Mafiabücher gibt es wie Sand am Meer. Staatsanwälte und Journalisten, Soziologen und Aussteiger – alle schildern Innenansichten der 'Ndrangheta, Cosa Nostra und Camorra. Einige Informationen sind brisant, andere belanglos. Viele Autoren garnieren ihre Bücher mit blutrünstigen Geschichten, der exhibitionistische Blick auf die fremde Welt der Clans erzeugt ein erregendes Schaudern – zumindest bei uns Deutschen, die beim netten Italiener um die Ecke eine Pizza Quattro Stagioni bestellen und sich überhaupt nicht vorstellen können, in einer Waschanlage für Drogengelder zu sitzen. Zu den neuen Büchern zählt auch "Von Kamen nach Corleone. Die Mafia in Deutschland" von der in Venedig lebenden deutschen Journalistin Petra Reski. Soll man es lesen? Ja, man soll, obwohl sie weitgehend bekanntes Material präsentiert. Wer sich die Mühe macht, findet vieles im Internet und in anderen Quellen. Aber natürlich macht sich niemand die Mühe. Außerdem – und das macht das Buch in Deutschland wichtig – sind bei uns auch allseits bekannte Informationen über die Mafia unbekannt. Wer weiß schon – schreibt Petra Reski – dass die 'Ndrangheta eine der wenigen Mafia-Organisationen ist, die außerhalb ihres eigentlichen Territoriums Niederlassungen gründen kann?
In Deutschland ist sie seit den sechziger Jahren zu Hause. In jenen Orten, in denen einst Gastarbeiter Arbeit fanden, als Stahlarbeiter bei Hoesch oder als Metallarbeiter bei Mercedes-Benz. Die klassischen Stützpunkte sind Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Städte wie Duisburg und Bochum, Oberhausen und Essen, niederrheinische Städte wie Kaarst und Xanten, Kevelaer und Neukirchen-Vluyn, Großstädte wie Stuttgart und München.
Die Mafia – so Reski – habe sich spätestens seit dem Mauerfall in Deutschland fest etabliert. Der Unterschied zwischen Neapel und Neukirchen-Vluyn sei allenfalls, dass in Deutschland die Geschäfte im Hintergrund ohne Gewalt ablaufen. Kein Terror, keine Toten – zumindest sehen wir sie nicht. Trotzdem verdient die Mafia viel Geld an Rhein und Ruhr, an Elbe und Donau. Diese Grundaussage zieht sich als Roter Faden durch Reskis Buch, das genau genommen die Geschichte eine Autofahrt ist: Mit ihrem Alfa Romeo Spider fährt sie von Kamen nach Corleone – eine Tour, die sie schon einmal als 20-Jährige gemacht hat. Damals allerdings mit einem eigenen Wagen, für ihr Buch "Von Kamen nach Corleone" hat sie sich den Flitzer von Fiat sponsern lassen. Unterwegs besucht sie Freunde und Staatsanwälte, Journalisten und Überläufer, plaudert mit ihnen, recherchiert und vermittelt so nach und nach ein Gesamtbild der Mafia in Deutschland. Und sie vermittelt manche Probleme von Staatsanwälten.
In Stuttgart gebe es verdächtige Italiener, die als Kaufleute in der Gesellschaft sehr hoch angesehen und aufgestiegen seien, sagt Oberstaatsanwalt Krombacher. Als Staatsanwalt müsse er aber Straftaten nachweisen. Wenn bei den Delikten jedoch das Niveau von Erpressung und Brandstiftung überstiegen werde, dann sei es für die Ermittler schwierig: Bei den Verdächtigen, die als italienische Kaufleute daherkommen, verhalte es sich allerdings so, dass sie keineswegs selbst mit Drogen handeln oder die Erpressungen machen. Sie nähmen nicht mal Falschgeld in die Hand und fallen deshalb auch kaum auf, weder bei der Bevölkerung noch bei der Polizei. Man habe größere Angst vor Einbrechern, als vor der Mafia. Ein krasses Missverhältnis sei das, bitte nehmt die Mafia ernst, fleht fast die Autorin auf 351 Seiten. Reski hat eine leicht lesbare Fleißarbeit abgeliefert mit vielen Namen und Daten, Zusammenhängen und Erlebnissen, immer wieder durchbrochen von sehr persönlich gefärbten Schilderungen.
Die Mafiareporterin trägt Puffärmel. Und Plateauschuhe, obwohl sie so groß ist, dass sie die Hälfte der hier im Gerichtssaal anwesenden Männer auch barfuß überragt. In ihrer Armbeuge hängt eine lila Handtasche, ihre Fingernägel sind schwarz lackiert, und als Armreifen trägt sie eine Hundekette in Plexiglas gegossen.
Manche Beschreibung hat durchaus Unterhaltungswert, manche hätte der Lektor streichen sollen – weniger ist mehr. Dem Gesamteindruck des Buches tut das aber keinen Abbruch. Es ist erstaunlich, mit welchem Elan die Öffentlichkeit Thilo Sarrazins Thesen diskutiert, während die zumindest vom Schadpotenzial sehr viel größere Gefahr "Mafia" nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn überhaupt, macht sie ohnehin nur mit Gewalt von sich reden. Etwa im August 2007, als in Duisburg sechs Angehörige eines Mafia-Clans von Killern, die eine andere Familie beauftragt hatte, vor der Pizzeria "Da Bruno" erschossen wurden.
