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Naturschutz in Deutschland und seine nationalsozialistischen Fundamente

Wenn Sie wie ich, in einem so großen Bundesland wie Nordrhein-Westfalen Abteilungsleiter Naturschutz sind, und aus der 68er Generation kommen, dann macht es Sie schon nachdenklich, dass sowohl das Rechtsinstrumentarium, aber auch der Verwaltungsaufbau, methodische Planungselemente, alle in einer Zeit, eben nicht in Weimar, oder nicht im Kaiserreich, auch nicht nach 1945, sondern genau in der Zeit geschaffen worden sind, in der wir in Deutschland unter einem totalitären Regime zu leiden hatten oder indem wir es gestützt haben.

von: Ulrich Kurzer |
    Wenn Sie wie ich, in einem so großen Bundesland wie Nordrhein-Westfalen Abteilungsleiter Naturschutz sind, und aus der 68er Generation kommen, dann macht es Sie schon nachdenklich, dass sowohl das Rechtsinstrumentarium, aber auch der Verwaltungsaufbau, methodische Planungselemente, alle in einer Zeit, eben nicht in Weimar, oder nicht im Kaiserreich, auch nicht nach 1945, sondern genau in der Zeit geschaffen worden sind, in der wir in Deutschland unter einem totalitären Regime zu leiden hatten oder indem wir es gestützt haben.

    Thomas Neiss aus dem Düsseldorfer Umweltministerium meint damit, dass wesentliche Grundlagen des deutschen Naturschutzrechts bereits von den Nazis im Reichsnaturschutzgesetz von 1935 geschaffen worden sind. Tatsächlich erweiterte dieses Gesetz die Handlungsfelder der Naturschützer erheblich. Ganze Landschaftsteile konnten nun unter Schutz gestellt werden; deren Grundeigentümer hatten den Eingriff hinzunehmen, und bei der Einrichtung von Naturschutzgebieten war in Paragraph 18 sogar die Enteignung von Grundflächen vorgesehen. Bei wesentlichen Veränderungen der freien Landschaft sollten die Naturschutzbehörden beteiligt werden. - So zumindest in der Theorie.

    Der Historiker Karl Ditt vom Westfälischen Institut für Regionalgeschichte in Münster:

    Demgegenüber muss man aber betonen, dass die faktische Lage des Naturschutzes sich im Dritten Reich nur sehr begrenzt verbesserte. Auf der einen Seite wurden zwar eine Menge an sogenannten Naturdenkmälern unter Schutz gestellt, es wurden auch zahlreiche Naturschutzgebiete geschaffen, auf der anderen Seite aber gab es zahlreiche Baumaßnahmen, etwa vom Reichsarbeitsdienst, im Zuge der anlaufenden Konjunktur. Es wurde die Landwirtschaft erweitert, es gab zahlreiche Maßnahmen, die die Natur zurückdrängten. Die Landschaft wurde verbaut, im Bereich des Waldwesens wurde die Holznutzung deutlich erhöht, zugunsten von Rüstungszwecken. Das sind faktische Prozesse gewesen, die die Natur zurückgedrängt haben.

    Die Initiative für ein Reichsnaturschutzgesetz war Anfang 1935 vom Justizministerium ausgegangen. Der bis dahin ressortmäßig zuständige Innenminister Wilhelm Frick erhob Einwände und die Angelegenheit drohte im Sand zu verlaufen. Nun wurde Hermann Göring aktiv und zog das Gesetzgebungsverfahren in einem Handstreich an sich. Göring war nicht nur Preußischer Ministerpräsident, sondern zugleich Reichsforst- und jägermeister. Seine Jagdleidenschaft ist hinlänglich bekannt. Und in dieser allein begründete sich sein besonderes Interesse am Reichsnaturschutzgesetz und den darin vorgesehenen Bestimmungen zur Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten: Göring ging es um die Jagd. Er wollte ohne weiteren Verzug seine Jagdgründe unter Naturschutz stellen, und konnte es kaum erwarten, von "deutschen Volksgenossen” ungestört, im "deutschen Wald” dem "deutschen Wild” nachzustellen.

    In der Geschichtswissenschaft ist dieses Kapitel nationalsozialistischer Politik erst seit wenigen Jahren Gegenstand gezielter Forschung. Und in der Öffentlichkeit ist bisher wenig über die Instrumentalisierung der Natur für die Ziele des NS-Regimes oder über führende Personen im Naturschutz nach 1933 bekannt. Welche Rolle spielten etwa die Vogelschützerin Lina Hähnle, der "Reichslandschaftsanwalt” Alwin Seifert, oder Reichsbauernführer Richard Walther Darré? Antworten gibt ein von den Bielefelder Historikern Joachim Radkau und Frank Uekötter herausgegebenes Buch, das unter dem Titel "Naturschutz und Nationalsozialismus” zum Ende des Jahres erscheint.