Freitag, 29. März 2024

Archiv


Natürlicher Partner im Kampf gegen Versandung

2006 ist das Jahr der Wüstenbekämpfung. Fruchtbare Landstriche sollen davor bewahrt werden, auszutrocknen und zu versanden. Im Süden Marokkos wurde ein natürlicher Partner im Kampf gegen die Wüstenbildung lange missachtet: der Arganbaum. Mit seinen 30 Meter langen Wurzeln und seiner schattenspendenden Krone kann er das Vordringen der Sahara aufhalten.

Von Martina Sabra | 24.04.2006
    Mit einfachstem Steinwerkzeug spalten die Frauen Nuss für Nuss, lösen die Arganmandeln aus, rösten und pressen sie und kneten aus dem Teig das Öl heraus. Insgesamt drei Tage braucht eine Arbeiterin in der Argan-Kooperative in Tiout, um ganz ohne Maschinen einen Liter reines Arganöl herzustellen: eine zeitraubende, anstrengende Arbeit. Doch die Berber Südmarokkos schwören auf die heilende Wirkung des kaltgepressten Öls: sie nutzen Argan seit Generationen gegen Narbenbildung, Entzündungen und als Stärkungsmittel.

    Über 100 Argan-Kooperativen sind in Südwestmarokko in den letzten Jahren entstanden, unterstützt von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, der Europäischen Union und anderen Organisationen. Mittlerweile ist das schmackhafte Arganöl auch in unseren Breiten bekannt. Im Jahr 2001 erhielt die Kooperative in Tiout den Preis der Feinschmeckerorganisation Slow Food. 2004 veröffentlichte der Münchner Arzt und Ernährungsexperte Peter Schleicher ein populärwissenschaftliches Buch über Argan. Mit verantwortlich für diesen Erfolg ist eine marokkanische Wissenschaftlerin. Zubida Charrouf isolierte Anfang der 90er Jahre die Wirkstoffe des Arganöls:

    "Arganöl enthält Saponine. Das sind Wirkstoffe, die man zum Beispiel auch in Ginseng findet, und die gegen schwere Beine helfen. Was die Ernährung betrifft, so enthält Arganöl einen sehr hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren und Antioxidative. Es senkt damit den Cholesterinspiegel und schützt die Zellen. Zusätzlich haben wir Spinasterol und Schottenol gefunden. Das sind zwei Substanzen, die dem Brust- und Prostatakrebs vorbeugen."

    Für Zubida Charrouf, Professorin für Chemie an der Uni Rabat, ist Argan mehr als eine Wissenschaft. Die engagierte 50-Jährige ist überzeugt, dass das marokkanische Kulturgut Argan nur vor dem Aussterben zu retten ist, wenn die Menschen vor Ort in der Erhaltung der Bäume einen Nutzen sehen. Mit finanzieller Unterstützung aus Belgien und Monaco hat Charrouf deshalb die so genannten Targanine-Kooperativen ins Leben gerufen. Hier erhalten Frauen und Mädchen die Möglichkeit, ihr traditionelles Handwerk zu professionalisieren, eigenes Geld zu verdienen und sich fortzubilden.

    Khadija, 20 Jahre, lernt nach der Arbeit Lesen und besucht Vorträge über ihre Rechte in Ehe und Familie:

    "Früher habe ich ab und zu als Tagelöhnerin bei der Ernte geholfen. Aber meine Eltern haben es nicht gern, wenn ich außerhalb des Dorfes arbeite, und die Bezahlung war auch sehr schlecht. Jetzt kann ich Geld für meine Aussteuer zur Seite legen. Ich habe schon Bettwäsche gekauft, und Schmuck und ich will mir auch einige Schafe zulegen - als Sicherheit, falls ich einmal krank werde und nicht arbeiten kann."

    80 Euro pro Monat verdient Khadija in der Kooperative. Das ist die Hälfte des marokkanischen Mindestlohns, doch mehr ist nicht drin, obwohl der gesamte Gewinn hier den Produzentinnen zugute kommt. 80 Euro Monatslohn bedeuten auch: Die Kooperative kann das Arganöl nicht noch billiger verkaufen. In Europa ansässige Hersteller sind aber dabei, industriell gepresstes Arganöl zu günstigeren Preisen auf den Markt zu bringen als die Kooperativen in Marokko. Die Targanine-Gruppe hat deshalb jetzt in Agadir eine eigene Vermarktungsgesellschaft gegründet. Ziel sei, die Produkte in den fairen Handel zu bringen, erklärt die Geschäftsführerin Khaddouj Errais:

    "Das ist unsere einzige Chance. Wir erfüllen alle Voraussetzungen, denn die Frauen, die das Öl produzieren, sind direkt mit mindestens 50 Prozent am Gewinn beteiligt. Der Rest wird für die Ausbildung, Verarbeitung und Vermarktung genutzt. Damit entsprechen wir den Anforderungen für fairen Handel."

    Noch lohnt es sich für Khadija und die anderen Arganöl-Kooperativen in Südmarokko, mit ihren bescheidenen Mitteln zum Umweltschutz beizutragen. Ob das so bleibt, darüber entscheiden auch die Verbraucher in Europa.