Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Neonazi-Satire "Heil"
Durch den Kakao gezogen

In dem Film "Heil" zeichnet Regisseur Dietrich Brüggemann eine absurde Geschichte eines jungen Mannes mit dunkler Hautfarbe, der rechte Sprüche in Talkshows von sich gibt. Mit dieser Neonazi-Satire kritisiert Brüggemann die Medienöffentlichkeit und lässt in der Tabupolitik des deutschen Films keinen Stein auf dem anderen.

Von Josef Schnelle | 16.07.2015
    Szene aus dem Kinofilm "Heil".
    Szene aus dem Kinofilm "Heil". ( X-Verleih/dpa)
    "Ist ihr Mann zufällig so´n afrikanisch Aussehender mit so Hakenkreuz im Gesichte." - "Was?" - "Der ist mit Nazis unterwegs, da kann ich nischts unternehmen." - "Hören Sie zu: Mit so was macht man keine Witze."
    Schauplatz: Brandenburgische Provinz
    Nina auf der Suche nach Sebastian, ihrem Freund mit dunkler Hautfarbe, von dem sie schwanger ist. Der ist gerade angesehener Gast in den Talkshows des deutschen Fernsehens, liest aus seinem aktuellen Buch und bekommt Berge von Fanpost. Bis er nach Prittnitz kommt - in die brandenburgische Provinz. Schon für die Frage nach dem Weg zum Rathaus, wo er aus seinem Buch über Integration liest, kassiert er einen Schlag auf den Kopf. Mit dem Baseballschläger eines rechten Aktivisten selbstverständlich.
    Die Folgen sind fatal. Sebastian vergisst alles und plappert fortan rechte Sprüche nach, die ihm Sven, der Anführer einer Gruppe von Neo-Nazis, einflüstert. Der Fall zieht weite Kreise und kommt auch Hintermännern der radikal-rechten Szene zu Ohren.
    "Sebastian Klein, jung, schwungvoll aber inhaltlich total bei uns." - "Ein Schwarzer, der sagt, dass man Migranten nicht alles durchgehen lassen darf? Wunderbar. Setzen Sie ihn in die einschlägigen Talkshows."
    Deutsches Aufregungsfernsehen
    Spätestens jetzt bewegt sich Regisseur Dietrich Brüggemann in den Regionen der sarkastischen Satire. Brüggemann - zuletzt mit dem beeindruckenden und preisgekrönten formal strengen Religionsmelodram "Kreuzweg" hervorgetreten - trifft nun voll dahin, wo's wehtut, kritisiert die bundesdeutsche Politik- und Medienöffentlichkeit und lässt in der Tabupolitik des deutschen Films keinen Stein auf dem anderen. In der nächsten Talkshow sitzt er selbst neben seinem Helden auf dem "heißen Stuhl". Eine Begrüßung der Gäste, wie wir sie aus dem Deutschen Aufregungsfernsehen nur zu gut kennen.
    "Der dreifache Ironman Alexander Strecker, Autor des Buches: 'Mindestens 100 Prozent', Sebastian Klein, Autor des Buches 'Das braun gebrannte Land' und schließlich der Filmregisseur Dietrich Brüggeman, dessen Komödie 'Geil Hitler' nächste Woche in den Kinos startet."
    Kein definitiver Tabubruch
    Ganz so weit hat sich Dietrich Brüggemann mit seiner Komödie "Heil" nun doch nicht vorgewagt. Man wäre gespannt auf den definitiven Tabubruch, den der auch nur angekündigte Film "Geil Hitler" ankündigt. Doch Brüggemann spielt in dieser Szene selbst nicht mit. Seinen bisher eher harmlosen Beziehungskomödien lässt der Regisseur einen Film folgen, der ins deutsche Kino das Provokative neu einführen will, wie etwa Helmut Dietl es mit seiner Komödie über die gefälschten Hitler-Tagebücher 1992 Schtonk gelungen ist. Brüggemann schielt nach dem Vergleich mit Dietls Husarenstück und distanziert sich gleichzeitig dezidiert von seinem Vorbild. Immerhin ist die satirische Lage der Dinge komplizierter geworden. V-Leute und Verstrickungen diverser Regierungsstellen mit dem NSU-Untergrund spitzen die Sache schon im wirklichen Leben immer mehr zu.
    "Allein, dass ich hier mit einem Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungsschutzes sitze ist ja schon angewandte Dialektik."
    Brüggemann reiht nicht nur einschlägige Witze aneinander. Die Neonazis sind nicht nur dumme Gefolgsmänner, sondern auch selbst verstrickt in Manöver der Staatsschützer, an deren Spitze Michael Gwisdeck steht, der sich ein ums andere Mal wundert, wie viel mehr die neuen Dienste verglichen mit der guten alten Stasi bewegen können. Manchmal aber - besonders, wenn Sven seiner Doreen beweisen will, was für ein toller Kerl er ist, löst sich alles auf in anarchistische Pirouetten. Brüggemann weiß, was er tut, und hat sich erstmals auch als Satiriker bewiesen. Doch kann man tatsächlich über Nazis und Neonazis Witze machen, unterhalten und aufklären? Das darf weiterhin bezweifelt werden. Kann und darf die Satire wirklich alles?
    "Also da sind die Kameraden und auf die schießen wir? Aber das sind doch Deutsche?" - "Das ist ja unsere List." - "Hallo, nee ik ruf zurück." - "Wer war das?" - "Verfassungsschutz." - "Was?" - "Er ist ein Verräter und möglicherweise auch schwul." - "Hallo Mutti." - "Seid ihr wahnsinnig geworden?" - "Ihr redet heimlich mit dem Verfassungsschutz. Was habt ihr denen erzählt?" - "Nischts, nur Müll."