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Naturschutz in Bulgarien

Die Staaten der Europäischen Union haben sich in dem so genannten Natura-2000-Programm verpflichtet, eine bestimmte Fläche des Landes als Schutzgebiete auszuweisen, um den Artenschwund aufzuhalten. Auch die neuen EU-Mitgliedstaaten sind hier gefordert, zum Beispiel Bulgarien, wo ursprünglich 20 Prozent der Landesfläche als schützenswerte Gebiete ausgewiesen werden sollten. Doch wie auch in anderen Staaten trifft diese Natura-2000-Liste nicht überall auf Gegenliebe.

Von Simone Boecker |
    Sliven, eine Kleinstadt im Osten Bulgariens, nahe der Schwarzmeerküste. Jordanka Dineva von der bulgarischen Umweltorganisation Biodiversity Foundation zeigt auf eine Landkarte: Rote und grüne Zonen sind dort eingetragen. Wenig grün ist zu sehen, rot überwiegt. Die roten Gebiete sind diejenigen, die die Regierung von der Natura-2000-Liste ausgenommen hat. Vorläufig - die Gebiete werden bis zum Herbst nochmals geprüft.

    "Nur der Nationalpark Stara Planina und Rila sind übrig geblieben. Allerdings ohne ihre Pufferzonen, weil es dort Interessen von Skiorten gibt. In den Gebieten an den Grenzen zum Süden und Westen gibt es viele Wälder. Die sind aber interessant für die Holzindustrie, deswegen wurden auch diese Gebiete von der Liste gestrichen."

    Jordanka und ihre Kollegen von anderen Umweltorganisationen fahren durchs Land und versuchen, die Menschen über die Ziele von Natura 2000 zu informieren. Aber das Interesse ist mäßig. Sneschna Tomova hat ihre Schulklasse mitgebracht. Sie ist empört, wie einseitig das Thema der Bevölkerung präsentiert wurde.

    "Leider wurde nur wenig in den Medien berichtet. Und wenn, dann wurde nur über die Probleme mit Natura 2000 geredet. Es wurde nichts über die Hintergründe und Ziele erklärt. Wenn ich mit Kollegen und Bekannten rede, herrscht bei ihnen der Glaube, dass Natura 2000 die Wirtschaftsentwicklung stoppt. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie nichts wissen über die Sache. "

    Bislang waren die Bauinvestoren tonangebend in der öffentlichen Debatte. Es handelt sich vor allem um Tourismusprojekte - Skiressorts, weitere Hotelkomplexe an der Schwarzmeerküste und auch im Landesinneren sollen gebaut werden. Allein über 40 Golfplätze sind für dieses Jahr geplant. Die Bautätigkeit boomt derzeit in Bulgarien, und nicht immer legal.

    "Wir haben so ein Beispiel im Nationalpark Pirin. Dort gibt es ein Skiressort im Nationalpark, der sogar als UNESCO-Welterbe anerkannt ist. Sie durften dort Pisten von 30 Meter Breite bauen. Jetzt gibt es dort allerdings viel mehr Pisten, sie sind breiter als 100 Meter und befinden sich im Nationalpark und nicht daneben, wie es ursprünglich bewilligt war. "

    Konsequenzen für diese Gesetzesverstöße müssen die Bauherren nicht fürchten. Derzeit baut ein Investor ungehindert eine Hotelanlage mitten im Strandja-Nationalpark. Er fordert nun vor Gericht, den Status des Nationalparks aufzuheben, weil er seine wirtschaftliche Tätigkeit behindert sieht. Das Gericht will den Antrag nun prüfen.

    "Das ist nur möglich in einem Land, in dem Korruption die Hauptspielregel für die Regierung darstellt. Die ganze Bautätigkeit dient in Bulgarien der Geldwäsche - die neuen Hotelkomplexe, die überall entstehen, sind eine sehr geeignete Methode, um Geld zu waschen. Besonders betroffen sind die Schwarzmeerküste und die Skiorte in den hohen Bergen. Dort ist die größte Gefahr, dass wir bald kein freies Plätzchen mehr finden, sondern nur noch Beton. "

    Andrej Kovatchev von der Balkani Wildlife Association ist davon überzeugt, dass es den meisten Investoren nicht um Tourismus geht. Der Tourismus ist in Bulgarien die größte Hoffnung auf einen ökonomischen Aufschwung. Doch es gibt kein Konzept, keine Strategie und zu wenig Knowhow, um den Tourismus tatsächlich nachhaltig zu entwickeln. Das beklagen auch Fachleute wie der Nationale Hotelmanagementverband. Sie hoffen nun auf klare Signale aus Brüssel, ebenso wie Umweltorganisationen und Balkani Wildlife.

    "Bulgarien befindet sich momentan in einer sehr entscheidenden Phase. Die Zerstörung der Natur geht so schnell von statten, dass wir in vielen Regionen unsere Natur verlieren werden, wenn in den nächsten Monaten nichts passiert. Wir kommen in die EU mit einem der größten Naturschätze an Artenvielfalt in Europa. Doch es wird bald sehr anders hier aussehen. "