Demonstrationsmarsch von etwa 70 Neonazis durch die Straßen von Weyhe, einem Städtchen im Norden Niedersachsens, in der Nähe von Bremen. Auf Transparenten und mit Parolen fordern sie ein Deutschland nur für Deutsche.
Die Neonazis versuchen Kapital zu schlagen aus dem tragischen Tod eines jungen Mannes: Der 25-jährige Daniel S. hatte versucht, einen Streit zwischen Discobesuchern am Bahnhof von Kirchweyhe zu schlichten. Ähnlich wie Jonny K. in Berlin wurde er daraufhin selbst niedergetreten und starb später im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter sitzt zurzeit in Untersuchungshaft: ein 20-Jähriger türkischer Herkunft.
Die rechtsextreme Szene mobilisiert für Aktionen wie die in Weyhe, aber auch den fremdenfeindlichen sogenannten "Tag der deutschen Zukunft", auf dem sie am 30. Mai in Wolfsburg gegen Einwanderer und Asylbewerber demonstrieren will, vorher massiv im Internet, per Twitter und SMS.
"Es lösen sich feste Strukturen eher auf."
So die neue Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger.
"Wir haben es mehr mit jungen Leuten zu tun, die sich sehr viel stärker auch in aktionsorientierten Bündnissen zusammenfinden. Das macht es nicht eben einfacher, weil die Szene dadurch weniger berechenbar ist, als sie es in der Vergangenheit möglicherweise war."
Als Maren Brandenburger gemeinsam mit dem neuen Innenminister von der SPD, Boris Pistorius, unlängst den Verfassungsschutzbericht 2012 vorstellte, blickten beide sorgenvoll in die Zukunft.
"Weil es durchaus so ist, dass Jugendliche insbesondere in dieser sehr leichten Zugangsschwelle, die ja ein lockeres Bündnis darstellt, sich vielleicht eher solchen Gruppierungen anschließen, als wenn es eine feste Organisation gibt."
Gerhard Bücker vom Landespräventionsrat in Hannover hat lange beim Staatsschutz gearbeitet. Er berät Dörfer und Städte, Eltern und Lehrer, wie mit Neonazis und abdriftenden Jugendlichen umzugehen ist. Dabei mahnt er, sie nicht auszugrenzen. Gerhard Bücker beobachtet ihn auch, diesen Zerfall der festen Strukturen in der Szene zugunsten lockerer Bündnisse für einzelne Aktionen.
"Wir stellen immer wieder fest, die unterste Stufe, wenn man so will, dieser Zusammenschlüsse, sind das, was wir rechtsaffine Jugendcliquen nennen."
Jungs und Mädchen, die mit Bierdosen an der Bushaltestelle im Dorf herumlungern, können gefährdet sein: Wenn Einzelne dann Verbindungen in die nächste Großstadt haben, zu einer rechtsextremen Organisation, locken sie die anderen aus eigener Initiative in die Szene oder werden teils auch von den Kadern der Organisation angeleitet und beauftragt, die Dorfjugend zu mobilisieren. Technisch läuft da ganz viel übers Internet. Jugendliche, die im Netz zum Beispiel "Todesstrafe für Kinderschänder" googeln, erzählt Bücker, werden auf Facebook gezielt angesprochen.
"Der oder die können damit rechnen, dass das auch andere sehen, nämlich Leute aus der Szene und sich dann kümmern um diese Personen und dann vielleicht Kontakt aufnehmen. Also so etwas wird genutzt, um mit einschlägigen Themen junge Menschen auf elektronischer Basis zunächst einmal anzusprechen."
Zu den einschlägigen Themen gehört mehr und mehr auch die Islamfeindlichkeit – das ist die zweite Botschaft des niedersächsischen Innenministers Pistorius:
"Auf diese Weise finden sie weit über das von den Verfassungsschutzbehörden registrierte Personenpotenzial hinaus Zuspruch."
Denn die Islamfeindlichkeit dient nicht nur allen Gruppen des zunehmend zerfaserten Rechtsextremismus als ideologische Gemeinsamkeit, darüber hinaus haben sie damit einen Anknüpfungspunkt in bürgerliche Kreise. Verfassungsschutzpräsidentin Brandenburger:
"Das ist etwas, was uns deutlich mit Sorge erfüllt, weil wir hier feststellen, dass Rechtsextremisten es mutmaßlich schaffen, in der Bevölkerung existierende Ängste und Besorgnisse aufzugreifen und ihre rechtsextremistische Propaganda da draufzusatteln."
