Archiv


Natur pur

Vor allem das Wort von der "Koexistenz" erregt derzeit die Gemüter. Dieses Nebeneinander von gentechnisch veränderten Organismen und konventioneller oder ökologischer Landwirtschaft ist eines der Hauptbegriffe des neuen Gentechnikgesetzes. Doch ob dies auch wirklich funktionieren kann, dass sehen viele Bauern eher skeptisch. Denn Koexistenz heißt eben, dass ein Nebeneinander möglich ist – und da liefern andere Länder bislang keine guten Aussichten. Auf dem Kongress des Agrarbündnisses in Berlin wurde sogar von Panik bei den Ökobauern gesprochen – eine Panik, die längst dazu geführt hat, dass republikweit gentechnikfreie Zonen entstehen. Ein Beispiel dafür ist die Region Uckermark-Barnim in Brandenburg. Stefan Palme ist dort Geschäftsführer eines Hofes:

Von Dieter Nürnberger |
    Panik deswegen, weil wir herausgefunden hatten, dass Biobetriebe in Kanada durch die Gentechnik massive Probleme bekommen haben – hinsichtlich der Vermarktung. Weil es vor allem bei Raps- und Maiskulturen zu erheblichen Verunreinigungen kam. Dadurch hatten sie Schwierigkeiten, ihre Ware noch als Bioprodukte abzusetzen. Einige Betriebe mussten deswegen sogar dichtmachen. Wir hatten deswegen richtig Existenzangst – das führt zu dem Willen, diese Situation zu ändern.

    Und so haben inzwischen 40 Betriebe vor Ort eine freiwillige Selbstverpflichtung unterzeichnet. "Nein" zur Nutzung der Grünen Gentechnik - Ein Nebeneinander von Ökolandbau und Gentechnik soll es hier am Besten erst gar nicht geben – und wenn, dann mit klaren Vorschriften, beispielsweise mindestens 800 Metern Abstand zwischen den Kulturen. Der Bundesumweltminister unterstützt solche Initiativen – Jürgen Trittin spricht von verantwortungsbewussten Landwirten:

    Wir haben mehr als 30 gentechnikfreie Regionen, mit mehr als 280.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Und das Interessante daran ist: Mehr als die Hälfte dieser gentechnikfreien Regionen liegt nicht in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen, sondern in Bayern! Wir machen auch hier wieder die Erfahrung, dass die Landwirte ökologisch bewusster sind als die bayerische Staatsregierung. Diese wird hier eines Besseren belehrt.

    Durch das am vergangenen Freitag im Bundestag verabschiedete Gentechnikgesetz soll Koexistenz gewährleistet werden. Und es bestand Handlungsbedarf, denn nach dem Aufheben des de-facto-Moratoriums in Europa preschten einzelne Bundesländer mit ersten Anbauversuchen bereits vor. Maria Walch steht der gentechnikfreien Zone im Chiemgau vor:

    Dann haben wir jetzt die Freisetzungsversuche im Freistaat Bayern auf fünf Standorten. Und es gibt eine Geheimhaltung für weitere Standorte. Das hat zu einer unheimlichen Verunsicherung geführt, weil keiner weiß, ob jetzt nicht schon in der unmittelbaren Nachbarschaft solches Saatgut ausgebracht wurde. Und dieses Hin –und Her in der Politik – zwischen München, Berlin und Brüssel – das ist für uns nicht mehr nachvollziehbar.

    Mit der nun beschlossenen Gesetzes-Neuregelung und dem damit verbundenen öffentlichen Bundesregister soll diese Verunsicherung, so das Bundeslandwirtschaftsministerium, beigelegt werden. Künftig soll grundstücksgenau über den Anbau der Grünen Gentechnik informiert werden. Als fortschrittsfeindlich, wie von ihren Kritikern dargestellt, sehen sich die Verfechter der gentechnikfreien Zonen ohnehin nicht. So hofft beispielsweise Anneliese Schmeh aus der Bodensee-Region auf ein positives Image der gentechnikfreien Zonen – ein Engagement, welches ausgebaut werden soll:

    Wir möchten eine intakte Region erhalten. Und es zählen nicht nur Arbeitsplätze im Tourismus, sondern auch in der Landwirtschaft. Man könnte sich als landwirtschaftliche Betriebe auch ergänzen. Wir arbeiten daran, einen wirtschaftlichen Kreislauf aufzubauen.

    Ein wirtschaftlicher Kreislauf – vom gentechnikfreien Saatgut und Futtermittel bis hin zum gentechnikfreien Produkt. Am Ende der Tagung in der Hauptstadt wird eine Berliner Erklärung stehen. Tenor: Der Schutz jener, die gentechnikfrei leben wollen, müsse gewährleistet sein. Und Koexistenz dürfe nichts anderes heißen als ein faires und sicheres Nebeneinander in der Landwirtschaft.