Eins ist klar: Paul Collier kann Prinz Charles gar nicht leiden. Für den Ökonomen der Universität Oxford gehört Prinz Charles zu den Romantikern, die sich ein ganzheitliches Öko-Leben wünschen. Und dabei mit ihrer grünen Behaglichkeit den Ärmsten der Welt eher schaden anstatt zu helfen. Paul Collier:
In den reichen Ländern hat das Liebäugeln mit illusorischen Naturidyllen die globale Lebensmittelproduktion gesenkt, und die ersten Opfer sind die Armen in den Gesellschaften der untersten Milliarde.
Ein schwerwiegender Vorwurf, den der Afrika-Experte Collier da erhebt. Die unterste Milliarde, die Ärmsten der Armen, die vorwiegend in Afrika leben, ist schon lange sein Thema. In seinem neuen Buch "Der hungrige Planet" widmet sich Collier nun erstmals auch der Natur – und zwar ihrer Nutzbarkeit, ohne sie zu plündern. Dafür nimmt der Autor die Entwicklungsländer genauso in die Pflicht wie die Industrie- und Schwellenländer auch.
Um die Natur nachhaltig zu nutzen, setzt Collier auf technologischen Fortschritt, auf eine gute Regierungsführung und die kollektive Macht informierter Bürger. Doch gerade beim Thema Bürgermacht läuft Collier selbst Gefahr, zu idealisieren und überzubewerten. Zunächst aber zu Prinz Charles und zu den Romantikern. Collier macht sie mitverantwortlich dafür, dass die weltweite Produktion von Lebensmitteln stagniert und damit der Hunger andauert. Dabei kritisiert Collier die Romantisierung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in den reichen Industrienationen. Der Traum ökologischer Selbstversorgung sei keine Antwort auf den weltweiten Hunger, so Collier.
Seine Gegenantwort lautet: Kommerzialisierung der Landwirtschaft, um mehr Lebensmittel produzieren zu können. Außerdem fordert er das Ende des Verbots gentechnisch veränderter Lebensmittel innerhalb der EU. Anders als Verbraucherschutzverbände, die Gentechnik als Risikotechnologie bewerten, ist Collier davon überzeugt, dass diese Technik – ganz ohne Risiken – die Lebensmittelproduktion steigern und die Folgen des Klimawandels ausgleichen kann. Der Klimawandel, so vermutet Collier, wird vor allem in Afrika den Anbau von Grundnahrungsmitteln noch mehr gefährden. Das bedeutet noch mehr Hunger.
Zu Hunger und Armut forscht der Brite schon lange. In seinem viel beachteten Buch "Die unterste Milliarde" von 2008 hatte er bereits den radikalen Umbau der Entwicklungshilfe und neue Entwicklungsstrategien gefordert. Solche Strategien entwirft er auch in seinem neuen Buch: Nämlich wie arme Länder ihre Bodenschätze effektiv nutzen können. Die Natur: Für Collier kann sie zum Rettungsring werden - falls die Regierungen auch wirklich verstehen, die Natur richtig zu nutzen, er schreibt:
Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist für mich inzwischen zum wichtigsten Aspekt im Kampf um die wirtschaftliche Transformation der ärmsten Gesellschaften geworden. Die Einkünfte, die sie aus natürlichen Ressourcen erzielen könnten, sind gewaltig und stellen jede potenzielle Entwicklungshilfe weit in den Schatten.
Doch die Realität ist bislang eine andere: Die Ressourcen bringen keine Entwicklung. In Ländern wie Nigeria mit seinem Ölreichtum oder Sierra Leone mit seinen Diamanten ist das Einkommen der Menschen sogar gesunken. Daran schuld sind, so Collier, korrupte Politiker, eine schlechte Regierungsführung und eine ineffektive Investitionspolitik. Ein, so scheint es, unlösbares Problem. Eines, dem sich Paul Collier stellt. Schritt für Schritt entwickelt er – detailreich und unterfüttert mit Statistiken – eine Handlungsanweisung, um Rohstoffreichtum in langfristigen Wohlstand umzumünzen. Dieser Handlungskatalog beginnt mit der intensiven Erkundung der Ressourcen. Collier vermutet, dass bislang schätzungsweise erst ein Viertel der Ressourcen in Afrika bekannt ist. Dann zeigt er detailliert, wie die Einnahmen sinnvoll gespart, aber auch investiert werden sollten und wie Investitionen effektiv sein können. Entscheidend für das Gelingen ist für ihn auch die Transparenz in der Rohstoffwirtschaft. So dürften internationale Förderfirmen nicht länger als Komplizen korrupter Regierungen agieren, mahnt der Ökonom - und setzt auf die neue kollektive Macht der Bürger via Internet. Denn sie könnten weltweit ihre Regierungen unter Druck setzen; sie könnten Beschwerdestellen einfordern, Anti-Korruptionsregeln und die Anerkennung der Rechte nachfolgender Generationen. Paul Collier:
Das Zeitalter des billigen Überflusses der Natur ist vorbei. Nun müssen wir gemeinsame Regeln für ein Zeitalter aufstellen, in dem die Natur wertvoll ist. Die Frage ist nicht, ob die Bürger Chinas und anderer Länder die Macht haben werden, ihre Regierungen zu disziplinieren; die Bürgermacht wird unaufhaltsam sein. Wenn Menschen eine gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung der Natur akzeptieren, müssen Regierungen sie umsetzen.