Jeder zweite Deutsche empfindet den Islam als Bedrohung, das war das erschreckende Ergebnis einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung von Ende April. Wissenschaftler beobachten nicht erst seit Thilo Sarrazins kruden Thesen, dass Ausländerfeindlichkeit zunehmend gesellschaftsfähig wird.
In Weyhe grölten sie vergeblich: Gegen die Demonstration der Rechten setzte sich ein breites Bündnis mit einer Mahnwache zur Wehr.
Der ehemalige Staatsschützer Gerhard Bücker findet diese islamfeindliche Stimmung in der Bevölkerung viel gefährlicher, als die 920 gewaltbereiten Rechtsextremisten, die der Verfassungsschutzbericht des Landes auflistet. Im Alltag oder vor Moscheen treten die Propagandisten in Niedersachsen bislang noch nicht in Erscheinung. In der Anonymität des Internets fahren die extremen Rechten aber auch bundesweit immer mehr obsessive Kampagnen gegen den Islam. Der Verband der Niedersächsischen Muslime beobachtet die Entwicklung angespannt. Innenminister Pistorius sieht darin eine ideologische Brückenfunktion zwischen rechtsextremistischen Gruppen und rechtspopulistischen, von der Meinungsfreiheit gedeckten Positionen, wobei die Übergänge fließend sind.
"Mit ihrer aggressiven Agitation und der systematischen Abwertung von Muslimen, nur auf der Grundlage der Religionszugehörigkeit, schüren diese vorgeblichen Islamkritiker ein Klima des Hasses, der Angst und des Misstrauens. Um den Gefahren, die sich daraus ableiten, entgegenzuwirken, wird der niedersächsische Verfassungsschutz das Thema Islamfeindlichkeit in der nächsten Zeit auch zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit machen."
Praktisch bedeutet das eine intensivere Internetrecherche - und dafür braucht es Personal. Gut, dass Kapazitäten frei werden, da Niedersachsens Verfassungsschutz die generellen Beobachtungen der Partei "Die Linke" einstellt.
Die Neonazis versuchen Kapital zu schlagen aus dem tragischen Tod eines jungen Mannes: Der 25-jährige Daniel S. hatte versucht, einen Streit zwischen Discobesuchern am Bahnhof von Kirchweyhe zu schlichten. Ähnlich wie Jonny K. in Berlin wurde er daraufhin selbst niedergetreten und starb später im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter sitzt zurzeit in Untersuchungshaft: ein 20-Jähriger türkischer Herkunft.
Die rechtsextreme Szene mobilisiert für Aktionen wie die in Weyhe, aber auch den fremdenfeindlichen sogenannten "Tag der deutschen Zukunft", auf dem sie am 30. Mai in Wolfsburg gegen Einwanderer und Asylbewerber demonstrieren will, vorher massiv im Internet, per Twitter und SMS.
"Es lösen sich feste Strukturen eher auf."
So die neue Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger.
"Wir haben es mehr mit jungen Leuten zu tun, die sich sehr viel stärker auch in aktionsorientierten Bündnissen zusammenfinden. Das macht es nicht eben einfacher, weil die Szene dadurch weniger berechenbar ist, als sie es in der Vergangenheit möglicherweise war."
Als Maren Brandenburger gemeinsam mit dem neuen Innenminister von der SPD, Boris Pistorius, unlängst den Verfassungsschutzbericht 2012 vorstellte, blickten beide sorgenvoll in die Zukunft.
"Weil es durchaus so ist, dass Jugendliche insbesondere in dieser sehr leichten Zugangsschwelle, die ja ein lockeres Bündnis darstellt, sich vielleicht eher solchen Gruppierungen anschließen, als wenn es eine feste Organisation gibt."
Gerhard Bücker vom Landespräventionsrat in Hannover hat lange beim Staatsschutz gearbeitet. Er berät Dörfer und Städte, Eltern und Lehrer, wie mit Neonazis und abdriftenden Jugendlichen umzugehen ist. Dabei mahnt er, sie nicht auszugrenzen. Gerhard Bücker beobachtet ihn auch, diesen Zerfall der festen Strukturen in der Szene zugunsten lockerer Bündnisse für einzelne Aktionen.
