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Nazi-Kritik an Merkel
Deutsche Politiker empört über Erdogan

Die Bundesregierung hat auf die Nazi-Vorwürfe des türkischen Präsidenten gegen Bundeskanzlerin Merkel zurückhaltend reagiert. Andere Politiker wurden dagegen deutlich. So warnte der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Weber, Erdogan vor einer weiteren Eskalation.

20.03.2017
    Der türkische Präsident Erdogan winkt seinen Anhängern in Istanbul zu.
    Der türkische Präsident Erdogan warf Bundeskanzlerin Merkel persönlich Nazi-Methoden sowie Unterstützung des Terrors vor. (AP / Yasin Bulbu l/ Presidential Press Service)
    Der Stolz einer Nation könne nicht durch das Beleidigen anderer verteidigt werden, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Mit dieser aggressiven Politik schade Erdogan vor allem seinem eigenen Land. Europa stehe in der Auseinandersetzung mit der Türkei zusammen und werde sich nicht provozieren lassen. Erdogans "Attacken" würden jedoch "mit jedem Tag bizarrer", kritisierte Weber.
    Erdogan hatte Bundeskanzlerin Merkel im Zusammenhang mit verhinderten Wahlkampfauftritten seiner Minister in Deutschland erstmals persönlich Nazi-Methoden vorgeworfen. Anfang des Monats hatte er diesen Vorwurf bereits pauschal den deutschen Behörden und auch gegen die Niederlande erhoben.
    Gabriel: Deutschland ist "tolerant, aber nicht blöd"
    Auch beim neuen SPD-Parteivorsitzenden Schulz stießen die jüngsten Äußerungen des türkischen Präsidenten auf Empörung. Schulz bezeichnete es gestern Abend im ARD-Fernsehen als "Frechheit", dass ein Staatsoberhaupt die Regierungschefin eines befreundeten Landes in dieser Form beleidige. Erdogan trete alle Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie mit Füßen. Außenminister Gabriel (SPD) bezeichnete die Verbal-Attacken gegen Kanzlerin Merkel als "absurd". Er sagte der "Passauer Neuen Presse", die Bundesregierung sei "tolerant, aber nicht blöd". Er habe seinem türkischen Kollegen deutlich gemacht, dass hier eine Grenze überschritten worden sei.
    Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Amtes des Deutschen Bundestags, Röttgen (CDU), mahnte "klare" Worte in Richtung Türkei an. Er drohte mit einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen, sollte die Türkei das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem einführen. Die Türken sollten vor dem Referendum zu diesem Thema wissen, dass sie auch über das Verhältnis ihres Landes zur EU abstimmten. Er betonte im ARD-Fernsehen zugleich, Ankara sei mit Blick auf die Krisen im Nahen Osten ein wichtiger Partner.
    Diskussion um Auftrittsverbote
    Die CDU-Vizevorsitzende Klöckner fragte: "Ist Herr Erdogan noch ganz bei Sinnen?" Und sie ergänzte, Erdogan brauche ein Blockseminar in Geschichte, Anstand und Völkerverständigung. Klöckner verlangte, die EU-Heranführungshilfen in Milliardenhöhe für den Beitrittskandidaten Türkei zu streichen. Zudem sprach sie sich dafür aus, Erdogan seinen politischen Wahlkampf für das Verfassungsreferendum in Deutschland zu verbieten, so wie die Niederlande es getan hätten.
    Davor warnte jedoch die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europäischen Parlament, Keller. Solche Verbote in Deutschland zu diskutieren, sei eine "Scheindebatte". Vielmehr müsse die Opposition in der Türkei gestärkt werden.
    Das forderte auch der FDP-Politiker und ehemalige Bundesinnenminister Baum. Und er warnte ebenfalls vor Verboten für türkische Politiker. "Ich möchte diese Leute hier nicht sehen, aber meine Vernunft ist stärker", sagte er im ARD-Fernsehen. Deutschland sei ein freies Land. "Wir ertragen doch sowas."
    Ankara empört über BND-Äußerungen zum Putschversuch
    Unterdessen wies der türkische Verteidigungsminister Isik die vom Bundesnachrichtendienst geäußerten Zweifel an den Hintergründen des Putschversuches zurück. Wenn BND-Chef Kahl anzweifle, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch stecke, werfe das die Frage auf, "ob nicht der deutsche Geheimdienst hinter diesem Putsch steckt", sagte Isik dem Sender Kanal 7 gestern. Ein Sprecher Erdogans wertete Kahls Äußerungen im Magazin "Der Spiegel" als weiteren Hinweis darauf, dass Deutschland die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Gülen "unterstützt".
    Kahl hatte erklärt, es sei der Türkei bisher nicht gelungen, den BND von der Verantwortung Gülens zu überzeugen. Weiter sagte er, der Putsch sei nicht Auslöser, sondern "willkommener Vorwand" für die Massenentlassungen der vergangenen Monate gewesen.
    (kis/am)