"Korruption, nach der landläufigsten Definition, ist das Ausnutzen einer öffentlichen Amtsmacht zum privaten Vorteil","
sagt der Bielefelder Soziologe Peter Graeff. - Korruption umfasst dabei ein breites Spektrum von Verstößen gegen gesellschaftliche Normen, ergänzt der Völkerkundler Gerhard Anders von der Universität Zürich:
""Üblicherweise werden eine ganze Reihe von Straftatbeständen in unterschiedlichen Gesetzgebungen, sei es der deutschen, aber auch in anderen, eine ganze Reihe von Straftatbeständen werden meist unter dem Begriff Korruption subsumiert. Das heißt, Korruption ist also eher ein politischer Begriff, manchmal vielleicht auch ein moralischer und auch vielleicht ein rechtlicher, aber nicht in dem Sinne rechtlich, dass man jetzt eine strafrechtliche Bestimmung hat. Man wird was finden über Bestechung, man wird was finden über Diebstahl, man wird vielleicht was finden über Unterschlagung, man wird vielleicht was finden über Missbrauch des öffentlichen Amtes in Verwaltungsvorschriften von Ämtern und dies alles wird normalerweise unter dem Begriff Korruption subsumiert."
Eines aber haben all' diese Verstöße gemeinsam: Sie finden im Verborgenen statt. -
Über Korruption in Geschichte und Gegenwart ging es Ende letzter Woche auf einer von Historikern ausgerichteten Tagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld. Eingeladen waren Kolleginnen und Kollegen verschiedener sozialwissenschaftlicher Fachrichtungen,
"die ihre je eigenen Ansätze und Betrachtungsweisen einbringen, und wo man dann versucht, sich im Dialog darüber klar zu werden, welche Ansätze sind für welche Fragestellungen fruchtbar, und wo insbesondere wir zu lernen versuchen von den systematischen Zugangsweisen der Sozialwissenschaften."
So der Bielefelder Historiker Niels Grüne aus dem Kreis der Veranstalter über die Vorteile des fächerübergreifenden Dialogs. Anders als in den Sozialwissenschaften gibt es in der Geschichtswissenschaft bisher erst wenige Untersuchungen über Korruption und korruptes Verhalten, sagt er:
"dass sich Historiker, zumindest bis vor kurzem, relativ wenig mit dem Phänomen der Korruption in der Geschichte befasst haben, hängt mit der, heute muss man sagen, irrigen Vorstellung zusammen, dass es bis zu einem gewissen Zeitpunkt Korruption gar nicht geben konnte, weil die politischen Systembedingungen, aber auch die Wertvorstellungen noch nicht so weit entwickelt waren, dass überhaupt unter den Zeitgenossen ein Gefühl dafür entstehen konnte, dass bestimmte Handlungen als korrupt zu verwerfen sind."
Korruption existiert nicht erst seit dem 19. oder 20. Jahrhundert, als moderne Staaten mit einer modernen Bürokratie oder Verwaltung entstanden, bestätigt auch der Freiburger Historiker Jens Ivo Engels. Er sagt, korruptes Verhalten und Begünstigungspraktiken,
"(die) hat es in der einen oder anderen Form sicherlich in allen Gesellschaften gegeben. Was sich verändert, ist die Art, die Form der Bewertung. Und die Begrifflichkeiten verändern sich natürlich auch, selbstverständlich, das Wortfeld umfasst in der frühen Neuzeit sehr viel stärker sündhaftes Verhalten und allgemeine moralische, moralisches Fehlverhalten, während es sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend zuspitzt auf Phänomene der Bestechung und Bestechlichkeit."
In den modernen Staaten der Gegenwart finden sich deshalb auch heute immer noch frühe Formen korrupten Verhaltens, ergänzt die Historikerin Simona Slanicka. Auch sie hat die Tagung vorbereitet:
"Nun ist es selbstverständlich so, das in der Bundesrepublik Deutschland im ganzen 20. Jahrhundert Praktiken zu beobachten sind, wie wir sie auch aus dem Mittelalter oder der Vormoderne kennen, das bedeutet, es gibt Netzwerke, es gibt Patronage, um in bestimmte Ämter zu kommen, es geschieht, dass durch diese Patronage vielleicht auch unfähige Leute, (oder, das heißt unfähige Leute, die) aus Freundschaftsbeziehungen eben in solche Ämter kommen, es gibt Tauschhandel von Gefälligkeiten, womit eine Verflechtung von problematischen Loyalitäten geschaffen wird."
