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Nato und Russland
Verlorenes Vertrauen

Kurz vor dem Nato-Gipfel in Wales haben die Beziehungen zwischen dem Bündnis und Russland einen neuen Tiefstand erreicht. Das Verhältnis zur Ukraine und die militärische Absicherung Osteuropas rücken in den Vordergrund. Doch dauerhaft Truppen stationieren will man noch nicht.

Von Annette Riedel, Brüssel | 03.09.2014
    "Reassurement – Vergewisserung" - unter dieser Überschrift hat die Nato nach der russischen Annektierung der Krim begonnen, ihr Engagement in Ost-Europa zu verstärken; nicht zuletzt, um den ost-europäischen Nato-Ländern zu versichern, dass die Nato zu ihren Bündnis-Verpflichtungen steht.
    "Unabhängig davon, wie lange ein Land schon Nato-Mitglied ist und wie groß es ist, bei allen Unterschieden: Wenn es um kollektive Verteidigung geht, sind alle gleich", hatte der amerikanische Präsident Obama bei seinem Besuch Ende März in Brüssel noch einmal betont und in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass die USA eine Milliarde Dollar in die Hand nehmen würden, um in die Sicherheit Osteuropas zu investieren.
    Als Litauen, Lettland und Estland, vor zehn Jahren der Nato beitraten, verpflichtete sich das Bündnis, routinemäßig, unabhängig von akuten Krisen-Situationen abwechselnd die Überwachung des Luftraums der Drei zu übernehmen, um den kleinen Ländern zu ersparen, eigene Luftwaffen aufbauen zu müssen. Briten, Franzosen, Dänen, Portugiesen und die Deutschen haben sich nach der Annektierung der Krim bereitgefunden, Flugzeuge zur Verfügung zu stellen, die bei Bedarf zusätzlich bei der verstärkten Luftraumüberwachung eingesetzt werden können.
    Von der Leyen: Partnerschaft, nicht Konfrontation
    "Wir nehmen die Sorgen unserer östlichen Mitgliedsstaaten sehr ernst, deshalb ist es uns wichtig, dass diese Freunde und Partner auch wissen, dass sie sich auf das Nato-Bündnis verlassen können." Wie die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, hat man in der Nato verstanden, dass die osteuropäischen Nato-Länder wegen Russlands aktuellem Verhalten eine stärkere Verunsicherung empfinden als manche weiter im Westen. Dem schon seit Monaten wiederholten Ansinnen der Balten, der Polen und Rumänen nach nennenswerter dauerhafter Präsenz von Nato-Truppen in ihren Ländern standen und stehen Deutschland und andere Nato-Länder aber skeptisch gegenüber.
    "Es geht jetzt nicht darum, dass jeder seine Wünsche erfüllt bekommt." Bundesaußenminister Steinmeier ist es wichtig, dass die Nato die Präsenz unterhalb der Schwelle erhöht, die einem Bruch des Partnerschaftsvertrags mit Russland von 1997 gleich käme - dass also keine "nennenswerten Truppen" dauerhaft an der Ostgrenze der Nato stationiert werden. Denn das würde nicht der Nato-Grundakte entsprechen, die der Partnerschaft zwischen der Nato und Russland zugrunde liegt. Ursula von der Leyen: "Wir sind als Bündnis an Partnerschaft interessiert und nicht an Konfrontation."
    Intensiviere Zusammenarbeit mit der Ukraine
    Was das Bündnis bereits verabredet hat, ist, das multinationale Chor Nordost der Nato in Stettin, das Polen, Dänemark und Deutschland gemeinsam leiten, aufzuwerten. Die Einsatzfähigkeit dort soll von niedrig - das heißt innerhalb von rund drei Monaten - zu hoch - das heißt innerhalb weniger Tage - erhöht werden.
    Darüber hinaus hat die Nato die praktische Zusammenarbeit mit Russland zurückgefahren, beispielsweise in Afghanistan. Zudem finden Konsultationen zwischen Nato und Russland momentan im Nato-Russland-Rat nur noch zur Causa Ukraine statt. Und zwar auf politischer Ebene. Die routinemäßige Zusammenarbeit auf Botschafter-Ebene ist ausgesetzt. Die Bewegungsfreiheit der über 70 Kopf starken russischen Delegation beim Sitz der Nato in Brüssel wurde einschränkt. Nur noch der Botschafter und sein engster Kreis dürfen sich auf dem Gelände unbegleitet bewegen. Russland habe mit seinem aktuellen Verhalten der Partnerschaft mit der Nato eine Absage erteilt.
    Man erwarte von einem langjährigen Freund ein anderes Verhalten als das Russlands in den letzten Monaten, so der französische Außenminister Fabius. Die Zusammenarbeit mit der Ukraine hat die Nato dagegen intensiviert. Die beiden Verbindungsbüros in der Ukraine werden verstärkt, ebenso die nicht militärische Unterstützung bei der Reform der Streitkräfte und von Führungsstrukturen. Der politische Dialog der Nato mit der Ukraine wird ausgebaut. Sichtbares Zeichen: An dem am Donnerstag in Wales beginnenden Nato-Gipfel wird der ukrainische Präsident Poroschenko teilnehmen.