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Naturschutz vs. Naturnutzung

Die einen wollen die Natur nutzen, die anderen wollen die Natur schützen und diese gegensätzlichen Interessen führen oft zu Kontroversen. Welche Strategien gibt es, um diese Konflikte zu lösen? Mit dieser Frage haben sich Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern auf einer Tagung am Umweltforschungszentrum Leipzig beschäftigt.

Von Christian Forberg |
    Fischotter, Kormoran und Kegelrobbe waren vor Jahren noch im Bestand gefährdet, wurden geschützt und haben sich gut entwickelt. Zu gut, klagen vielerorts Fischer, Teichwirte und Angler: Zu groß seien inzwischen die Verluste an Fischen geworden. Die Interessen von Naturschützern und Naturnutzern sind unterschiedlich, aber: Muss es zu Konflikten kommen? Wie können sie vermieden werden? Rund 100 Experten aus 20 Ländern beraten darüber seit Mittwoch am Umweltforschungszentrum, kurz UFZ, in Leipzig. Vor ihnen liegen die Daten, die über drei Jahre hinweg in sieben Modellregionen Europas gesammelt wurden.

    Im Oberlausitzer Teichland zum Beispiel. Hier hat sich in den letzten 20 Jahren der Fischotter-Bestand auf 600 Tiere verdoppelt, ohne dass es zu Konflikten kam. Der Grund: Sachsen hat rechtzeitig gut bezahlte Schutzprogramme verabschiedet, sagt Irene Ring vom UFZ:

    "Die Teichwirte bekommen eine Art Ausgleichszahlung im Voraus - das sind zur Zeit 103 Euro je Hektar - dafür, dass sie mehr Karpfen in die Teiche geben, als sie es normalerweise tun würden, und dieser Extrakarpfen dient dem Otter als Nahrung. "

    Ebenso bezahlt werden Schutzzäune um Zuchtteiche oder die Anlage von Gewässern mit kleineren Fischen wie Barschen, denn die sind es eigentlich, die die Fischotter mögen. Hinzu können Ausgleichszahlungen kommen, wenn der Schaden über 1000 Euro beträgt, und wenn noch Gelder vorhanden sind. Auch in anderen Bundesländern oder Österreich gibt es Ausgleichszahlungen bei Schäden durch Fischotter. Die portugiesischen Fischer im Mündungsgebiet des Sado jedoch gehen leer aus. Die Folge: Man tötet die geschützten Tiere auf eigene Faust. Gravierender als beim Fischotter sind die Probleme beim Kormoran. Die Population ist europaweit auf eine halbe Million Tiere angewachsen, schätzt man am Umweltforschungszentrum. Zudem, so Klaus Henle vom UFZ:

    "Ein großer Unterschied ist, dass der Kormoran viel beweglicher ist. Das heißt: Probleme können nicht nur lokal betrachtet werden. Der Kormoran brütet schwerpunktmäßig an der Küste von Dänemark und der Niederlande und geht dann zur Überwinterung in viele andere europäische Länder. "

    Nach Italien zum Beispiel ins südliche Po-Delta, wo die Abschussquote von 50 auf 200 Kormorane pro Jahr erhöht wurde. Nicht allein das: Der Staat hat Schutzprogramme und einen Fonds für Ausgleichszahlungen aufgelegt. Was damit vor Ort geschieht, wird durch die beteiligten Parteien über die regionale Jagdkammer koordiniert.

    In Norddeutschland suchte man im vergangenen Sommer eine Lösung in Massenabschüssen von Kormoranen. Allerdings würden sehr schnell neue Vögel nachrücken, meint Reinhard Klenke vom UFZ. Er plädiert dafür, bereits die Eier mit Wachs oder Öl zu besprühen:

    "Dadurch können die Embryonen nicht mehr atmen und ersticken dann. Langfristig ist das eine preisgünstige und effektive Maßnahme. Aber nur immer in Kombination mit genauen Berechnungen, wie viel muss ich machen, und der Kontrolle. Wenn man das nicht macht und wenn man das nicht überregional abgestimmt macht, dann ist die Gefahr sehr sehr groß, dass es wieder zu einem Zusammenbruch der Populationen kommt. "

    Zwar gab es den Entwurf für ein europaweites Kormoran-Management, aber zu unterschiedliche Interessen der Länder und der beteiligten Gruppen verhinderten sein Inkrafttreten. Was auch für Sachsen schade sei, so Klenke. Beim Fischotter funktioniere das Umwelt-Management:

    "Beim Kormoran hat uns die Entwicklung ein bisschen überholt. Dort sind diese Reaktionen sehr spät erst erfolgt, und demzufolge sind die Konflikte auch gewachsen. "

    Was man auch als Mahnung für den dritten Fischfresser betrachten kann: Noch bereitet die Kegelrobbe allein skandinavischen Fischern Probleme. Doch spätestens in einem Jahrzehnt wird sie auch an der deutschen Ostseeküste jagen. Da wäre es gut, sagen die Leipziger Forscher, würde man sich mit den schwedischen Strategien beschäftigen. Rechtzeitig, bevor die Kegelrobben da sind.