"Wir stellen immer wieder fest, die unterste Stufe, wenn man so will, dieser Zusammenschlüsse, sind das, was wir rechtsaffine Jugendcliquen nennen."
Jungs und Mädchen, die mit Bierdosen an der Bushaltestelle im Dorf herumlungern, können gefährdet sein: Wenn Einzelne dann Verbindungen in die nächste Großstadt haben, zu einer rechtsextremen Organisation, locken sie die anderen aus eigener Initiative in die Szene oder werden teils auch von den Kadern der Organisation angeleitet und beauftragt, die Dorfjugend zu mobilisieren. Technisch läuft da ganz viel übers Internet. Jugendliche, die im Netz zum Beispiel "Todesstrafe für Kinderschänder" googeln, erzählt Bücker, werden auf Facebook gezielt angesprochen.
"Der oder die können damit rechnen, dass das auch andere sehen, nämlich Leute aus der Szene und sich dann kümmern um diese Personen und dann vielleicht Kontakt aufnehmen. Also so etwas wird genutzt, um mit einschlägigen Themen junge Menschen auf elektronischer Basis zunächst einmal anzusprechen."
Zu den einschlägigen Themen gehört mehr und mehr auch die Islamfeindlichkeit – das ist die zweite Botschaft des niedersächsischen Innenministers Pistorius:
"Auf diese Weise finden sie weit über das von den Verfassungsschutzbehörden registrierte Personenpotenzial hinaus Zuspruch."
Denn die Islamfeindlichkeit dient nicht nur allen Gruppen des zunehmend zerfaserten Rechtsextremismus als ideologische Gemeinsamkeit, darüber hinaus haben sie damit einen Anknüpfungspunkt in bürgerliche Kreise. Verfassungsschutzpräsidentin Brandenburger:
"Das ist etwas, was uns deutlich mit Sorge erfüllt, weil wir hier feststellen, dass Rechtsextremisten es mutmaßlich schaffen, in der Bevölkerung existierende Ängste und Besorgnisse aufzugreifen und ihre rechtsextremistische Propaganda da draufzusatteln."
Jeder zweite Deutsche empfindet den Islam als Bedrohung, das war das erschreckende Ergebnis einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung von Ende April. Wissenschaftler beobachten nicht erst seit Thilo Sarrazins kruden Thesen, dass Ausländerfeindlichkeit zunehmend gesellschaftsfähig wird.
In Weyhe grölten sie vergeblich: Gegen die Demonstration der Rechten setzte sich ein breites Bündnis mit einer Mahnwache zur Wehr.
Der ehemalige Staatsschützer Gerhard Bücker findet diese islamfeindliche Stimmung in der Bevölkerung viel gefährlicher, als die 920 gewaltbereiten Rechtsextremisten, die der Verfassungsschutzbericht des Landes auflistet. Im Alltag oder vor Moscheen treten die Propagandisten in Niedersachsen bislang noch nicht in Erscheinung. In der Anonymität des Internets fahren die extremen Rechten aber auch bundesweit immer mehr obsessive Kampagnen gegen den Islam. Der Verband der Niedersächsischen Muslime beobachtet die Entwicklung angespannt. Innenminister Pistorius sieht darin eine ideologische Brückenfunktion zwischen rechtsextremistischen Gruppen und rechtspopulistischen, von der Meinungsfreiheit gedeckten Positionen, wobei die Übergänge fließend sind.
"Mit ihrer aggressiven Agitation und der systematischen Abwertung von Muslimen, nur auf der Grundlage der Religionszugehörigkeit, schüren diese vorgeblichen Islamkritiker ein Klima des Hasses, der Angst und des Misstrauens. Um den Gefahren, die sich daraus ableiten, entgegenzuwirken, wird der niedersächsische Verfassungsschutz das Thema Islamfeindlichkeit in der nächsten Zeit auch zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit machen."
Praktisch bedeutet das eine intensivere Internetrecherche - und dafür braucht es Personal. Gut, dass Kapazitäten frei werden, da Niedersachsens Verfassungsschutz die generellen Beobachtungen der Partei "Die Linke" einstellt.