Heute stellen wir Ihnen die neueste Einspielung des Blockflötisten Maurice Steger vor, die jetzt unter dem Titel "Una Follia di Napoli anno 1725" bei Harmonia Mundi erschien und Konzerte und Sinfonien von sieben italienischen Komponisten präsentiert, deren Wirken mit Neapel in Verbindung steht.
Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.
"Domenico Sarro
aus: Concerto 11 a-Moll
4. Spirituoso
Maurice Steger, Ensemble"
In den Archiven von Neapel liegt noch eine Unmenge an unveröffentlichten Handschriften und Drucken vor allem von Vokal- aber auch Instrumentalmusik, die nur auf eine Wiederbelebung wartet. Der musikalische Reichtum der Stadt war im Barock nahezu unermesslich, und neben der Kirchenmusik gab es drei Theater für die Oper und insgesamt vier Konservatorien, die für den Nachwuchs sorgten. Von Neapel aus etablierte sich dann der Stil der "neapolitanischen Schule der Musik" in ganz Europa. Zu der Zeit war die süditalienische Metropole ein attraktives Ziel für Gelehrte, Schriftsteller, Künstler, Sänger und Musiker und einen besonderen Höhepunkt markierte dabei das "Heilige Jahr", das 1725 von Papst Benedikt dem XIII. aus der Familie der Orsini ausgerufen wurde.
Maurice Steger hat seinem neuen Programm Musik aus diesem Jahr zugrunde gelegt, in dem auch die wichtigste Sammelhandschrift für die Blockflöten-Literatur erschien. Das Manuskript stammt aus der Bibliothek des Konservatoriums San Pietro a Majella und ist benannt als: "Ventiquattro concerti di Flauto, Violini, Violetta e Basso, di Diversi Autori”. Es handelt sich hier also um Originalkompositionen für die Blockflöte mit Stücken, die darin mal als "Concerto", mal als "Sonata" betitelt wurden. Am stärksten vertreten ist hier Francesco Mancini, gefolgt von Alessandro Scarlatti, jeweils ein Werk steuerten Francesco Barbella, Giovanni Battista Mele, Domenico Sarro, – von dem zu Anfang ein Satz erklang –, und Robert Valentine hinzu. Dies sind alles Namen, die eher nur Spezialisten ein Begriff sind, aber deren Entdeckung nun eine Offenbarung ist.
"Francesco Barbella
aus: Concerto 3 in C-Dur
3. Satz: Adagio
Maurice Steger, Ensemble"
Es sind nicht zuletzt solche Kantilenen-artigen langsamen Sätze, wie hier das Adagio aus dem C-Dur Concerto von Francesco Barbella, die Maurice Steger an diesen neapolitanischen Kompositionen gereizt haben. In diesen Belcanto-artigen Stücken ist die Gefühlswelt zu spüren, die die Musik zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Neapel bestimmt hat, und das war in erster Linie die Oper. Auf der anderen Seite spielte auch die Kunst der Improvisation in der Instrumentalmusik noch eine große Rolle. Und so werden kleine dramatische Szenen auf durchschnittlich elf Minuten begrenzt, mit immer wieder überraschenden Wendungen, zum einen "bodenständig volkstümlich", so Steger, zum anderen "fast ätherisch" und dann wieder zupackend mit italienischem Temperament. Dabei hat sich Steger ein kongeniales Ensemble mit einem üppigen Continuo zusammengestellt, das mit ihm gemeinsam die ästhetischen Vorstellungen nahezu mühelos umzusetzen in der Lage ist, es spielen mit: Fiorenza de Donatis, Andrea Rognoni und Anaïs Chen – Violine, Stefano Marcocchi – Viola, Mauro Valli – Violoncello, Vanni Moretto – Kontrabass, Brigitte Gasser – Violetta, Viola da gamba und Lirone, Naoki Kitaya – Cembalo und Orgel, Daniele Caminiti – Theorbe, Barock-Gitarre und Erzlaute sowie Margit Übellacker – Psalterium.