Doch die unaufhaltsame Bürgermacht ist noch in weiter Ferne. In Entwicklungsländern braucht es für gut informierte Bürger ein gutes Bildungssystem und dafür eine fähige Regierung. Und nicht überall auf der Welt ist Bürgermacht gewollt: Regime drohen Umweltaktivisten mit Gefängnis und längst instrumentalisieren sie das Internet für ihre eigenen Zwecke.
Zudem wünscht sich Collier nur den einen Typ informierten Bürger. Nämlich den, der für die Kommerzialisierung und für die Gentechnik in der Landwirtschaft eintritt. Alles andere hält er für kollektive Irrungen. Das klingt arrogant und gefährlich, denn die wiederholten Skandale in der kommerzialisierten Landwirtschaft zeigen, dass Skepsis hier durchaus angebracht ist. Paul Collier liefert auf nur knapp 250 Seiten viele Impulse und Ideen. Und er provoziert. Etwa dazu, die eigene Haltung zu überdenken – und sie sich beim Lesen nochmals neu zu erstreiten. Denn auch wenn Collier davon ausgeht, dass Menschen vom Typus Romantiker zu grüner Behaglichkeit neigen: Brauchen wird er sie doch, um seine beschworene kollektive Bürgermacht zu stärken. "Der hungrige Planet": ein lesenswertes Buch.
Für Romantiker und Realisten: Das jüngste Buch von Paul Collier. Es heißt: "Der hungrige Planet – Wie wir unseren Wohlstand retten". Erschienen ist es bei Siedler mit 272 Seiten. Zu kaufen ist es ab heute für 22,99 Euro, ISBN: 978-3-88680-941-7.
In den reichen Ländern hat das Liebäugeln mit illusorischen Naturidyllen die globale Lebensmittelproduktion gesenkt, und die ersten Opfer sind die Armen in den Gesellschaften der untersten Milliarde.
Ein schwerwiegender Vorwurf, den der Afrika-Experte Collier da erhebt. Die unterste Milliarde, die Ärmsten der Armen, die vorwiegend in Afrika leben, ist schon lange sein Thema. In seinem neuen Buch "Der hungrige Planet" widmet sich Collier nun erstmals auch der Natur – und zwar ihrer Nutzbarkeit, ohne sie zu plündern. Dafür nimmt der Autor die Entwicklungsländer genauso in die Pflicht wie die Industrie- und Schwellenländer auch.
Um die Natur nachhaltig zu nutzen, setzt Collier auf technologischen Fortschritt, auf eine gute Regierungsführung und die kollektive Macht informierter Bürger. Doch gerade beim Thema Bürgermacht läuft Collier selbst Gefahr, zu idealisieren und überzubewerten. Zunächst aber zu Prinz Charles und zu den Romantikern. Collier macht sie mitverantwortlich dafür, dass die weltweite Produktion von Lebensmitteln stagniert und damit der Hunger andauert. Dabei kritisiert Collier die Romantisierung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in den reichen Industrienationen. Der Traum ökologischer Selbstversorgung sei keine Antwort auf den weltweiten Hunger, so Collier.
Seine Gegenantwort lautet: Kommerzialisierung der Landwirtschaft, um mehr Lebensmittel produzieren zu können. Außerdem fordert er das Ende des Verbots gentechnisch veränderter Lebensmittel innerhalb der EU. Anders als Verbraucherschutzverbände, die Gentechnik als Risikotechnologie bewerten, ist Collier davon überzeugt, dass diese Technik – ganz ohne Risiken – die Lebensmittelproduktion steigern und die Folgen des Klimawandels ausgleichen kann. Der Klimawandel, so vermutet Collier, wird vor allem in Afrika den Anbau von Grundnahrungsmitteln noch mehr gefährden. Das bedeutet noch mehr Hunger.
