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Nett zueinander

Primatologie. – Menschenaffen teilen viele unserer Charaktereigenschaften, in Sachen Altruismus allerdings scheint der Mensch einzigartig zu sein. In der Fachzeitschrift PNAS ist nun allerdings eine Studie erschienen, die nahelegt, dass eine südamerikanische Affenart in dieser Hinsicht, dem Menschen ähnlicher ist, als bislang angenommen.

Von Kristin Raabe |
    Schimpansen lügen wie wir und sie trauern um ihre Toten ganz ähnlich, wie wir Menschen. Aber in einer Hinsicht enttäuschen unsere nächsten Verwandten uns immer wieder. Sie sind alles andere als hilfsbereit. Futter teilen sie nur, wenn ein anderes Gruppenmitglieder darum bettelt. Selbst Mütter geben ihrem hungrigen Nachwuchs nur ungern etwas ab. Ganz anders dagegen eine andere Art von Affen: Die südamerikanischen Weißbüscheläffchen sind kaum größer als ein Meerschweinchen, aber in ihren Gruppen läuft ohne gegenseitige Unterstützung gar nichts:

    "Die leben in Gruppen zusammen, die bestehen aus einem Elternpaar und allen ihren Kindern, und zwar ist es so, dass auch die Kinder, die erwachsen sind, bei ihren Eltern bleiben und dort dabei mithelfen, die kleineren Geschwister aufzuziehen, das heißt die verzichten praktisch darauf, sich selbst fortzupflanzen, um den anderen bei der Jungenaufzucht mitzuhelfen. Und man kann sich natürlich vorstellen, dass dieses soziale System eine sehr große soziale Toleranz hervorruft."

    Judith Burkart studiert die Weißbüscheläffchen am anthropologischen Institut der Universität Zürich. Aus ihren Beobachtungen weiß die Verhaltensforscherin, dass die Weißbüscheläffchen auch Futter untereinander teilen. Das Bedürfnis einander zu helfen, sich also "prosozial" zu verhalten, scheint ihnen regelrecht im Blut zu liegen und war für ihr Überleben als Gruppe in den Wäldern Südamerikas unverzichtbar. Für die Züricher Wissenschaftlerin der Anlass ein Experiment zu wagen, bei dem Schimpansen, die ihnen gestellte Aufgabe nicht erfüllten. Burkart:

    "Wir haben immer Weißbüschelaffen in Paaren getestet. Und zwar hatten wir immer einen, der einen Futterautomaten bedienen konnte und einen, der nur Empfänger spielen konnte, das heißt, die waren in zwei nebeneinander liegenden Versuchsräumen und konnten einander sehen."
    Wenn der eine Weißbüschelaffe den Futterautomat bediente, dann bekam nur sein Artgenosse im Nachbarkäfig Futter. Er selbst ging leer aus und hatte keinen direkten Nutzen von seiner Hilfsbereitschaft. Trotzdem betätigten die meisten Weißbüschelaffen den Futterautomaten. Das bestätigten auch alle Kontrollversuche. Burkart:

    "Während die Schimpansen das nicht tun, in derselben Situation, findet man das bei den Weißbüscheläffchen, die eigentlich viel kleinere Gehirne haben und ansonsten, in vielen Tests schlechter abschneiden als die Schimpansen. Zusammenfassend scheint es so zu sein, dass die Schimpansen und die Weißbüschelaffen ganz wichtige Komponenten der menschlichen sozialen Kooperation teilen. Nämlich die Schimpansen, die haben die kognitiven Voraussetzungen für die Kooperation aus eigenem Interesse, während die Weißbüscheläffchen diese Prädisposition haben, einfach nett zu einander zu sein. Was somit das spezifisch Menschliche ausmachen würde, wäre viel weniger die Tatsache, dass sie solche prosozialen Tendenzen haben, als das gemeinsame Auftreten von den prosozialen Tendenzen mit dem sehr großen Gehirn und den zusammenhängenden Fähigkeiten auch zu kalkulieren."

    Um zu erkennen, ob jemand Hilfe benötigt, ist es notwendig sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. Das können die Schimpansen, allerdings fehlt ihnen schlichtweg das Bedürfnis, dem anderen zu helfen. Das haben wiederum die Weißbüschelaffen, aber ihr Gehirn ist zu klein, um in komplexeren Situation die Bedürfnisse des anderen zu erkennen. Nur der Mensch vereinigt beide wichtigen Eigenschaften in sich und ist dadurch zu echtem selbstlosen Verhalten fähig.