Diese Erscheinungen werden in der sozialwissenschaftlichen Korruptionsforschung anhand eines Modells untersucht, in dem die Akteure und ihre Praktiken im Mittelpunkt stehen, erläutert der Historiker Niels Grüne:
"Dieses Grundmodell von Korruption läuft heutzutage ganz überwiegend unter dem Etikett "Prinzipal-Agent-Klient". (Und das will sagen:) Prinzipal ist sozusagen die Instanz, die bestimmte Verhaltensnormen definiert, sei es nun für Manager oder für Beamte, der Agent ist derjenige, der im Auftrag des Prinzipals handelt, der eigentlich an Normen gebunden ist, aber in der Interaktion mit einem Klienten, wem auch immer, einer Privatperson, gegen diese Normen verstößt. Dieses dreigliedrige Modell ist ein Modell, dass sich durchaus bewährt hat in der Forschung und das wir jetzt auch im Rahmen einer historischen Korruptionsforschung rezipiert haben, und versuchen anzuwenden in historischen Kontexten."
Auch der Bielefelder Soziologe Peter Graeff arbeitet mit dem "Prinzipal-Agent-Klient"-Modell. Denn damit können, so erklärt er, besonders gut die Beziehungen der korrupten Partner untersucht werden:
"Wir haben mit dem "Prinzipal-Agent-Klient"-Modell ein Rahmenmodell, das sowohl formale wie soziale Aspekte erfassen kann, und wir müssen uns bei Korruption immer klarmachen, dass die Handlungsträger der Korruption gegen formale Regeln handeln, das heißt, wir brauchen eine Erklärung dafür, warum sie sicher sein können, dass sie sich auf den anderen in der Korruption verlassen können, zumindest in der modernen Gesellschaft."
Anders als bei der Erpressung ziehen die Beteiligten hier beide einen Vorteil aus ihrem Verhalten. So bekommt etwa der Mitarbeiter einer Baubehörde, im Modell der Agent, von seinem Klienten, vielleicht einem privaten Bauherren, Schmiergeld dafür, dass er über dessen Bauvorhaben wohlwollend und zügig entscheidet. Der Mitarbeiter der Baubehörde in seiner Rolle als Agent hat also, sagt Peter Graeff;
"Die Amtsmacht von seinem Vorgesetzten, von seiner Institution gegeben bekommen und die kann er zu seinem privaten Vorteil nutzen und einen Vorteil seinem Klienten, eben dem Bürger, verschaffen. Beide haben dadurch einen Vorteil, beide sind, halten über diese, über diesen korrupten Deal still, und damit kommt die Korruption auch nicht nach außen. Das ist eine sehr stabile soziale Beziehung, die da existiert, weil der Nutzen, den jeder aus der Korruption zieht, vom Stillschweigen des Anderen abhängt."
sagt der Bielefelder Soziologe Peter Graeff. - Korruption umfasst dabei ein breites Spektrum von Verstößen gegen gesellschaftliche Normen, ergänzt der Völkerkundler Gerhard Anders von der Universität Zürich:
""Üblicherweise werden eine ganze Reihe von Straftatbeständen in unterschiedlichen Gesetzgebungen, sei es der deutschen, aber auch in anderen, eine ganze Reihe von Straftatbeständen werden meist unter dem Begriff Korruption subsumiert. Das heißt, Korruption ist also eher ein politischer Begriff, manchmal vielleicht auch ein moralischer und auch vielleicht ein rechtlicher, aber nicht in dem Sinne rechtlich, dass man jetzt eine strafrechtliche Bestimmung hat. Man wird was finden über Bestechung, man wird was finden über Diebstahl, man wird vielleicht was finden über Unterschlagung, man wird vielleicht was finden über Missbrauch des öffentlichen Amtes in Verwaltungsvorschriften von Ämtern und dies alles wird normalerweise unter dem Begriff Korruption subsumiert."
Eines aber haben all' diese Verstöße gemeinsam: Sie finden im Verborgenen statt. -
Über Korruption in Geschichte und Gegenwart ging es Ende letzter Woche auf einer von Historikern ausgerichteten Tagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld. Eingeladen waren Kolleginnen und Kollegen verschiedener sozialwissenschaftlicher Fachrichtungen,
"die ihre je eigenen Ansätze und Betrachtungsweisen einbringen, und wo man dann versucht, sich im Dialog darüber klar zu werden, welche Ansätze sind für welche Fragestellungen fruchtbar, und wo insbesondere wir zu lernen versuchen von den systematischen Zugangsweisen der Sozialwissenschaften."
So der Bielefelder Historiker Niels Grüne aus dem Kreis der Veranstalter über die Vorteile des fächerübergreifenden Dialogs. Anders als in den Sozialwissenschaften gibt es in der Geschichtswissenschaft bisher erst wenige Untersuchungen über Korruption und korruptes Verhalten, sagt er:
"dass sich Historiker, zumindest bis vor kurzem, relativ wenig mit dem Phänomen der Korruption in der Geschichte befasst haben, hängt mit der, heute muss man sagen, irrigen Vorstellung zusammen, dass es bis zu einem gewissen Zeitpunkt Korruption gar nicht geben konnte, weil die politischen Systembedingungen, aber auch die Wertvorstellungen noch nicht so weit entwickelt waren, dass überhaupt unter den Zeitgenossen ein Gefühl dafür entstehen konnte, dass bestimmte Handlungen als korrupt zu verwerfen sind."
