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Neckermann-Betriebsrat bringt Gegenkonzept

"Neckermann" – das klingt immer noch ein bisschen nach Tradition und Wirtschaftswunder. Für die Gewerkschaft ver.di klingt der Name aktuell jedoch nach "sozialer Katastrophe". Denn Neckermann plant einen radikalen Stellenabbau.

Von Brigitte Scholtes |
    Als vergangenen Freitag bekannt wurde, dass der Versandhändler Neckermann das Geschäft neu ausrichten wolle und dazu insgesamt 1380 von insgesamt 2500 Vollzeitstellen gestrichen werden, da war der Schock groß, erzählt Thomas Schmidt, Betriebsrat von Neckermann und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender:

    "Es gab Tränen, Wut, Enttäuschung und auch ganz viel Sprachlosigkeit: Das können die doch mit uns nicht machen nach all diesen Jahren. Viele von uns sind langjährig beschäftigt.’ Um nur ein Beispiel zu nennen: In der Logistik sind über 180 Kollegen über 55 Jahre alt, davon die meisten Frauen, davon die meisten ungelernt. Das heißt, deren Möglichkeit, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sind eigentlich gegen Null, da steht Hartz IV ins Haus."

    Für den Betriebsrat ist klar:

    "Wir geben Neckermann nicht auf, weil wir an das Unternehmen glauben und meinen, da gibt’s eine Chance."

    Betroffen wäre vor allem der Logistikstandort Frankfurt mit dem Textilbereich. Dessen Aufgabe halten die Betriebsräte nicht für sinnvoll. Das Textilgeschäft will die Geschäftsführung einstellen, weil sich hier der Umsatz in den letzten fünf Jahren mehr als halbiert habe. Stattdessen soll die Sparte Möbel, Haus- und Heimtextilien ausgebaut werden. Die sei im ersten Quartal um 41 Prozent gewachsen.

    Nicht schrumpfen, sondern neu ausrichten, meinen hingegen die Arbeitnehmer. Neckermann setzte 2010 gut 870 Millionen Euro um. Damit ist das Traditionsunternehmen viertgrößter Versandhändler in Deutschland nach Amazon, Otto und Weltbild. Im Onlinehandel seien die größten Zuwachsraten im Textilhandel zu erwarten, bestätigt auch der wirtschaftliche Berater des Betriebsrats, Günter Stolz. Deshalb solle Neckermann diese zukunftsträchtige Sparte nicht aufgeben. Schließlich wollten ja auch viele stationäre Textilhändler ein Online-Angebot aufbauen, in dem sie aber ohne Hilfe nicht eine adäquate Größe erreichen könnten. Er schlägt also vor:

    "Da könnte Neckermann ein Angebot machen hinsichtlich der Logistik-Kapazitäten, aber auch hinsichtlich weiterer Schritte in Kundenservice und Ähnlichem. Und man könnte durch eine entsprechende Kooperation sehr viel an Auslastung und auch an weiteren Auslastungspotenzialen gewinnen. Das könnte sogar soweit gehen, dass man sogar in der Sortimentsgestaltung möglicherweise kooperieren könnte."

    Die Geschäftsführung von Neckermann sagte am Nachmittag zu, dieses Konzept zu prüfen – für dessen Ausarbeitung benötigt der Betriebsrat jedoch noch etwa sechs Wochen Zeit.

    Der amerikanische Investor Sun Capital, der vor vier Jahren das Frankfurter Traditionsunternehmen von Arcandor übernommen hatte, sieht also noch Zukunftsperspektiven. Das macht dem Betriebsrat Hoffnung. Thomas Schmidt:

    "Es gibt ein paar vernünftige Aussichten, und wir hoffen, dass Sun mit uns diesen Schritt geht."

    Den Plan der Geschäftsführung, ganz auf den Online-Handel umzustellen und den dicken Katalog abzuschaffen, heißen die Arbeitnehmer soweit gut. Man solle auf kleinere gedruckte Kataloge als Kaufanreiz nicht verzichten.