" Silvia, bringst du die Teller aussi? Silvia! Luca! "
Silvia ist 15, Luca 20 Jahre alt. Mit ihrer Mutter sprechen sie deutsch, mit ihrem Vater italienisch.
" Ja genau. Und wenn wir zusammen sitzen, dann meistens italienisch, weil -keine Ahnung- weil es normaler kommt. Weil wir es so gewohnt sind. "
Eine sprachliche Vorliebe hat Luca nicht.
" Es ist ganz gleich. In Deutsch zum Beispiel mach ich beim Schreiben mehr Fehler, in Italienisch weniger. Aber vielleicht in Deutsch kann ich, hab ich das bessere Sprachgefühl. Es hängt ab von den ganzen Aspekten, es ist nicht so einfach. "
Nicht immer einfach ist auch der Kontakt zwischen den Sprachgruppen. Das "System Südtirol" ist zwar ein Erfolgsmodell für die friedliche Lösung ethnischer Konflikte, aber es setzt auf Trennung. Mit 14 Jahren muss man sich erstmals zuordnen. Wobei jedem freigestellt ist, welcher Sprachgruppe er sich zuordnet. Es geht nicht um Abstammung, sondern um das individuelle Zugehörigkeitsgefühl.
"Ich hab mich für Deutsch entschieden."
Lucas brauen schießen in die Höhe. Das Thema nervt ihn. Er will sich nicht als "deutsch" oder "italienisch" bezeichnen müssen.
"Das ist ein Zettel Papier, das hat absolut keinen Wert. Es ist einfach etwas hinschreiben, ein Kreuz machen, es ist total hirnrissig und wenn es nicht wegen dem Proporz wäre, würde ich's gar nicht machen."
Der "Proporz" ist eine ausgeklügelte Methode, nach der öffentliche Stellen vergeben werden. Auf den Ämtern, der Post, in der Schule oder im Krankenhaus. Jeder Sprachgruppe steht eine genau festgelegte Anzahl an Arbeitsplätzen zu. Eine gerechte Sache im Allgemeinen. Im konkreten Fall kann dieses starre System aber auch als sehr ungerecht empfunden werden. Wenn nämlich die Sprachgruppenzugehörigkeit wichtiger ist als die Qualifikation.
Nach den italienischen Nudeln bringt Franco de Giorgi typisch Südtiroler Schüttel-Brot, Käse und Aufschnitt aus der Küche.
" Das Helle ist Südtiroler Speck und das Dunkle Prosciutto Crudo. "
Multikulti beim Abendbrot. Was bei Magdalena Thaler und Franco de Giorgi funktioniert, ist im öffentlichen Leben Südtirols kaum denkbar. Fast jeder Verein hat eine deutschsprachige und eine italienischsprachige Sektion. Wer sprachgruppenübergreifend tätig werden will, stößt auf bürokratische Schwierigkeiten. Doris Plankl, Vizepräsidentin eines Kulturvereins in Bozen:
"Es spielt dann auch sehr viel die Politik mit rein, die die Trennungsgeschichte unterstützt und nicht so die Gemeinschaftsprojekte. Die gemischtsprachigen Kommissionen sozusagen funktionieren nicht so gut, die arbeiten nicht so effizient, dann passiert es, dass es sich verschleppt, das weniger Gelder dafür zur Verfügung stehen, das sind alles Hemmschwellen, man versucht dann diesen offiziellen gemeinsamen Rahmen zu vermeiden."
Die Wunden sind vielleicht noch zu frisch. Oder mit Wohlstand verpflastert, was die Heilung aber nicht fördert.
"Ich erleb das so, dass es auf einer emotionalen Ebene einfach nicht aufgearbeitet ist. Obwohl einerseits muss man dann auch sagen, im wirtschaftlichen Bereich funktioniert die Zusammenarbeit fantastisch, dort wo Vorteile daraus gezogen werden, also wirtschaftliche Vorteile."