Maurice Steger ist ein moderner Virtuose im besten Sinne des Wortes, wobei in erster Linie nicht die Kunststückchen im Vordergrund stehen, die nur er auf dem Instrument zu vollziehen vermag, sondern die musikalische Aussage des jeweiligen Stückes, Virtuosität ist bei ihm nie Selbstzweck. Wenn er natürlich auch durchaus seinen Preis kennt, so ist er doch bei allen Erfolgen immer erfrischend uneitel und ernsthaft geblieben und er verleugnet auch nicht einen gewissen Perfektionismus. Niemand würde nach einem seiner Konzerte sein Instrument noch etwa mit kindlicher Früherziehung assoziieren, er hat wesentlich mit dazu bei zu tragen, der Blockflöte wieder zu ihrem rechtmäßigen Platz nicht nur in der Barockmusik zu verhelfen. Dass Steger aber in allen Stilen zu Hause ist, davon zeugt nicht zuletzt auch sein großes Engagement für die Neue Musik.
Wie immer, hat Steger auch bei diesem Projekt Wert auf geschmackvolle Arrangements gelegt, wobei es sich aber zumeist um Original-Besetzungen handelte. Eine Ausnahme ist das G-Dur Concerto von Leonardo Leo, der zunächst unter Sarro Vizekapellmeister und schließlich, wenn auch nur kurz, Kapellmeister an der Königlichen Kapelle in Neapel war. Sein Konzert war ursprünglich für die Traversflöte konzipiert und steht schon ganz im Stil des Hochbarocks.
"Leonardo Leo
aus: Concerto G-Dur
3. Satz: Allegro
Maurice Steger, Ensemble "
Dass es im Neapel zu Beginn des 18. Jahrhunderts überhaupt Kompositionen für die Blockflöte gab, ist letztlich einem deutschen Komponisten zu verdanken, der auch schon Friedrich den II. von Preußen für diese Musik begeistern konnte. Wie viele andere Musiker hatte es auch den gefeierten Johann Joachim Quantz (1725) nach Neapel gezogen, nicht zuletzt in der Hoffnung, wie Händel und Hasse zuvor, dort dem renommiertesten Opernkomponisten Alessandro Scarlatti zu begegnen. Er blieb vom Januar bis zum März und es gelang ihm noch ein Treffen mit Scarlatti. Scarlatti selbst mochte keine Blasinstrumente, da er sie für unsicher in der Intonation hielt, das hatte er Hasse gestanden. Doch Quantz konnte ihn mit seiner Kunst vom Gegenteil überzeugen und so schrieb Scarlatti auch noch ein paar, Quantz gewidmete, Sonaten, bis er im Oktober des gleichen Jahres verstarb. Und das inspirierte wohl auch die nächste Generation neapolitanischer Komponisten wie Sarro, Mancini, Leo, Vinci und Porpora, ebenfalls Stücke für die Flöte zu schaffen, ein solches Repertoire hatte es so gut wie gar nicht zuvor gegeben. Obligate Bläser waren nur in der Vokalmusik vorgesehen. Dabei unterschied man die Blockflöte (flauto) und die Traversflöte (flauto traverso), deren Repertoire man untereinander eigentlich nicht austauschte. Die erste Sammlung für die Blockflöte war 1724 in London von dem Neapolitaner Francesco Mancini herausgebracht worden, der unter Scarlatti Vizekapellmeister der Königlichen Kapelle von Neapel war.
Hören Sie zum Abschluss noch einen Ausschnitt aus der Improvisation über das bekannte Thema der "Follia di Spagna", (der "spanischen Verrücktheit") von Alessandro Scarlatti, um die sich die anderen Sonaten und Concerti auf dieser CD gruppieren. Hier werden alle Möglichkeiten der Instrumente ausgereizt, es sind alle Stilmittel enthalten, die die süditalienische Musik der damaligen Zeit ausmachten, ein Feuerwerk an Einfällen zu einem der einfachsten Variationsmodelle.
"Scarlatti
Improvisation über die Partita "Follia di Spagna”
Maurice Steger, Ensemble"
Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die neueste Produktion des Blockflötisten Maurice Steger vor, die jetzt unter dem Titel "Una Follia di Napoli" bei Harmonia Mundi als CD erschien und in einer ‚Luxus-Edition' auch mit einem informativen und gut gemachten Film von Joël Cormier und Diego Saldiva erhältlich ist.