Zu Hunger und Armut forscht der Brite schon lange. In seinem viel beachteten Buch "Die unterste Milliarde" von 2008 hatte er bereits den radikalen Umbau der Entwicklungshilfe und neue Entwicklungsstrategien gefordert. Solche Strategien entwirft er auch in seinem neuen Buch: Nämlich wie arme Länder ihre Bodenschätze effektiv nutzen können. Die Natur: Für Collier kann sie zum Rettungsring werden - falls die Regierungen auch wirklich verstehen, die Natur richtig zu nutzen, er schreibt:
Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist für mich inzwischen zum wichtigsten Aspekt im Kampf um die wirtschaftliche Transformation der ärmsten Gesellschaften geworden. Die Einkünfte, die sie aus natürlichen Ressourcen erzielen könnten, sind gewaltig und stellen jede potenzielle Entwicklungshilfe weit in den Schatten.
Doch die Realität ist bislang eine andere: Die Ressourcen bringen keine Entwicklung. In Ländern wie Nigeria mit seinem Ölreichtum oder Sierra Leone mit seinen Diamanten ist das Einkommen der Menschen sogar gesunken. Daran schuld sind, so Collier, korrupte Politiker, eine schlechte Regierungsführung und eine ineffektive Investitionspolitik. Ein, so scheint es, unlösbares Problem. Eines, dem sich Paul Collier stellt. Schritt für Schritt entwickelt er – detailreich und unterfüttert mit Statistiken – eine Handlungsanweisung, um Rohstoffreichtum in langfristigen Wohlstand umzumünzen. Dieser Handlungskatalog beginnt mit der intensiven Erkundung der Ressourcen. Collier vermutet, dass bislang schätzungsweise erst ein Viertel der Ressourcen in Afrika bekannt ist. Dann zeigt er detailliert, wie die Einnahmen sinnvoll gespart, aber auch investiert werden sollten und wie Investitionen effektiv sein können. Entscheidend für das Gelingen ist für ihn auch die Transparenz in der Rohstoffwirtschaft. So dürften internationale Förderfirmen nicht länger als Komplizen korrupter Regierungen agieren, mahnt der Ökonom - und setzt auf die neue kollektive Macht der Bürger via Internet. Denn sie könnten weltweit ihre Regierungen unter Druck setzen; sie könnten Beschwerdestellen einfordern, Anti-Korruptionsregeln und die Anerkennung der Rechte nachfolgender Generationen. Paul Collier:
Das Zeitalter des billigen Überflusses der Natur ist vorbei. Nun müssen wir gemeinsame Regeln für ein Zeitalter aufstellen, in dem die Natur wertvoll ist. Die Frage ist nicht, ob die Bürger Chinas und anderer Länder die Macht haben werden, ihre Regierungen zu disziplinieren; die Bürgermacht wird unaufhaltsam sein. Wenn Menschen eine gemeinsame Verantwortung für die Bewahrung der Natur akzeptieren, müssen Regierungen sie umsetzen.
Doch die unaufhaltsame Bürgermacht ist noch in weiter Ferne. In Entwicklungsländern braucht es für gut informierte Bürger ein gutes Bildungssystem und dafür eine fähige Regierung. Und nicht überall auf der Welt ist Bürgermacht gewollt: Regime drohen Umweltaktivisten mit Gefängnis und längst instrumentalisieren sie das Internet für ihre eigenen Zwecke.
Zudem wünscht sich Collier nur den einen Typ informierten Bürger. Nämlich den, der für die Kommerzialisierung und für die Gentechnik in der Landwirtschaft eintritt. Alles andere hält er für kollektive Irrungen. Das klingt arrogant und gefährlich, denn die wiederholten Skandale in der kommerzialisierten Landwirtschaft zeigen, dass Skepsis hier durchaus angebracht ist. Paul Collier liefert auf nur knapp 250 Seiten viele Impulse und Ideen. Und er provoziert. Etwa dazu, die eigene Haltung zu überdenken – und sie sich beim Lesen nochmals neu zu erstreiten. Denn auch wenn Collier davon ausgeht, dass Menschen vom Typus Romantiker zu grüner Behaglichkeit neigen: Brauchen wird er sie doch, um seine beschworene kollektive Bürgermacht zu stärken. "Der hungrige Planet": ein lesenswertes Buch.
Für Romantiker und Realisten: Das jüngste Buch von Paul Collier. Es heißt: "Der hungrige Planet – Wie wir unseren Wohlstand retten". Erschienen ist es bei Siedler mit 272 Seiten. Zu kaufen ist es ab heute für 22,99 Euro, ISBN: 978-3-88680-941-7.