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NATO-Mitglied Türkei versucht sich als Vermittler

Heute kommen die NATO-Außenminister wegen der Kaukasus-Krise zu einer Sondersitzung zusammen, bei der sie nach einer gemeinsamen Linie gegenüber Russland suchen werden. Als Vermittler zwischen den Fronten versucht sich auch der türkische Ministerpräsident Erdogan: Er hatte in den vergangenen Tagen in Russland und Georgien für den Plan eines Kaukasus-Stabilitätspaktes geworben. Susanne Güsten berichtet aus Istanbul.

    Türkische Journalisten unter Beschuss im Kaukasus: Südossetische Kämpfer in der Nähe von Tschkinvali eröffnen das Feuer auf die Kamerateams von zwei türkischen Sendern. Ewige Minuten lang sind die Reporter dem Kugelhagel ausgesetzt, bevor sie sich schreiend kenntlich machen können.

    Zu spät: Zwei der vier türkischen Journalisten sind angeschossen, einer davon schwer verletzt. Dutzende Reporter und Kamerateams aus der Türkei verfolgten die Kämpfe im Kaukasus in den letzten Wochen aus nächster Nähe, denn für die Türken spielt sich der Konflikt direkt vor der Haustüre ab, bei einem guten Nachbarn. Die Türkei teilt mit Georgien nicht nur eine 300 Kilometer lange Grenze, sondern auch das Interesse an einer Erdöl-Pipeline vom Kaspischen Meer zum Mittelmeer. Und damit enden die Gemeinsamkeiten nicht, sagt Can Fuat Gürlesel, Direktor des Zentrums für Strategische Studien in Istanbul:

    "Die Türkei hat erhebliche wirtschaftliche Investitionen in Georgien, und die beiden Länder unterhalten auch militärische Beziehungen. Die Türken leisten militärische Ausbildungshilfe bei georgischen Einheiten, und türkische Firmen haben zwei georgische Militärstützpunkte auf NATO-Standard gebaut - einen Luftwaffenstützpunkt und einen Marinestützpunkt. Die Beziehungen sind also gut. Nun gilt es für die Türkei aber, sich auf die neuen Kräfteverhältnisse in der Region einzustellen, die sich nach diesem Konflikt durch die Neuverteilung der Gewichte zwischen Russland und dem Westen ergeben."

    Ein schwieriger Balanceakt ist diese Neueinstellung, denn die Türkei fühlt sich nicht nur Georgien verbunden. Ein Handelsvolumen von 27 Milliarden Euro verbindet die Türkei auch mit Russland, außerdem der Zustrom von jährlich mehr als zwei Millionen russischen Touristen an die Badestrände von Antalya. Vor allem aber ist es die energiepolitische Abhängigkeit von Russland, die den Handlungsspielraum der Türkei begrenzt. Fast zwei Drittel des türkischen Erdgasbedarfs werden aus Russland geliefert.

    Grundsätzlich stehe die Türkei zwar auf der Seite Georgiens, kommentierte die unabhängige Zeitung "Taraf" kürzlich, aber gegen Russland aufzutreten, könne sie sich einfach nicht leisten. Bleibt also nichts übrig als der Mittelweg, den die türkische Regierung nun sucht. Eine neue Kaukasus-Allianz schlägt Ministerpräsident Erdogan vor:

    "Um Frieden, Stabilität und Sicherheit im Kaukasus zu schaffen, schwebt mir vor, eine Plattform für Stabilität und Zusammenarbeit zu gründen. Wir denken da an eine neue Allianz, die auf geographischer Lage basieren und für die gemeinsame Sicherheit in der Region sorgen würde, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und für Energiesicherheit. Diese Allianz würde auf die Grundsätze der OSZE aufbauen und einen Krisenlösungsmechanismus umfassen. Wir glauben, dass eine solche Allianz bedeutend dazu beitragen könnte, solche Konflikte in Zukunft zu verhindern."

    In Moskau und in Tiflis hat Erdogan seine Idee auf einer Blitzreise bereits vorgestellt, nächste Woche will er in Baku damit vorstellig werden. Mit höflichem Interesse hörten sich der russische Präsident Medvedev und Ministerpräsident Putin den Vorschlag an. Dass viel daraus wird, glaubt Can Fuat Gürlesel vom Zentrum für Strategische Studien aber nicht:

    "Russland wird sich für die türkischen Initiativen wohl nicht erwärmen können, denn das Ziel der Russen in diesem Spiel ist es ja, Georgien und die Ukraine von der Integration in den Westen und in die NATO weitest möglich fern zu halten. Der Einfluss der Türkei ist da begrenzt, denn das wird zwischen den beiden Hauptfiguren ausgetragen - Russland auf der einen Seite und die USA, die NATO und Europa auf der anderen Seite."