Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Nationalfels in der Brandung

Unerbittlich nagt das Meer an Helgoland. Die Nordseeinsel hätte sich vermutlich schon aufgelöst, gäbe es nicht aufwendige Schutzmaßnahmen. Doch die sind dem Bund nun zu teuer - nationales Symbol hin oder her: Künftig soll Schleswig-Holstein zahlen.

Von Dietrich Mohaupt | 11.07.2013
    Hans Stühmer steht auf der Uferschutzmauer im Südwesten von Helgoland, zu seinen Füßen tost die Brandung. Deiche gibt es hier nicht – mitten in der Nordsee muss schon was anderes her, erzählt der ehemalige Leiter des Außenbezirks Helgoland der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

    "Wir müssen schwere Seebauwerke aus Stahlbeton bauen – es ist äußerst schwierig, auf Helgoland einen Küstenschutz zu betreiben."

    Und – es ist teuer. Deshalb wehrt sich auch etwa 150 Kilometer weiter östlich in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel Umweltminister Robert Habeck ganz vehement gegen den Versuch von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), die Zuständigkeit für den Küstenschutz auf Helgoland vom Bund hin zum Land abzuwälzen. 1952 haben die Briten die Insel an Deutschland zurückgegeben. Seither stehe der Bund doch in einer ganz besonderen Verantwortung:

    "Nach dem Wasserstraßengesetz des Bundes – das regelt eigentlich die Sicherstellung und Pflege der Verkehrswege zu Wasser – hat der Bund nach Paragraf 8 auch die Pflicht, die Hafenanlage, die Mole und den Schutz des Sockels der Insel zu übernehmen. Das ist damals in diesem Gesetz geregelt worden und da kommt er auch nicht von runter."

    Peter Ramsauer sieht das ein wenig anders. Er hat einen Brief an den grünen Minister Habeck geschickt, und erklärt, dass der Bund für den Unterhalt der Uferschutz- und Hafenanlagen auf Helgoland nur zuständig sei, wenn sie:

    "Einen Verkehrsbezug aufweisen. Die Sicherung des Bestandes der Insel Helgoland ist also nicht Bundesaufgabe, soweit sie für den allgemeinen Hochwasser- und Inselschutz erforderlich ist."

    Eine juristische Haarspalterei. Deren Hintergrund erklärt Hans Stühmer auf Helgoland nur allzu gern. Er erzählt vom gewachsenen Buntsandsteinfels, aus dem die Hauptinsel besteht. Dann deutet er nach Süden: Dort liegt ein künstlich aufgespültes Gelände mit einem Schutz- und Sicherheitshafen. Der ist Eigentum des Bundes, der auch zuständig ist für den Unterhalt sämtlicher Hafenanlagen und Molen, sagt Stühmer. Gleichzeitig gibt es im Südwesten Helgolands massive Mauern. Die sollen eine der empfindlichsten Stellen der Insel schützen – damit sich nicht wiederholt, was vor einigen Hundert Jahren mit der schmalen Landverbindung zu der östlich vor Helgoland liegenden Düne passiert ist.

    "Es ist hier der Übergang von der alten Felseninsel – hier hinter uns sehen wir noch die alte Südspitze und dann kommt das Südhafengelände, und das ist die engste Stelle auf Helgoland. Sie sieht stabil aus – aber: Wir hatten auch mal eine Sturmflut 1721, als der Wall zur Düne wegbrach, der auch nicht aus Pappe bestand, sondern aus schwerstem eiszeitlichen Geschiebe, aus Geröll. Genauso besteht auch hier die Möglichkeit, wenn es ganz, ganz hart kommt, dass hier ein Durchbruch erfolgt."

    Dann könnte die Nordsee den gesamten Südhafen quasi von hinten aufrollen und damit Bundeseigentum zerstören. Um das zu verhindern, hat der Bund erst vor einigen Jahren die Flutschutzmauern im Südwesten der Insel saniert. Mehr als 4 Millionen Euro hat das gekostet – und das war sicherlich eine Ausgabe, die im Bundesverkehrsministerium mit zu den Überlegungen geführt hat: Müssen wir das eigentlich zahlen – oder ist das nicht allgemeiner Küstenschutz und damit Aufgabe des Landes Schleswig-Holstein? Der Bürgermeister der Inselgemeinde, Jörg Singer, hört solche Überlegungen naturgemäß nicht gerne.

    "Helgoland war immer schon eine nationale Aufgabe, ich sag’ mal über hundert Arbeitsplätze hängen an der Bundesrepublik – Forschung, Wasser- und Schifffahrtsamt beispielsweise, Zoll – und von daher hat mich das irritiert, als das Bundesverkehrsministerium gesagt hat, dass es nicht mehr für den Küstenschutz aufkommt."

    Dabei trägt gerade der Bürgermeister selbst eine gewisse Mitschuld an den aktuellen Plänen des Bundesverkehrsministers – behauptet wiederum Hans Stühmer. Der Verwaltungschef der Gemeinde nutze doch jede Gelegenheit, mit dem Ausbau des bisherigen Nothafens im Süden der Insel – betrieben und unterhalten vom Bund – zum Servicehafen für die Offshore-Windparks in der Nordsee – betrieben unter anderem von der Gemeinde – zu prahlen. Das könnte möglicherweise ein klassisches Eigentor werden, warnt er.

    "Wenn jetzt propagiert wird: Unser Südhafen wird ja in Zukunft Versorgungshafen für die Windkraft, dann sagt Herr Ramsauer – zu Recht: Oh, das ist ja schön, dann ist das ja kein Nothafen mehr, kein Schutz- und Sicherheitshafen mehr – jetzt ist es ein sogenannter Liegehafen."

    Kein Nothafen – keine Verantwortung des Bundes mehr, könnte Berlin demnächst argumentieren, befürchtet Hans Stühmer. Damit hätte der Bund dann auch keinen Anlass mehr, die Uferschutzanlagen im Südwesten der Insel instand zu halten. Eine Vorstellung, die dem schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck ganz und gar nicht gefällt.

    "Es ist so, dass einige Sicherungsanlagen dringend renovierungsbedürftig sind – da reden wir schon über Millionensumme, die jetzt demnächst verbaut werden müssen. Und – na ja gut, das ist eben auch ein Stück weit nicht lauter, wenn man sich jahrelang dafür feiern lässt, dass man für die Insel da ist und von nationalen Symbolen redet und sich damit schmückt – aber in dem Moment, wo es dann auch was kostet, sich in die Büsche schlagen will."

    Im Durchschnitt rund 2 Millionen Euro hat der Bund in den vergangenen 15 Jahren jährlich für den Küstenschutz auf Helgoland ausgegeben. Kommt gar nicht in Frage, dass wir uns künftig solche Summen aufbringen sollen, meint Robert Habeck. Gesetz sei schließlich Gesetz, da könne der Minister nicht einfach mal so im Alleingang entscheiden.

    "Ich glaube, es war, ehrlich gesagt, mal so ein Versuch, so 'Bitte, bitte', und wir haben 'Nein' gesagt. Warum sollten wir auch 'Ja' sagen an dieser Stelle. Also, meine Auffassung ist: Ramsauer oder die Bundesregierung kann das nicht alleine entscheiden – ohne uns geht es nicht, und mit uns wird es auch nicht funktionieren. Also insofern ist für mich die Diskussion an der Stelle beendet, das wird nix werden!"

    Jetzt herrscht erst einmal Funkstille zwischen Kiel und Berlin - man habe weitere Gespräche vereinbart, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium, wenn aktuelle Entscheidungen zu treffen sind – und die stehen zurzeit nicht an.