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Neonazi-Aussteiger erzählt über seine Vergangenheit

Wenn Neonazis aus der Szene aussteigen, dann brauchen sie Menschen, die sie begleiten. Manuel Bauer ist ein ehemaliger Neonazi. Er begleitet heute selbst Aussteiger. Außerdem geht er an Schulen, um Jugendlichen von seinem Weg zwischen Abstieg und Ausstieg aus der Neonaziszene zu schildern.

Von Blanka Weber |
    Manuel Bauer steht vor Schülern einer 11. und 12. Klasse in Jena und erzählt, dass nun endlich auch die Tattoos entfernt werden:

    "Richtig geil, dass ich den Scheiß dann auch hier weghabe. Denn es ist blöd, ich hab’ verfassungsfeindliche Symbole hier an den Oberarmen, wenn ich damit rumlaufe, müsste ich eben auch mit Anzeigen rechnen."

    Es sind Symbole aus seiner alten Zeit. 90er-Jahre. Springerstiefel, Bomberjacke – eine Zeit voller Gewalt. Diebstahl, Erpressung, Raub, körperliche und seelische Gewalt – dort, wo es aus seiner Sicht Menschen verdient hatten. Damals.

    Er erzählt ungeschönt von seiner Zeit in der Kameradschaft, von seiner Karriere innerhalb der illegalen Strukturen, von Gewaltexzessen mit Waffen und Schlägereien, von Ausländerfeindlichkeit und der Erpressung eines schwulen Geschäftsmannes, von Polizisten die Hinweise gaben, von der eigenen Familie, die sich distanzierte, vom Knast - wo er wieder straffällig wurde und schließlich den ersten Schritt hin zum Ausstieg nahm:

    "Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde auf jeden Fall nicht in die Szene reinrutschen. Ich würde mich von meinen Freunden abwenden, wenn es nicht anders ginge. Ich würde einen anderen Lebensweg einschlagen. Jetzt muss ich natürlich auch sagen, ich habe versucht, Kontakt aufzunehmen, viele oder die meisten haben meine Entschuldigung nicht angenommen, mir auch nicht verziehen. Es ist verständlich, irgendwo. Aber ich kann nur hoffen und wünsche mir, dass sie sehen, ich meine es ehrlich."

    Aussteiger wie er leben gefährlich. Nicht nur von der Szene, der sie einst angehörten, werden sie beobachtet. Manuel Bauer weiß das und ist vorsichtig – an jedem Bahnsteig, in jedem Hotel. Das Aussteigen aus einem illegal arbeitenden, brutalen Netzwerk hat einen Preis. Sich damit in der Öffentlichkeit zu zeigen und andere aus der Szene zu holen – ist noch gefährlicher:

    "Der Grund, weswegen ich diese Präventionsarbeit mache, ist, ich betreue selber Aussteiger. Und ich habe durch meine Arbeit erkannt, wie wichtig das ist, wie sich die Aussteiger fühlen würden, die die ich betreue, speziell, wie es für die wäre, wenn ich das nicht mehr machen würde. Wenn ich weg wäre."

    Vor den Schülern gestikuliert er, erzählt schonungslos nicht in der Wir-Form, sondern als ich von seinen Taten, seiner Gewalt. Es sind harte Fakten, die sprachlos machen – sagen später die Jugendlichen:

    Die Schüler lernen in jenem Stadtteil, der – unter anderem - noch vor Jahren im Blick stand aufgrund der Probleme mit der rechten Szene. Die heute sogenannte Zwickauer Zelle nahm ihren Ursprung in einem der Plattenbau-Stadtteile. Heute, sagt die Ethiklehrerin, haben wir hier viele Kinder mit Migrationshintergrund und wir haben Verantwortung:

    "Das ist uns wichtig, gerade die 11. und 12. Klassen, die aus der Schule rausgehen, dass die mit guten Gedanken hinaus ins Leben entlassen werden."

    Die Gesellschaft entwickelt sich weiter, sagt Manuel Bauer, die Gesellschaft ist aber auch die rechte Szene, sagt er warnend und blickt in die Gesichter der Jugendlichen.

    Sein Leben damals geriet aus den Fugen, es waren die 90er-Jahre geprägt vom sozialen Abrutschen vieler im Osten und vom Wegschauer mancher in Ost und West – das ist der größte Vorwurf, den Manuel Bauer heute hat.