Una Follia di Napoli anno 1725
Concerti & Sinfonie per flauto
Maurice Steger, Flauto dolce / Recorder
Flûte à bec & Direction
Harmonia Mundi LC 7045
HMC 902135 (CD und DVD)
Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.
"Domenico Sarro
aus: Concerto 11 a-Moll
4. Spirituoso
Maurice Steger, Ensemble"
In den Archiven von Neapel liegt noch eine Unmenge an unveröffentlichten Handschriften und Drucken vor allem von Vokal- aber auch Instrumentalmusik, die nur auf eine Wiederbelebung wartet. Der musikalische Reichtum der Stadt war im Barock nahezu unermesslich, und neben der Kirchenmusik gab es drei Theater für die Oper und insgesamt vier Konservatorien, die für den Nachwuchs sorgten. Von Neapel aus etablierte sich dann der Stil der "neapolitanischen Schule der Musik" in ganz Europa. Zu der Zeit war die süditalienische Metropole ein attraktives Ziel für Gelehrte, Schriftsteller, Künstler, Sänger und Musiker und einen besonderen Höhepunkt markierte dabei das "Heilige Jahr", das 1725 von Papst Benedikt dem XIII. aus der Familie der Orsini ausgerufen wurde.
Maurice Steger hat seinem neuen Programm Musik aus diesem Jahr zugrunde gelegt, in dem auch die wichtigste Sammelhandschrift für die Blockflöten-Literatur erschien. Das Manuskript stammt aus der Bibliothek des Konservatoriums San Pietro a Majella und ist benannt als: "Ventiquattro concerti di Flauto, Violini, Violetta e Basso, di Diversi Autori”. Es handelt sich hier also um Originalkompositionen für die Blockflöte mit Stücken, die darin mal als "Concerto", mal als "Sonata" betitelt wurden. Am stärksten vertreten ist hier Francesco Mancini, gefolgt von Alessandro Scarlatti, jeweils ein Werk steuerten Francesco Barbella, Giovanni Battista Mele, Domenico Sarro, – von dem zu Anfang ein Satz erklang –, und Robert Valentine hinzu. Dies sind alles Namen, die eher nur Spezialisten ein Begriff sind, aber deren Entdeckung nun eine Offenbarung ist.
"Francesco Barbella
aus: Concerto 3 in C-Dur
3. Satz: Adagio
Maurice Steger, Ensemble"
Es sind nicht zuletzt solche Kantilenen-artigen langsamen Sätze, wie hier das Adagio aus dem C-Dur Concerto von Francesco Barbella, die Maurice Steger an diesen neapolitanischen Kompositionen gereizt haben. In diesen Belcanto-artigen Stücken ist die Gefühlswelt zu spüren, die die Musik zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Neapel bestimmt hat, und das war in erster Linie die Oper. Auf der anderen Seite spielte auch die Kunst der Improvisation in der Instrumentalmusik noch eine große Rolle. Und so werden kleine dramatische Szenen auf durchschnittlich elf Minuten begrenzt, mit immer wieder überraschenden Wendungen, zum einen "bodenständig volkstümlich", so Steger, zum anderen "fast ätherisch" und dann wieder zupackend mit italienischem Temperament. Dabei hat sich Steger ein kongeniales Ensemble mit einem üppigen Continuo zusammengestellt, das mit ihm gemeinsam die ästhetischen Vorstellungen nahezu mühelos umzusetzen in der Lage ist, es spielen mit: Fiorenza de Donatis, Andrea Rognoni und Anaïs Chen – Violine, Stefano Marcocchi – Viola, Mauro Valli – Violoncello, Vanni Moretto – Kontrabass, Brigitte Gasser – Violetta, Viola da gamba und Lirone, Naoki Kitaya – Cembalo und Orgel, Daniele Caminiti – Theorbe, Barock-Gitarre und Erzlaute sowie Margit Übellacker – Psalterium.
