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Nervenstärke im Orbit

Raumfahrt. - Eigentlich sollte das Comeback der Nasa und ihrer Shuttleflüge zur Paradevorstellung werden. Doch dann mussten spektakuläre Reparaturen durchgeführt, andere Schäden hingenommen und schließlich die Landung wegen schlechten Wetters verschoben werden. Raumfahrer reagieren darauf aber stoisch.

    Bei normalen Fluggästen würde angesichts der umtriebigen Aktivitäten der Besatzung sicherlich einiges an Nervosität aufkommen. Insider reagieren jedoch auf die Pannen bei dem Flug der Discovery mit demonstrativer Gelassenheit. So verfolgen auch europäische Kollegen die aktuellen Entwicklungen während des von wenig Glück begleiteten Shuttleabstieges aus dem All ohne Unterlass. Eigentlich sollte die Fähre heute um 10.47 Uhr MESZ auf der Rollbahn des Kennedy Space Center in Florida aufsetzen, doch Petrus machte dieser Planung mit schweren Wolken, drohendem Regen und miserabler Sicht einen Strich durch die Rechnung. So verschob die Flugleitung die Landung um mindestens 24 Stunden auf Dienstag. Doch das sei durchaus kein Problem, berichtet der Schweizer Claude Nicollier, selbst mit vier Shuttle-Missionen bereits Routinier:

    "Es ist mir oft passiert, dass wir Verspätungen wegen des Wetters hatten. Aber man merkt in den Gesprächen zwischen Fähre und Bodenstation, dass die Leute nicht nervös sind. Natürlich, wenn man zu viele Tage Verspätung hat, dann wird man etwas unruhig, da die Reserven sich zu Ende neigen. Aber bis dahin gibt es absolut keine Nervosität."

    Nicollier trainiert derzeit mit einigen Kollegen am Astronauten-Trainingszentrum EAC des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz. Bis Mittwoch seien die Reserven der Discovery, vor allem die Speicher für Sauerstoff und Elektrizität, auf alle Fälle gesichert, erklärt der Astronaut. Der Weg zurück zur Internationalen Raumstation ist allerdings aus technischen Gründen versperrt. Das sei aber auch gar nicht nötig, betont der deutsche Shuttle-Veteran Reinhold Ewald vom ESA-Astronauten-Corps:

    "Der Flug der Discovery war ein Riesenschritt vorwärts und für uns auch eine Ermutigung, mit unserem europäischen Columbus-Labor noch weitere Anstrengungen zu unternehmen, das in der Zeit dann fertig zu bekommen und mit dem Shuttle zur Raumstation transportieren zu lassen. Wir müssen jetzt sehen, was die Auswertung des Fluges ergibt."

    Die verschiedenen Phasen des Discovery-Fluges müssten nach der Landung genau analysiert werden. In jedem Fall wertet Ewald den Flug als einen Erfolg, denn es seien schließlich 13 Tonnen Material zur Station transportiert und ebensoviel von ihr übernommen worden. Neben der Montage eines neuen Gyroskops, das die Fluglagesteuerung der Station wesentlich vereinfache, sei die ISS auch etwas "entrümpelt" worden. Die nächsten möglichen Landetermine für Florida liegen am Dienstag um 11.08 und 12.43 Uhr MESZ.

    Sollte sich das Wetter bis dahin nicht aufgeklärt haben, müsste die Nasa möglicherweise ganz auf andere Landeplätze wie die Luftwaffenbasis Edwards in Südkalifornien oder den Weltraumhafen in White Sands in New Mexico ausweichen. Dann aber müsste Discovery kostspielig in ihren Heimathafen transportiert werden. Weil das Shuttle als Rettungsflieger für die kommende Mission der Fähre Atlantis bereit stehen muss, könnte sich die Mission, an der auch der deutsche Astronaut Thomas Reiter teilnehmen soll, empfindlich verzögern. Dazu Reiter:

    "Wenn sich jetzt nach der Landung herausstellen sollte, dass doch technische Probleme gelöst werden müssen, dann wäre im November ein weiteres Startfenster, aber ein ziemlich kleines von drei bis vier Tagen. Ein weiterer Termin wäre noch mal Ende Dezember, und wenn das in diesem Jahr nicht mehr geht, dann halt im Frühjahr nächsten Jahres."

    [Quelle: Arndt Reuning]