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Natura 2000

Natura 2000 heißt ein Projekt der EU zum Arten- und Naturschutz, das Anfang der 90er-Jahre gestartet wurde. Mithilfe dieses Projektes soll europaweit ein Netz von Naturschutzgebieten geschaffen werden, in denen seltene Tier- und Pflanzenarten eine Heimat finden können. Deutschland hatte sich damit lange Zeit schwergetan.

Von Tonia Koch | 03.02.2010
    Die Muschelkalkhänge bei Bebelsheim und Gersheim und die Himsklamm gehören zu 36 saarländischen Natura-2000-Gebieten, für die das zuständige Umweltministerium bereits einen Verordnungsentwurf vorgelegt hat. Und dieser sorgt für Unmut bei Landwirt Dieter Becker. Denn ein gutes Drittel seines 400 Hektar umfassenden Gründlandbetriebes liegen in den drei ausgewiesenen Natura-2000- Gebieten.

    Seit 1970 bewirtschaftet Becker den Grenzlandhof, extensiv und biologisch. Er züchtet Islandponys und Angus-Rinder. Aber der Landwirt fürchtet nun, dass die Weideplätze für seine Tiere knapp werden könnten.

    "Wir würden unsere großen extensiven Standweiden verlieren, wenn der Entwurf so umgesetzt wird, wie er daliegt. Das heißt, diese sehr hochwertigen Flächen dürften nach dieser Verordnung zum großen Teil nur noch gemäht werden, aber nicht mehr beweidet werden beziehungsweise nur noch mit Ziegen oder Rindern beweidet werden, unsere Pferde dürften da nicht mehr hin."

    Dieter Becker sieht seinen Betrieb durch den Verordnungsentwurf in seiner Existenz gefährdet. Wenn das Weideverbot für seine Pferde tatsächlich greife, müsste er daraus sehr schnell Konsequenzen ziehen.

    "Wir müssten unseren Betrieb komplett neu strukturieren, verkleinern, deutlich intensivieren. Wir könnten die Biolandwirtschaft nicht mehr fortsetzen."

    Der Landwirt sieht nicht ein, warum er diese Einschränkungen hinnehmen soll. Schließlich, so Becker, habe er mit seinem Betrieb erst dafür gesorgt, dass sich die besagten Gebiete biologisch wertvoll entwickelt hätten. Und er schlussfolgert:

    "Also können wir gar nicht so viel verkehrt machen. In der Verordnung steht aber, dass wir fast alles verkehrt machen."

    Becker ist kein Einzelfall. Eine Reihe von Landwirten fühlt sich durch die strengen Regeln gegängelt. Der Vertrauensschutz sei ausgehebelt, moniert der saarländische Bauernverband. An vielen Stellen ginge die Rechtsverordnung über das von der EU geforderte Verschlechterungsverbot hinaus. In den schutzwürdigen Gebieten würde stärker in die bäuerliche Verantwortung eingegriffen als erforderlich. Statt einer Verordnung fordern die Bauern eine Art "Runder Tisch –Gespräche". Bewirtschaftungspläne sollten einvernehmlich erstellt werden, sagt Hans Lauer, Geschäftsführer des saarländischen Bauernverbandes.

    "Bei Management–Plänen ist eine Kooperation mit den Landwirten notwendig. Wir sind durchaus bereit, von Seiten der Landwirtschaft, im Vertragsnaturschutz zum Beispiel, höhere Ziele in Angriff zu nehmen. Aber nicht einseitig durch Verordnung, sondern Landwirt mit Naturschutz."

    Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Bayern beschreiten diesen Weg. Auch weil diese, wie die Bauern, der Auffassung sind, dass eine starre Verordnung den Status quo zementieren würde und nicht in der Lage sei, dynamische Prozesse der Natur auch abzubilden. Soweit es sich nicht um ausdrücklich ausgewiesene Vogelschutzgebiete handelt, verzichtet Bayern sogar auf eine Rechtsverordnung zum Schutz seiner Natura-2000-Gebiete. Es räumt freiwilligen Vereinbarungen Vorrang ein. Für das inzwischen mit Grünen-Politikern besetzte saarländische Umweltministerium ist dies jedoch keine Alternative. Klaus Borger Umweltstaatssekretär:

    "Dass die Landwirtschaft besonders sensibel auf solche Verordnungen reagiert, liegt in der Natur der Sache. Die Landwirte sind eben in einer wirtschaftlichen Lage, die sehr angespannt ist. Und deswegen kann im Moment jeder Landwirt, jeder Betroffene seine Einwände geltend machen. Wir im Hause prüfen die Einwände und versuchen eine Regelung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird, denn das Verschlechterungsgebot ist in der Tat das Maß der Dinge."

    Kleine Korrekturen zu ihren Gunsten werden die saarländischen Landwirte wohl erwarten können, vielmehr allerdings nicht.