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Natürliche Putzkolonne

Umwelt.- Schwermetalle, Chemikalien oder Erdölreste: In Europa sind 750.000 Orte so sehr verschmutzt, dass es gesundheitsschädlich ist, sie zu betreten. Kanadische Forscher wollen nun diverse Pflanzen und Bodenbakterien nutzen, um die belasteten Böden wieder zu reinigen.

Von Katrin Zöfel |
    "Weidenbäume wachsen sogar dort, wo sonst nichts wächst, auf Sandböden, zwischen Steinen, sogar an Stellen, wo es sehr feucht ist."

    Weiden sind robust, sagt Franz Lang, Forscher an der Universität von Montreal in Kanada. Sie tolerieren Bedingungen, mit denen andere Pflanzen nicht zurecht kommen. Und, fügt er hinzu, sie verändern die Böden, auf denen sie wachsen.

    "Wenn man so einen Baum pflanzt, bildet sich um seine Wurzeln schnell eine Lebensgemeinschaft aus Bakterien und Pilzen. Diese Bodenbewohner ernähren sich von dem, was die Wurzeln ausscheiden. Außerdem gelangt Sauerstoff nach unten, weil die Wurzeln den Boden lockern. Um die Wurzel herum sind die Lebensbedingungen also perfekt."

    Jeder Baum belebt so den Boden, auf dem er wächst. Weil für Weiden außerdem gilt, dass sie sehr widerstandsfähig sind, werden sie häufig auf industriell verseuchten Standorten angepflanzt, etwa wenn Öl oder Chemikalien in den Boden gelangt sind. Selbst dort können Weiden sich etablieren. Franz Lang will solche kontaminierten Landstriche aber nicht nur begrünen, er geht weiter. Er will die Standorte von den Umweltgiften befreien.
    Dazu, so seine Idee, müsste man die Weiden gezielt mit Bakterien und Pilzen kombinieren, die besonders gut an lebensfeindliche Standorte angepasst sind. Um diese zu finden, sucht er dort, wo Mikroorganismen jahrzehntelang Zeit hatten, sich an eine Umgebung voller Gift anzupassen.

    "Wenn man an den richtigen Stellen sucht, also dort, wo die Verschmutzung hoch ist, - und das macht man an möglichst vielen verschiedenen Orten - dann findet man viele unterschiedliche Mikroorganismen, und allesamt sind perfekt an die jeweiligen Bedingungen angepasst."

    Auf dem Gelände einer ehemaligen Raffinerie nahe Montreal fanden seine Kollegen zum Beispiel Bodenpilze, die Erdölreste nicht nur tolerieren, sondern als Nahrungsquelle nutzen. Wenn man diesen Pilzen im Labor einige Wochen Zeit lässt, lösen sie eine ganze Portion Teer und Ölreste vollständig auf. Genauso will Lang Bakterien finden, die für kontaminierte Böden geeignet sind. Mit der Zeit, so die Idee, ließe sich eine Art Baukastensystem aufbauen, aus dem man für jeden beliebigen verschmutzten Ort eine spezielle Putzkolonne zusammenstellen könnte.

    Damit die Zusammenstellung perfekt gelingt, will Lang innerhalb der nächsten drei Jahre untersuchen, was chemisch gesehen genau abläuft, während Baum, Bakterien und Pilze den Boden gemeinsam säubern.

    "Da müssen wir noch vieles klären. Wir wollen wissen, welche Gene beteiligt sind und wie all diese Mechanismen funktionieren. Wir müssen die ganze Kette der Abläufe verstehen."

    Heute schon werden an ehemaligen Industriestandorten Böden zur Säuberung mit speziellen Pilzen geimpft. Doch das sei, so Lang, nicht effektiv. Erst wenn man Pflanzen, Bakterien und Pilze als Team einsetze, könne das Ganze funktionieren.

    Seinen Optimismus teilen allerdings nicht alle Forscher. Der britische Bodenkundler Chris Collins von der Universität von Reading arbeitet wie Lang an der Sanierung verschmutzter Standorte. Er ist skeptisch.

    "Warum gehen sie davon aus, dass die Mikroorganismen, die sie in den Boden einbringen wollen, überleben werden? Jeder Boden ist schon besiedelt: mit Pilzen und Bakterien, die sich über Jahrzehnte an genau diese Bedingungen angepasst haben. Gegen diese "Alteingesessenen" müssen sich die Neulinge erst einmal durchsetzen. Und das ist bisher fast immer schief gegangen."

    Mit Öl oder Chemikalien verschmutzte Böden vom Gift tatsächlich zu befreien, sei unmöglich, so seine Einschätzung. Wenn überhaupt könne man dafür sorgen, dass die Umweltgifte bleiben wo sie sind.

    "Man kann dafür sorgen, dass die Verschmutzung sich nicht ausbreitet, also nicht in die Luft oder ins Grundwasser gelangt. Dann kann man vielleicht erreichen, dass die Orte wieder begehbar werden. Wenn man dann Wald anpflanzt, könnten Menschen dort immerhin zur Erholung spazieren gehen."