Der Mord in Duisburg geschah an einem Tag, sagte Scarpinato. Was aber die Geldwäsche betrifft, so wirkt sie sich über Jahre aus. Aus dem Reichtum der Mafia wird wirtschaftliche Macht, und aus der wirtschaftlichen Macht wird politische Macht. Und die kann die Politik ganzer Länder beherrschen, wie es bereits in Afrika und Südamerika geschieht.
Mirko Smiljanic war das über Petra Reski: Von Kamen nach Corleone. Die Mafia in Deutschland. Erschienen bei Hoffmann und Campe, 352 Seiten kosten 20 Euro, ISBN: 978-3-455-50163-6.
In Deutschland ist sie seit den sechziger Jahren zu Hause. In jenen Orten, in denen einst Gastarbeiter Arbeit fanden, als Stahlarbeiter bei Hoesch oder als Metallarbeiter bei Mercedes-Benz. Die klassischen Stützpunkte sind Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Städte wie Duisburg und Bochum, Oberhausen und Essen, niederrheinische Städte wie Kaarst und Xanten, Kevelaer und Neukirchen-Vluyn, Großstädte wie Stuttgart und München.
Die Mafia – so Reski – habe sich spätestens seit dem Mauerfall in Deutschland fest etabliert. Der Unterschied zwischen Neapel und Neukirchen-Vluyn sei allenfalls, dass in Deutschland die Geschäfte im Hintergrund ohne Gewalt ablaufen. Kein Terror, keine Toten – zumindest sehen wir sie nicht. Trotzdem verdient die Mafia viel Geld an Rhein und Ruhr, an Elbe und Donau. Diese Grundaussage zieht sich als Roter Faden durch Reskis Buch, das genau genommen die Geschichte eine Autofahrt ist: Mit ihrem Alfa Romeo Spider fährt sie von Kamen nach Corleone – eine Tour, die sie schon einmal als 20-Jährige gemacht hat. Damals allerdings mit einem eigenen Wagen, für ihr Buch "Von Kamen nach Corleone" hat sie sich den Flitzer von Fiat sponsern lassen. Unterwegs besucht sie Freunde und Staatsanwälte, Journalisten und Überläufer, plaudert mit ihnen, recherchiert und vermittelt so nach und nach ein Gesamtbild der Mafia in Deutschland. Und sie vermittelt manche Probleme von Staatsanwälten.
In Stuttgart gebe es verdächtige Italiener, die als Kaufleute in der Gesellschaft sehr hoch angesehen und aufgestiegen seien, sagt Oberstaatsanwalt Krombacher. Als Staatsanwalt müsse er aber Straftaten nachweisen. Wenn bei den Delikten jedoch das Niveau von Erpressung und Brandstiftung überstiegen werde, dann sei es für die Ermittler schwierig: Bei den Verdächtigen, die als italienische Kaufleute daherkommen, verhalte es sich allerdings so, dass sie keineswegs selbst mit Drogen handeln oder die Erpressungen machen. Sie nähmen nicht mal Falschgeld in die Hand und fallen deshalb auch kaum auf, weder bei der Bevölkerung noch bei der Polizei. Man habe größere Angst vor Einbrechern, als vor der Mafia. Ein krasses Missverhältnis sei das, bitte nehmt die Mafia ernst, fleht fast die Autorin auf 351 Seiten. Reski hat eine leicht lesbare Fleißarbeit abgeliefert mit vielen Namen und Daten, Zusammenhängen und Erlebnissen, immer wieder durchbrochen von sehr persönlich gefärbten Schilderungen.
Die Mafiareporterin trägt Puffärmel. Und Plateauschuhe, obwohl sie so groß ist, dass sie die Hälfte der hier im Gerichtssaal anwesenden Männer auch barfuß überragt. In ihrer Armbeuge hängt eine lila Handtasche, ihre Fingernägel sind schwarz lackiert, und als Armreifen trägt sie eine Hundekette in Plexiglas gegossen.
Manche Beschreibung hat durchaus Unterhaltungswert, manche hätte der Lektor streichen sollen – weniger ist mehr. Dem Gesamteindruck des Buches tut das aber keinen Abbruch. Es ist erstaunlich, mit welchem Elan die Öffentlichkeit Thilo Sarrazins Thesen diskutiert, während die zumindest vom Schadpotenzial sehr viel größere Gefahr "Mafia" nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn überhaupt, macht sie ohnehin nur mit Gewalt von sich reden. Etwa im August 2007, als in Duisburg sechs Angehörige eines Mafia-Clans von Killern, die eine andere Familie beauftragt hatte, vor der Pizzeria "Da Bruno" erschossen wurden.
Der Mord in Duisburg geschah an einem Tag, sagte Scarpinato. Was aber die Geldwäsche betrifft, so wirkt sie sich über Jahre aus. Aus dem Reichtum der Mafia wird wirtschaftliche Macht, und aus der wirtschaftlichen Macht wird politische Macht. Und die kann die Politik ganzer Länder beherrschen, wie es bereits in Afrika und Südamerika geschieht.
Mirko Smiljanic war das über Petra Reski: Von Kamen nach Corleone. Die Mafia in Deutschland. Erschienen bei Hoffmann und Campe, 352 Seiten kosten 20 Euro, ISBN: 978-3-455-50163-6.