Archiv


"Nein zur dritten Intifada"

Mit unnachgiebiger Gewalt versucht Israel im Gazastreifen Herr zu werden über die Hamas, die mit ihren tausenden Raketensticheleien seit Jahren die israelische Bevölkerung terrorisiert. Wie aber reagieren arabische Medien auf die Kämpfe im Gazastreifen, was sagen arabische Intellektuelle in Zeitungen und im Fernsehen?

Von Joseph Croitoru |
    Angesichts der hohen Opferzahlen auf palästinensischer Seite ist es nur verständlich, dass arabische Intellektuelle und Kommentatoren die israelische Militäraktion im Gazastreifen einstimmig verurteilen. Allerdings sprechen längst nicht alle jene demagogische Sprache, die von der Hamas und ihren Verbündeten verwendet wird. Die palästinensischen Islamisten und ihre Freunde in Teheran oder bei der proiranischen libanesischen Hizbullah nämlich bezeichnen die israelischen Angriffe als "Holocaust" und "Genozid". Da gleich zu Beginn der israelischen Offensive auch der internationale arabische Satellitensender Al-Dschazira den arabischen Begriff für Holocaust, "mahraka", übernommen hat, ist er zur rhetorischen Allzweckwaffe der arabischen Straße geworden - er taucht seitdem regelmäßig auf Transparenten bei Demonstrationen in der arabischen Welt , im Iran und gelegentlich auch hierzulande auf.

    Al-Dschazira hat damit seine Informationskampagne vom März 2008, die sich damals ebenfalls gegen eine Militäraktion der Israelis wandte, eigentlich nur aktualisiert. Damals stellte der Sender in einer Karikatur den israelischen Ministerpräsidenten Olmert als Hitler dar. Mittlerweile meidet Al-Dschazira eine solche Demagogie, lässt dafür aber auf der eigenen Internetseite prominente arabische Intellektuelle Geschichtsklitterung betreiben. So etwa den ägyptischen Sachbuchautor Fahmi Huwaidi, der hier die Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten und die Besatzungs- und Belagerungspolitik der Israelis gegen die Hamas im Gazastreifen miteinander vergleicht. Sein Fazit: Auch das Vorgehen Israels könne als Holocaust bezeichnet werden.

    Auf eine derart radikale Rhetorik hat die säkulare palästinensische Presse in der Westbank bislang verzichtet. Hier, wo man auf die Hamas ohnehin nicht gut zu sprechen ist, war anfangs zwar täglich die Rede von "Massakern" der Israelis; die Begriffe "Holocaust", "Völkermord" und "Vernichtungskrieg" tauchten nicht auf. Die Ostjerusalemer Zeitung "Al-Quds" hat auf ihrer Titelseite immer wieder in einem Atemzug von den palästinensischen Opfern und den Raketenangriffen auf die israelische Stadt Beersheva berichtet: Ein Zeichen dafür, dass man hier bei aller Solidarität mit den eigenen Volksbrüdern im Gaza um Ausgewogenheit bemüht ist. Inzwischen verwendet sie den Begriff "Massaker" kaum noch - er wurde durch das Wort "Aggression" ersetzt. Ähnliches gilt übrigens auch für die anderen großen palästinensischen Zeitungen "Al-Ayyam" und "Al-Hayat Al-Dschadida", die in Ramallah erscheinen; das lässt darauf schließen, dass die in der Westbank herrschende Fatah ihren Einfluss geltend macht und Druck auf die Redaktionen ausübt, sich von der Rhetorik der politischen Rivalin Hamas zu distanzieren.

    Allerdings ist in der Presse der Westbank in diesen Tagen, in denen man sich mehr nationale Solidarität wünscht, offene Kritik an den palästinensischen Islamisten kaum zu finden. Zwischen den Zeilen aber kann man sie trotzdem lesen. Etwa wenn der islamische Rechtsgelehrte Zuheir al-Dabyi aus Nablus, ein scharfer Kritiker der innerpalästinensischen Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah, in "Al-Quds" seine Landsleute zu gegenseitiger Solidarität aufruft und im nationalen Zusammenhalt den einzig effektiven Widerstand sieht. Der Titel des Beitrags "Nein zu einer dritten Intifada" zeigt unmissverständlich, wie sehr sich die palästinensische Öffentlichkeit in der Westbank von Gewalt als Mittel zur Lösung des Konflikts distanziert. Dass damit vor allem die Politik der Hamas gemeint ist, bleibt allerdings unausgesprochen.