur Konstitution des "christlichen Russland" kompensiert wurden. Auch die Erörterung der Fassungs-Probleme einer Partitur, deren Urheber bei seinem Tod eine Baustelle hinterließ, überfordert die Möglichkeiten eines kurzen Berichts (in Essen wird ein Fassungs-Kauderwelsch angeboten).
Was sich hier resümieren lässt und für potentielle Theatergänger von Interesse sein mag, ist die Sichtweise des Regisseurs auf die vertrackte Historizität des Fürsten Igor und die Qualitäten des reaktivierten Tonsatzes.
Noam Zur nutzt die uneingeschränkte Lufthoheit über dem Orchester, um die barbarisch-kräftigen Farben wie das Sentimentale der Musik so hervorzuheben beziehungsweise zu dimmen, dass es seine Wirkung aufs Abonnements-Publikum nicht verfehlt. Dabei singt der Chor keineswegs so, wie man es von einem Opernhaus erwarten dürfte, das fortdauernd als das leistungsfähigste in Nordrhein-Westfalen gerühmt wird.
Danielle Halbwachs steht die Rolle der Fürstin Jaroslawna achtbar durch. Almas Svilpa tönt satt und sonor in der Titelpartie. Er wird als Warlord in der Zeit der Tschetschenien-Kriege gezeigt. Gewappnet mit Schnellfeuergewehren brechen seine Männer zum Kampf fürs einige Russland gegen "heidnische Horden" aus dem Osten auf - eingerahmt von mittelalterlichen Palisaden, die aussehen wie in den Nationaloperninszenierungen der noch-sozialistischen 1980er Jahre in Osteuropa.
Um das laszive Leben im Hinterland zu verdeutlichen, lässt Regisseur Andrejs Žagars Bikini-Mädchen in die Sauna steigen und Strapse unterm Pelzjäckchen zeigen. Überhaupt herrscht Winter in Russland: Es schneit und schneit und schneit. Das ist alles so dekorativ wie unkritisch - und auch nicht witzig oder ironisch. Wenn in der zweiten Halbzeit das Vorrücken der Barbaren mit Kamelen gezeigt wird, dann bringt auch das noch keinen Opernfühlung. Und Erkenntnisgewinn schon gar nicht.
Das Aalto-Theater in Essen wurde im Herbst 2008 zum "Opernhaus des Jahres" ausgerufen. Doch diese Goldmedaille in einem absurden Ranking erscheint längst nur mehr als Eiterpickel eines dientleistungseifrigen Journalismus, der Gehör und Verstand an der Garderobe abgegeben hat. Bezüglich der Produktion von "Fürst Igor" hat ein Kollege die Diskrepanz mit niederrheinischer Gelassenheit auf den Punkt gebracht, indem er ins Zigarillo stöhnte: "Das war unterste Schublade".
Infos:
theater-essen.de