Korruption existiert nicht erst seit dem 19. oder 20. Jahrhundert, als moderne Staaten mit einer modernen Bürokratie oder Verwaltung entstanden, bestätigt auch der Freiburger Historiker Jens Ivo Engels. Er sagt, korruptes Verhalten und Begünstigungspraktiken,
"(die) hat es in der einen oder anderen Form sicherlich in allen Gesellschaften gegeben. Was sich verändert, ist die Art, die Form der Bewertung. Und die Begrifflichkeiten verändern sich natürlich auch, selbstverständlich, das Wortfeld umfasst in der frühen Neuzeit sehr viel stärker sündhaftes Verhalten und allgemeine moralische, moralisches Fehlverhalten, während es sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend zuspitzt auf Phänomene der Bestechung und Bestechlichkeit."
In den modernen Staaten der Gegenwart finden sich deshalb auch heute immer noch frühe Formen korrupten Verhaltens, ergänzt die Historikerin Simona Slanicka. Auch sie hat die Tagung vorbereitet:
"Nun ist es selbstverständlich so, das in der Bundesrepublik Deutschland im ganzen 20. Jahrhundert Praktiken zu beobachten sind, wie wir sie auch aus dem Mittelalter oder der Vormoderne kennen, das bedeutet, es gibt Netzwerke, es gibt Patronage, um in bestimmte Ämter zu kommen, es geschieht, dass durch diese Patronage vielleicht auch unfähige Leute, (oder, das heißt unfähige Leute, die) aus Freundschaftsbeziehungen eben in solche Ämter kommen, es gibt Tauschhandel von Gefälligkeiten, womit eine Verflechtung von problematischen Loyalitäten geschaffen wird."
Diese Erscheinungen werden in der sozialwissenschaftlichen Korruptionsforschung anhand eines Modells untersucht, in dem die Akteure und ihre Praktiken im Mittelpunkt stehen, erläutert der Historiker Niels Grüne:
"Dieses Grundmodell von Korruption läuft heutzutage ganz überwiegend unter dem Etikett "Prinzipal-Agent-Klient". (Und das will sagen:) Prinzipal ist sozusagen die Instanz, die bestimmte Verhaltensnormen definiert, sei es nun für Manager oder für Beamte, der Agent ist derjenige, der im Auftrag des Prinzipals handelt, der eigentlich an Normen gebunden ist, aber in der Interaktion mit einem Klienten, wem auch immer, einer Privatperson, gegen diese Normen verstößt. Dieses dreigliedrige Modell ist ein Modell, dass sich durchaus bewährt hat in der Forschung und das wir jetzt auch im Rahmen einer historischen Korruptionsforschung rezipiert haben, und versuchen anzuwenden in historischen Kontexten."
Auch der Bielefelder Soziologe Peter Graeff arbeitet mit dem "Prinzipal-Agent-Klient"-Modell. Denn damit können, so erklärt er, besonders gut die Beziehungen der korrupten Partner untersucht werden:
"Wir haben mit dem "Prinzipal-Agent-Klient"-Modell ein Rahmenmodell, das sowohl formale wie soziale Aspekte erfassen kann, und wir müssen uns bei Korruption immer klarmachen, dass die Handlungsträger der Korruption gegen formale Regeln handeln, das heißt, wir brauchen eine Erklärung dafür, warum sie sicher sein können, dass sie sich auf den anderen in der Korruption verlassen können, zumindest in der modernen Gesellschaft."
Anders als bei der Erpressung ziehen die Beteiligten hier beide einen Vorteil aus ihrem Verhalten. So bekommt etwa der Mitarbeiter einer Baubehörde, im Modell der Agent, von seinem Klienten, vielleicht einem privaten Bauherren, Schmiergeld dafür, dass er über dessen Bauvorhaben wohlwollend und zügig entscheidet. Der Mitarbeiter der Baubehörde in seiner Rolle als Agent hat also, sagt Peter Graeff;
"Die Amtsmacht von seinem Vorgesetzten, von seiner Institution gegeben bekommen und die kann er zu seinem privaten Vorteil nutzen und einen Vorteil seinem Klienten, eben dem Bürger, verschaffen. Beide haben dadurch einen Vorteil, beide sind, halten über diese, über diesen korrupten Deal still, und damit kommt die Korruption auch nicht nach außen. Das ist eine sehr stabile soziale Beziehung, die da existiert, weil der Nutzen, den jeder aus der Korruption zieht, vom Stillschweigen des Anderen abhängt."