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Naturkatastrophen: Ursachen, Vorzeichen, Folgen

Bei Naturkatastrophen denken wir derzeit automatisch an die Flutwelle und die Folgen in Südasien. Doch dieses verheerende Unglück hatten die Organisatoren der Naturschutztage nicht im Sinn, als sie schon vor Weihnachten an den Bodensee einluden, wo der NABU, der Naturschutzbund Deutschland gemeinsam mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz, kurz BUND, auf ihrem gemeinsamen Jahrestreffen die Naturkatastrophen zum Thema machen wollten. Was sind die Ursachen, die Anzeichen, die Folgen von Hochwasser, Bergrutschen oder Waldbränden? Diese Fragen waren der ursprüngliche Anlass der Veranstaltung.

Von Klaus Wittmann |
    Der Grund für die zunehmende Zahl von Naturkatastrophen, das sei vorweg genommen, wird von vielen Experten zweifelsfrei in der Klimaveränderung gesehen - und zwar in der von Menschen verursachten. Neben anderen Referenten machte dies Professor Peter Höppe in seinem Vortrag unmissverständlich deutlich. Er ist der Experte für Geo-Risiko-Forschung der Münchner Rück – der weltgrößten Rückversicherungsgesellschaft:
    Also, wir übertreiben nicht und wir untertreiben nicht, wir haben die Zahlen. Wir haben die Schadenszahlen aus den Naturkatastrophen, wir sehen ganz klar, dass wir in den letzten zehn Jahren drei Mal so viele große wetterbedingte Naturkatastrophen hatten wie in den 60-er Jahren zum Beispiel. Wir haben sogar 14 Mal so hohe versicherte Schäden. Also wir sehen ganz klar diesen Trend, dass hier in der Atmosphäre Dinge sich verändern, die auch zu vermehrten Katastrophen führen.
    Doch noch bevor der Risiko-Experte über Möglichkeiten des Klimawandels, über zwingende Notwendigkeiten einer möglichst schnellen Schadstoffreduzierung referierte, äußerte er sich ausführlich zum Brennpunktthema Tsunamis, das natürlich auch diese Tagung ganz erheblich beschäftigte. Aus wirtschaftlicher Sicht wartete Höppe mit einer Überraschung auf:
    Wir rechnen damit, dass die Belastungen für die Rückversicherungen nicht sehr hoch sein werden. Sie werden sich im zweistelligen Millionenbereich bewegen. Sehr viel teurer für uns waren die wetterbedingten Schäden im letzten Jahr durch die Hurrikans in Florida, durch die Taifune in Japan. Das waren Schäden, die viele Milliarden gekostet haben.
    Das menschliche Leid freilich sei unermesslich und frage nicht danach, ob es durch ein Erdbeben ausgelöst wurde oder durch eine von Menschen verursachte Klimakatastrophe. Dass die mit einem Mal so gefürchteten Tsunamis kein Phänomen des asiatischen Raumes sind, machte der Diplom-Meteorologe an einigen Beispielen deutlich:
    Es gab Anfang des 20. Jahrhunderts ein Erdbeben in Sizilien und eine große Flutwelle, die über Messina herein brach, mit mehreren zehntausend Toten. Es gab gerade im letzten Jahr einen kleinen Tsunami, eine kleine Welle, ungefähr ein-, eineinhalb Meter, die auf Mallorca zugelaufen ist und dort auch Schäden verursacht hat. Auslöser war ein Erdbeben in Algerien. Auch im Bereich Griechenland, Kreta, ist so was denkbar.
    Es war schließlich Professor Mojib Latif, der renommierte Klimaexperte des Leibnitzinsituts für Meereswissenschaften an der Uni Kiel, der einen Zusammenhang zwischen möglichen Tsunamis und durch den Klimawandel herbeigeführte Naturkatastrophen herstellte:
    Es ist möglich, dass bestimmte Gashydratvorkommen auftauen. Also die Gashydratvorkommen, das sind gefrorene Gase, kommen unter anderem auch an Kontinentalabhängen vor. Wenn es dort zu massiven Erdrutschen kommt, in Folge des Auftauens dieser Gashydrate, kann unter anderem eben auch so etwas wie ein Tsunami ausgelöst werden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Hangrutschungen in der Nähe der kanarischen Inseln passieren können und auch diese könnten dann einen Tsunami auslösen.
    Auch wenn der verheerende Tsunami von Südasien nicht durch die Klimaveränderung ausgelöst wurde, so ist nach Überzeugung der Experten und Tagungsteilnehmer - der seit 30 Jahren veranstalteten Naturschutztage am Bodensee - dringend ein Umsteuern angezeigt.
    Und es könnte durchaus noch etwas bewegen, meint Professor Latif:
    Eine Umkehr ist möglich. Wir können die Klimaerwärmung zwar nicht mehr ganz aufhalten, aber wir können sie auf einem Maß halten, bei eineinhalb Grad etwa bis zum Jahr 2100, das die gröbsten Veränderungen noch verhindern würde.
    Stefan Rösler, der Landesvorsitzende des NABU Baden-Württemberg, zeigte an einem einfachen Beispiel auf, wie man erkennen kann, dass sich vieles schon verändert hat:
    Wir haben seit vielen Jahren bereits Veränderungen zu verzeichnen. Es gibt Zugvögel, die haben ihren Heimzug aus den Überwinterungsgebieten nach Mitteleuropa bis zu zehn, elf Tage vorverlegt. Die Mehlschwalben oder der Haussperling sind früher da als früher. Die Vogelwelt zeigt, es verändert sich etwas Gravierendes und für den Menschen ist es eigentlich eine Chance, diese Bio-Indikationen als Frühwarnsystem zu betrachten.