Maurice Steger ist ein moderner Virtuose im besten Sinne des Wortes, wobei in erster Linie nicht die Kunststückchen im Vordergrund stehen, die nur er auf dem Instrument zu vollziehen vermag, sondern die musikalische Aussage des jeweiligen Stückes, Virtuosität ist bei ihm nie Selbstzweck. Wenn er natürlich auch durchaus seinen Preis kennt, so ist er doch bei allen Erfolgen immer erfrischend uneitel und ernsthaft geblieben und er verleugnet auch nicht einen gewissen Perfektionismus. Niemand würde nach einem seiner Konzerte sein Instrument noch etwa mit kindlicher Früherziehung assoziieren, er hat wesentlich mit dazu bei zu tragen, der Blockflöte wieder zu ihrem rechtmäßigen Platz nicht nur in der Barockmusik zu verhelfen. Dass Steger aber in allen Stilen zu Hause ist, davon zeugt nicht zuletzt auch sein großes Engagement für die Neue Musik.
Wie immer, hat Steger auch bei diesem Projekt Wert auf geschmackvolle Arrangements gelegt, wobei es sich aber zumeist um Original-Besetzungen handelte. Eine Ausnahme ist das G-Dur Concerto von Leonardo Leo, der zunächst unter Sarro Vizekapellmeister und schließlich, wenn auch nur kurz, Kapellmeister an der Königlichen Kapelle in Neapel war. Sein Konzert war ursprünglich für die Traversflöte konzipiert und steht schon ganz im Stil des Hochbarocks.
"Leonardo Leo
aus: Concerto G-Dur
3. Satz: Allegro
Maurice Steger, Ensemble "
Dass es im Neapel zu Beginn des 18. Jahrhunderts überhaupt Kompositionen für die Blockflöte gab, ist letztlich einem deutschen Komponisten zu verdanken, der auch schon Friedrich den II. von Preußen für diese Musik begeistern konnte. Wie viele andere Musiker hatte es auch den gefeierten Johann Joachim Quantz (1725) nach Neapel gezogen, nicht zuletzt in der Hoffnung, wie Händel und Hasse zuvor, dort dem renommiertesten Opernkomponisten Alessandro Scarlatti zu begegnen. Er blieb vom Januar bis zum März und es gelang ihm noch ein Treffen mit Scarlatti. Scarlatti selbst mochte keine Blasinstrumente, da er sie für unsicher in der Intonation hielt, das hatte er Hasse gestanden. Doch Quantz konnte ihn mit seiner Kunst vom Gegenteil überzeugen und so schrieb Scarlatti auch noch ein paar, Quantz gewidmete, Sonaten, bis er im Oktober des gleichen Jahres verstarb. Und das inspirierte wohl auch die nächste Generation neapolitanischer Komponisten wie Sarro, Mancini, Leo, Vinci und Porpora, ebenfalls Stücke für die Flöte zu schaffen, ein solches Repertoire hatte es so gut wie gar nicht zuvor gegeben. Obligate Bläser waren nur in der Vokalmusik vorgesehen. Dabei unterschied man die Blockflöte (flauto) und die Traversflöte (flauto traverso), deren Repertoire man untereinander eigentlich nicht austauschte. Die erste Sammlung für die Blockflöte war 1724 in London von dem Neapolitaner Francesco Mancini herausgebracht worden, der unter Scarlatti Vizekapellmeister der Königlichen Kapelle von Neapel war.
Hören Sie zum Abschluss noch einen Ausschnitt aus der Improvisation über das bekannte Thema der "Follia di Spagna", (der "spanischen Verrücktheit") von Alessandro Scarlatti, um die sich die anderen Sonaten und Concerti auf dieser CD gruppieren. Hier werden alle Möglichkeiten der Instrumente ausgereizt, es sind alle Stilmittel enthalten, die die süditalienische Musik der damaligen Zeit ausmachten, ein Feuerwerk an Einfällen zu einem der einfachsten Variationsmodelle.
"Scarlatti
Improvisation über die Partita "Follia di Spagna”
Maurice Steger, Ensemble"
Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die neueste Produktion des Blockflötisten Maurice Steger vor, die jetzt unter dem Titel "Una Follia di Napoli" bei Harmonia Mundi als CD erschien und in einer ‚Luxus-Edition' auch mit einem informativen und gut gemachten Film von Joël Cormier und Diego Saldiva erhältlich ist.
Una Follia di Napoli anno 1725
Concerti & Sinfonie per flauto
Maurice Steger, Flauto dolce / Recorder
Flûte à bec & Direction
Harmonia Mundi LC 7045
HMC 902135 (CD und DVD)