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Neonazis in der Bundesliga

Bei 16 Fußballbundesligisten stehen laut Bundesregierung Neonazis mit auf der Tribüne. Die Vereine haben das Problem jahrelang ignoriert. Weil Teams wie Borussia Dortmund oder Eintracht Braunschweig um ihr Image fürchteten, konnte die rechtsextreme Szene weiter wachsen.

Von Olaf Sundermeyer | 01.03.2014
    Dortmund sieht sich als Fußballhauptstadt. Aber die Stadt ist auch eine Hochburg der rechtsextremen Szene. In den vergangenen Jahren wurden hier fünf Menschen durch Neonazis getötet. Dutzende zum Teil schwer verletzt.
    Gewaltforscherin Claudia Luzar sagt: Fast alle diese Täter kommen aus der Fanszene.
    "Diese Rechtsextremisten bis auf einen sind auch BVB-Fans, das sind Kinder dieser Stadt. Ohne die Südtribüne und ohne den BVB würde die rechtsextreme Szene nicht so stark sein, wie sie ist."
    Die Wissenschaftlerin von der Universität Bielefeld führt in Dortmund seit Jahren Interviews mit Neonazis und deren Opfern. Sie sagt, dass der BVB sich erst seit eineinhalb Jahren intensiv mit dem rechtsextremen Problem auseinandersetzt. Vorher habe der Verein seine soziale Verantwortung vernachlässigt, sagt Claudia Luzar – und verweist auf die Folgen.
    "Dass die Szene größer geworden ist, dass die Szene die rechtsextreme Szene, auch über den BVB rekrutiert hat, auch über die Fan-Szene, auch mit dem Mittel der Gewalt, was für Fußball-Fans ja auch attraktiv ist."
    Auch Dennis fand auf der Südtribüne Anschluss an die rechtsextreme Szene. Vor zwei Jahren ist er ausgestiegen. Um ihn zu schützen, muss seine echte Identität geheim bleiben. Der Verein, sagt er, habe den Neonazis im Stadion kaum etwas entgegengesetzt.
    "Bis vor ein paar Jahren hat der BVB das alles total locker gehandhabt. Maßnahmen wie Stadionverbote sind nur ganz selten umgesetzt worden. Der BVB hat das Problem nicht ernst genommen und hat das lange schludern lassen."
    BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat für ein Interview keine Zeit. Deshalb muss ein Fanbeauftragter die Fragen zu dem rechtsextremen Problem beantworten. Und Daniel Lörcher bestätigt, dass der Verein zu spät reagiert hat.
    "Wir müssen uns dieser Kritik stellen grundsätzlich, ich möchte aber viel mehr betonen, dass wir jetzt das Problem erkannt haben und etwas machen. Und dass wir das auch nachhaltig und mit einem unglaublichen finanziellen, logistischen und inhaltlichen Aufwand machen."
    Der BVB hat ein Bündel an Maßnahmen geschnürt: Stadionverbote, Flugblattaktionen, Fahrten mit jugendlichen Fans zur Gedenkstätte Auschwitz. Aber die meisten Neonazis sind immer noch da. Wie bei anderen Bundesligisten auch.
    Etwa bei Eintracht Braunschweig. Der Verein hatte bei seinem sportlichen Aufstieg in die erste Liga offenbar keinen Blick für die Neonazis auf seiner Tribüne. Für Soeren-Oliver Voigt, den Geschäftsführer von Eintracht Braunschweig, sind sie jedenfalls kein Grund zur Beunruhigung.
    "Es gibt kein geballtes Problem für Eintracht Braunschweig, ich möchte das noch mal betonen. Diese Leute, einzelne Personen die Ihnen möglicher Weise bekannt sind die sind uns nicht bekannt. Die haben Sie im Zweifel auch explizit gesucht. Es gibt kein geballtes rechtsradikales Problem bei Eintracht Braunschweig."
    Neonazis im Stadion – also eine Erfindung der Medien? Im September 2013 attackieren rechtsextreme Eintracht - Hooligans linke Eintracht-Anhänger, die sich im Stadion offen gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagieren: Bei einem Auswärtsspiel in Mönchengladbach. Auch Alex war dabei. Aus Angst kann er seinen richtigen Namen nicht nennen.
    "Wir wurden angespuckt, die Leute haben uns rassistisch und antisemitisch beleidigt, es wurden Leute ins Gesicht geschlagen und unser Fan-Beauftragter wurde nach eigenen Angaben in den Rücken getreten."
    Für den Fanforscher Gerd Dembowski von der Universität Hannover ist das kein Einzelfall. Er nimmt an, dass die Zahl der betroffenen Vereine noch höher ist als bislang angenommen.
    "An mich wenden sich zur Zeit ständig Fußball-Fans aus der ganzen Republik, die sagen: "Wir haben auch ein Bedrohungsszenario", "Wir haben auch Ansagen bekommen von anderen Fußball-Fans, von anderen Ultra-Gruppen, von anderen Alt-Hooligans in unserer Fan-Szene: Wenn ihr noch mal ein Banner gegen Rassismus aufhängt, dann bekommt ihr aufs Maul."
    Weil viele Clubs das Problem nicht entschlossen genug anpacken, könnten Rechtsextremisten die Marke Fußball-Bundesliga bedrohen. Auch deshalb unterstützt die Deutsche Fußballliga neuerdings an vielen Bundesligastandorten Projekte gegen rechts. Auch bei Eintracht Braunschweig.